Mittwoch, 28. März 2018

Alles Theater? Notizen zur Lehre vom Menschen G.K. Chesterton

"Gott hatte etwas geschrieben, nicht so sehr ein Gedicht als ein Bühnenstück;ein Stück, das vollkommen hätte sein sollen,das aber zwangsläufig menschlichen Schauspielern und Regisseuren überlassen blieb, die seitdem ein heilloses Durcheinander angerichtet haben." Gilbert Keith Chesterton, Orthodoxie. Eine Handreichung für die Ungläubigen, 2.Auflage 2015, S.156.
Die Geschichte ist so ein von Gott inszeniertes Theaterstück, das dann durch die Freiheit des Menschen beachtlich durcheinander gebracht worden ist und wird. So einprägsam dies Bild auch ist, es stellen sich doch Fragen ein: Hörte denn Gott auf, der Regisseur des Theaterstückes zu sein, indem er es ganz in die Regie des Menschen übergab? 
Eine radicale Antwort darauf gab der theozentrische Determinismus der Reformatoren, die das ganze Weltgeschehen als durch Gott determiniert ansahen. Luther in seiner Schrift über den unfreien Willen, Zwingli in seiner über die Vorsehung Gottes und Calvin in seiner Institutio legten das Programm eines bis zum Ende durchdachten Determinismus vor: Es geschieht auf Erden, auf der Theaterbühne immer nur das von Gott von Ewigkeit her Gewollte und Beschlossene. Aber in diesem Vorstellungsraum kann es faktisch kein für sein eigenes Tun und Unterlassen noch verantwortliches Subjekt geben, Gott spielt durch die Schauspieler sein Stück, ohne daß die Akteure auf das Geschehen einen Einfluß nehmen könnten, weil sie nie anderes vollbringen können als das, was Gott schon vor Ewigkeit beschlossen hat. 
Die Antithese ist die Vorstellung, daß Gott um der Freiheit willen die Geschichte den Menschen überläßt, sodaß sie nun die Regie führen über ihr Leben. Aber ist dann noch Gott Herr über die Geschichte? Ist er dann noch Regisseur? Ist er dann überhaupt noch Gott? 
Vielleicht könnte diese Vorstellung hier weiterhelfen: Gott begnügt sich nicht darin, der Lenker oder der himmlische Zuschauergott des menschlichen Theaters zu sein, er hat für sich in dem Theaterstück selbst eine Rolle entworfen. Er will selbst als Schauspieler auf der Bühne erscheinen, auf ihr gemäß dem Stück agieren. Im Zentrum stünde so Gottes Auftreten als Jesus Christus in der Welt, in dem das Bühnenstück sein Zentrum hat. 
Damit es dann aber wirklich eine Geschichte wird, die auf der Bühne gespielt wird, hat er den Menschen als freies Wesen in das Stück gesetzt, in dem er dann auch als freies Subjekt agieren kann und will. Der theozentristische Determinismus läßt ja genau genommen keine Geschichte zu, es würde einfach ein vor aller Zeit fixiertes Programm in der Zeit abgespielt, aber dies Programm wäre keine Geschichte. 
Man könnte das auch anders formulieren: Gott schuf den Menschen als Aufgabe- er soll in der Geschichte erst werden, wozu er bestimmt ist und daß kann er nur werden, wenn er in einer kontingenten Geschichte sich erst bildet. Gottes Geschichte mit den Menschen wäre dann ein Bildungsroman.
Was ist der Mensch? Er ist noch nicht, denn er ist noch im Werden in diesem göttlichen Bildungsstück.    

1. Zusatz 
"Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch – ein Seil über einem Abgrunde. Ein gefährliches Hinüber, ein gefährliches Auf-dem-Wege, ein gefährliches Zurückblicken, ein gefährliches Schaudern und Stehenbleiben." Nietzsche. Wer heute im 1. Buch Mose liest, daß es die  Aufgabe des Menschen ist, sich die Natur zu unterwerfen, bedenkt man gerade ob der zeitgnössschen Kaprizierung auf Fragen des Umweltschutzes nicht, daß der Mensch auch ein Teil der Natur ist, und daß es so auch zur Aufgabe des Menschen als Geistwesen gehört, sich selbst als Natur zu beherrschen zu lernen. Auch so gesehen sind wir einfach noch gar nicht, was wir sein sollen.Sloterdijk hatte hier ja einmal couragiert vorangedacht in seinem Essay: Regeln für die Menschenpark, ist dafür aber von den politisch korrekten Zensoren  verteufelt worden.
   

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