Dienstag, 18. Dezember 2018

Christentum=eine Buchreligion Oder: Wo kann uns Jesus Christus begegnen?

Für den modernistischen Theologen Eugen Biser ist das eine klare Angelegenheit, wenn er urteilt, daß die christliche Religion nicht wie die anderen eine Buchreligion sei, sondern nur in zweiter Linie, denn in erster Linie stehe die Person Jesus Christus. (vgl: Markus Krienke, Zum 100.Geburtstag Eugen Bisers,in: Stimmen der Zeit 12/2018, S.878.) Die heilige Schrift enthält eben zu viele Aussagen, auch von Jesus Christus selbst, die nicht kompatibel sind mit der Gotteslehre Bisers, der Gott auf einen: "Ich hab euch doch alle lieb" Pappagott reduzieren möchte. So wird eben der wahre Jesus als die Wahrheit hinter der heiligen Schrift konstruiert gerade als das kritische Gegenüber zu den Aussagen des Neuen Testamentes. (So gehört es zum Basiswissen des liberalen Protestantismus, daß der Apostelfürst Paulus Jesu Verkündigung völlig verkannt habe, wie es schon Friedrich Nietzsche in seinem "Willen zu Macht" aufdeckte, dem später nicht nur Alfred Rosenberg in seinem "Mythos des 20. Jahrhundertes" folgte. 
Einfach gesagt: Da der Jesus Christus, wie in die Bibel verkündigt, so manchem Leser mißfällt, erdichtet man sich seinen eigenen Jesus, den dann die Autoren des Neuen Testamentes leider verfälscht hätten.  Den tiefsinnigsten  Angriff auf die Autorität des Neuen Testamentes startete dann ja der jetzt amtierende Jesuitengeneral mit seiner Erkenntnis, daß Jesu Worte und Reden damals noch nicht aufgezeichnet werden konnten von Aufnahmegeräten, sodaß es jetzt zweifelhaft sei, daß Jesus so gelehrt habe, wie es das Neue Testament bezeugt. 
Das kann auch niveauvoller formuliert werden, daß etwa das Ereignis Jesu Christi in der Sprache antiker Weltanschauungen ausgedrückt worden sei, so spreche das Johannesevangelium etwa in gnostischer Sprache das Jesusereignis aus, sodaß es nun für uns in eine andere zeitgemäße Sprache zu übersetzen sei- so etwa R.Bultmann. 
Es soll nun aber grundsätzlicher der Begriff der Buchreligion angedacht werden. Angedacht, das soll hier den vorläufigen Charakter der Erwägungen anzeigen.
Ein einfaches Schema : a) der Mensch denkt in sich, dann b) formuliert er das Gedachte in eine bestimmte Sprache, damit das innerlich Gedachte mitteilbar wird und c) wird dann das nach Außen Mitgeteilte verschriftlicht, so daß es als Schrift dauerhaft präsent ist und viele, nicht nur die aktuellen Hörer es vernehmen können. 
Diesen Stufen, a bis c wohnt nun auch ein Gefälle inne: Das eigentlich Wahre ist das unsprachlich rein innerlich Gedachte, wird das in eine bestimmte Sprache überführt, so ist das schon ein Verlust der Authenzität des rein innerlich Gedachten, der dann noch durch die Verschriftlichung gesteigert wird. Die Schrift wäre so das vom innerlich Gedachten am weitest Entfernte. Wie könnte da die  Schrift noch die Quelle der Wahrheit sein, die doch nur das rein innerlich Gedachte ist? 
Dies Dreischrittschema evoziert aber Fragen: Gibt es denn überhaupt ein nichtsprachliches Denken in unserem Inneren, das erst nachträglich versprachlicht wird?  Ist das Nichtsprachliche nicht eher ein Fühlen als ein Denken, sodaß dann wirklich zu fragen wäre, ob denn die Sprache mein individuelles Fühlen adäquat ausdrücken kann.  und zur Verschriftlichung:Kommt nicht erst durch die Verschriftlichung eine Lehre, eine Offenbarung die ihr gemäße Gestaltung, weil nur als Schrift sie universell zur Sprache kommen kann als nun lesbarer Text. Kann es ein Reden geben, das um seiner Schriftwerdung willen nur getätigt wird? Sagen wir es anders: Jesu Christi Verkündigung bzw. Lehre, seine Offenbarung kann nur offenbar werden, wenn sie als Schrift universal präsent werden kann im Kontrast zur Sprechsituation, in der nur der Angesprochene und eventuelle Hörer seine Lehre vernehmen konnten. Ohne eine Schriftwerdung der Offenbarung wäre die Offenbarung Jesu Christi gar nicht offenbar! Sie wäre uns ein plusquamperfektisches Ereignis geworden, das uns nicht mehr erreichen kann. 
Das Johannesevangelium begreift Jesus Christus als den Logos. Logos, (das Wort) ist zuvörderst ein Begriff der Sprache. Daß der Logos in sprachlichen Ausdrücken zu uns kommt als heilige Schrift entspricht so dem Logoshaften der Person Jesus Christus und es könnte hinzugefügt werden, daß der Inkarnation des Logos in das Fleisch die Schriftwerdung der gesprochenen Worte Jesu  korreliert, daß also die Inkarnation Gottes erst ihren Abschluß in der Schriftwerdung des Logos findet, daß Weihnachten erst in der heiligen Schrift ihre Vollendung findet. Die Krippe zu Bethlehem wird so zur offenbaren Wahrheit erst in der Schrift, der heiligen, der Bibel. Deshalb könnte gesagt werden: Nur weil die Offenbarung zur Schrift wurde, wurde sie zur christlichen Religion.  
So könnte dann R. Bultmanns berühmt berüchtigtes Votum:Bultmann wörtlich: "An den im Kerygma präsenten Christus glauben, ist der Sinn des Osterglaubens." nicht im Sinne der Autorenintetion auch so verstanden werden: Jesus Christus ist so in der heiligen Schrift präsent, daß es uns in ihr offenbar ist, sodaß die gläubigen Leser durch die Schrift im Verstehen der Schrift eine Gemeinschaft mit ihm erlangen können. Und deshalb ist wahrhaftig das Christentum eine Buchreligion.   

Corollarium 1 
Wird nicht eine wahre ausgesprochene Wahrheit erst dadurch. daß sie verschriftlicht wird, zur Schrift wird in die einer Wahrheit angemessene Gestalt gegossen, indem nun das in einem Zeitpunkt und einem Ort Gesagte zu einer von diesen ihren Kontext sich emanzipierenden allgemeinen Wahrheit wird?  

    

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