(daß die Wahrheit nicht ein Volut von Wahrheitsansprüchen ist, die um der Einheit willen verhandelbar sind)
Spontan könnte erwidert werden, daß doch das Beten ein gutes Tuen sei und daß die Einheit unter Christen etwas Erstrebenswertes sei. So gilt ja auch für jede politische Partei, besonders vor Wahlen, daß die (demonstrative) Einigkeit und Einheit und Nichtzerstrittenheit einer Partei sie in der Wählergunst steigen lasse. Das dürfte dann doch auch für das Christentum gelten, daß seinem Ansehen in der Öffentlichkeit die Confessionsstreitigkeiten abträglich seien: Wir sollten so eins sein! Darüber hinaus verstünden die theologischen Differenzen sowieso nur spitzfindige Dogmatiker- für das Kirchenvolk seien diese kontroverstheologischen Fragen sowieso nur völlig unverständlich und unwichtig. Selbst unter der Theologiestudenten stößt diese Meinung auf viel Zustimmung.
Trotzdem sind Einwände zu erheben. Im ökomenischen Dialog ist oft die Parole zu hören, daß uns der Glaube an Jesus eine und daß dies doch schon ein ausreichendes Fundament für die christliche Einheit sei. Also, orientieren wir uns in diesem Sinne an Jesu Praxis des Umganges mit Lehrdifferenzen in der Urgemeinde. Das Johannesevangelium 6,22-59 berichtet uns ja von dem ersten innergemeindichen Konflikt um die Eucharistielehre. Jesu Lehre wird von einem Teil seiner Schüler als unerträglich empfunden: Daß sie sein Fleisch und sein Blut in der Eucharistie zu essen und zu trinken haben, um so das ewige Leben zu erlangen, war für sie eine unerträgliche Lehre. (So auch für den Exegeten Rudolf Bultmann, der dann diese Lehre einer „kirchlichen Redaktion zuschreibt, die so das Anliegen des Verfassers dieses Evangeliumes konterkariere, denn der trat für ein Christentum ohne Sakramente ein.)
Eventuell waren diese Ablehner Jesu Lehre vom Sakrament der Eucharistie Judenchristen, denen isb die Vorstellung, das Blut Jesu trinken zu sollen, inakzeptabel. Wie verhält sich nun Jesus selbst zu diesen Schülern? Unternimmt er einen Versuch, sie zurück zu gewinnen, weil sie ihm ob dieser Zumutung nicht mehr weiter folgen wollten? Zeigte er ihrem Widerspruch gegenüber Verständnis, daß sie als Juden ob des Noahbundes auf keinen Fall Blut trinken durften, da ihnen schon der Verzehr bluthaltigem Fleisches verwehrt ist? Versucht er, seine Lehre abzuschwächen, sie ihnen appetitlicher zu machen, den es darf doch nicht dazu kommen, daß Jesus „Jünger“ ob einer theologischen Lehre ihn verlassen?
Nichts davon. Jesus läßt diese Ablehner gehen. Stattdessen wendet er sich an die verbliebenden Schüler: Bleibt ihr bei mir, bejaht ihr meine Eucharistielehre oder wollt auch ihr fortgehen? Jesus lehrt die Wahrheit. Die Einheit der Kirche ist so das einmütige Zustimmen zu seiner Lehre. Die Einheit besteht aber nicht darin, daß irgendeine Konsensformel zwischen Jesu Lehre und den Anliegen der seine Lehre Verwerfenden gesucht wird. Politische Parteiprogramme sind im Regelfall Kompromißformeln verschiedener Richtungen in einer Partei, die so ihre Einheit hervorbringt, aber das kann so nicht für die Kirche Jesu Christi gelten.
In der Alten Kirche gab es auch heftigste Kontroversen um den Kanon: Welche Schriften gehören zum Kanon der Bibel und welche nicht? Marcion vertrat dabei eine radicale Position: Die Kirche solle das Alte Testament verwerfen und nur Evangelien in die Bibel aufnehmen, wenn sie gänzlich von allen AT-Zitaten purifiziert sind, denn er hielt den Gott des Alten Testamentes für unvereinbar mit dem von Jesus offenbarten. Die Kirche reprobierte dies Ansinnen und schloß so Marcion aus. Hätte nicht auch hier dann die Kirche um der Einheit willen einen Kompromis finden müssen? Etwa, daß sie das AT verwirft, aber die AT-Zitate in den Evangelien nicht herausstreicht?,oder daß sie, im Geiste der versöhnten Verschiedenheit jedem erlaube, sich seinen eigenen Kanon nach seinem Belieben zu kreieren? Oder, daß zumindest eine Kommission gegründet wurde, um das weitere Miteinander aller Christen, ob sie nun das AT bejahen oder ablehnen, zu ermöglichen. Die Einheit der Kirche sei doch wichtiger als die Frage, wie ich es mit dem Alten Testament hielte. Aber so ging die Kirche nicht vor: Sie lehrte die Wahrheit und wer die nicht annehmen wollte, der entfernte sich so von der Kirche wie die Schüler, die nicht mehr Jesus nachfolgen wollten ob seiner Eucharistielehre.
Die Gebetswoche zur Einheit der Kirche sieht das aber ganz anders: Es soll nun eine Einheit geben um deren willen, Wahrheit und Unwahrheit miteinander vermengelt werden sollen, oder eben alles als irgendwie gleich wahr qualifiziert werden soll! Schon Jesus sei so in die Irre gegangen, als ihm seine Eucharistielehre wichtiger war als die Einheit unter seinen Schülern, daß er es so zuließ, daß Schüler ihn verließen ob ihrer Nichtzustimmung zu einer seiner dogmatischen Lehren.
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