Donnerstag, 14. Januar 2021

Kulturkritik- früher war alles besser und irgendwie auch niveauvoller



Das kulturelle Niveau eines intelligenten Volkes fällt in dem Maße, in dem sein Lebensstandard steigt“, urteilt Nicolas Gomez Davila (Es genügt, dass die Schönheit unseren Überdruss streift...Aphorismen, 2017, S.63.) Dieser Aphorismus klingt gut, er klingt überzeugend, aber wenn über ihn nachgedacht wird? Schon die Formulierung des kulturellen Niveaus bereitet dem Nachdenken größte Probleme:Was ist das Kulturniveau, wie mißt man es und wie ist ein Sinken dieses Niveaus konstatierbar? So klar diese Aussage uns beim ersten Lesen auch scheinen mag, so verunklart sich dieser Aphorismus, je länger er durchdacht wird.

Und doch wird dieser Gedanke von Davilas Leserschaft spontan verstanden und ihm wird zugestimmt. Die Formulierung: „kulturelles Niveau“ evoziert eben nicht wie ein Begriff ein klares Verständnis des Begriffens sondern ein Meer von Assoziationen: Kulturelles Niveau, dafür steht Goethe, Schiller, Fontane und nicht zu vergessen Thomas Mann, dem nun die gegenwärtige Literatur gegenübergestellt wird, dies niveaulose Gegenwartsgeschreibsele. Noch offenkundiger im Falle der Musik: Welch ein Verfall von der klassischen Musik zum Poplied- alles nur Niedergang!

Nur, was hat dieser Niedergang mit dem Lebensstandard eines Volkes zu tuen? Der gehobene soll also die oder wenigstens eine maßgebliche Ursache dieses Niederganges sein. Wie ist das zu verstehen? Die Antwort ist offensichtlich: Unter dem Lebensstandard wird die Kaufkraft der potentiellen Konsumenten der Kulturprodukte verstanden, die nun als Waren auf dem freien Markt zum Abverkauf angeboten werden. Der steigende Lebensstandard bedeutet nun nichts anderes als daß jetzt Käufer für Kulturprodukte auf dem Markt auftreten, die früher nicht als Käufer auftraten. Die Auftragskunst, daß Kunstwerke vom Adel, von Kirchen und von reich gewordenen Bürgern bei Künstlern geordert wurden, tritt in der Moderne zugunsten der Produktion für den freien Markt zurück. Der romantische Künstler entsteht, die bittere Erfahrung, daß der Philister, für den nun produziert wird, so wenig Verständnis für die Kunst hat, aber er gerade über die Kaufkraft verfügt, die den anderen Volksschichten fehlt.

Erst die Verbesserung der ökonomischen Verhältnissen läßt ein Massenpublikum entstehen, die über so viel Kaufkraft verfügt, daß es zum Käufer von Kulturprodukten avanciert. Nun erst entsteht die für die Masse produzierte Massenkultur, die „Kulturindustrie“, wie Adorno im despektierlichen Tonfall zu sagen liebte.

Seit dem die Kulturwerke also nicht mehr für den Adel, den Klerus und zu Reichtum gekommenen Bürgerlichen produziert werden, sondern für den Massengeschmack ertönt so diese Klage des Niederganges des kulturellen Niveaus. Die Demokratisierung vervulgarisiert so die Kunst, lautet das vorschnelle Urteil aristokratischer Gestimmtheit. Könnte das nicht auch anders gesehen werden, daß nun eben für breite Volks-schichten Kunst produziert wird und eben nicht nur für den vornehmen Geschmack! Stehen heute nicht in einem Buchgeschäft neben trivialen Unterhaltungsromanen immer noch ein Robert Musil, ein Peter Handke , ein Botho Strauß?

In postmodernen Zeiten stehen nun diese so verschiedenen Kulturwerke manchmal im selben Buchgeschäftregal und wie in allen Zeiten findet das Niveauvolle wenig Leser, aber es wird doch auch das Niveauvolle gelesen, wobei wir immer noch nicht klar erfaßt haben, was etwa das Niveauvolle Musils ausmacht im Vergleich etwa zu Karl May! Nur eines ist sicher: Wer bekennt, daß ihm Rosamunde Pilcher Romane mehr zusagen als Kafka, gilt als niveaulos- man muß eben wissen, was man nicht lesen darf, um nicht als niveaulos zu gelten.

 

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