Samstag, 16. Januar 2021

Zum Kampf um den Sozialstaat- Notizen

(Was ist der Mensch, was ist der Staat, das sind die Grundfragen heutiger Existenz.

Denn mit ihnen wird auch die Frage, welche Bedeutung die Religion haben kann, präjudiziert!)


Als erstes möchte ich das Buch: „Solidarischer Patriotismus“ von Benedikt Kaiser, 2020 publiziert wärmstens zu der Causa des Sozialstaates zum Lesen empfehlen. Ich verzichte hier auf eine Rezension, weil ein so gutes Buch wirklich gelesen werden sollte, daß ihm nicht gerecht wird, führt man sich stattdessen eine bloße Besprechung zu Gemüte. Ein paar Notizen sollen so diesem Buch hinzugefügt werden.


1.Dem Phänomen des Sozialstaates, wie wir ihn in Deutschland und dann im kontinental europäischen Raume kennen, liegt die Reformation zugrunde.Davor war die Sorge für die Armen eine der Aufgaben der Kirche gewesen, isb der Klöster. Wo die Reformation im 16. Jahrhundert erfolgreich war, wurden die Klöster aufgelöst, als nicht mehr mit der christlichen Religion vereinbar. Die Armenfürsorge mußte demzufolge neu reguliert werden, sie übernahm die „Öffentliche Hand“. Diese Verstaatlichung der Armenfürsorge war so die Kehrseite der Entkirchlichung dieser Aufgabe.Die „Soziale Frage“ des 19. Jahrhundertes verlangte dann den Ausbau des anfänglichen Sozialstaates, in Deutschland durch Bismarck, gerade eben weil Privatinitiativen mit ihren diversen Sozialhilfevereinen, auch der kirchlichen sich als nicht effektiv genug erwiesen zur Lösung dieses Problemes.


2.In den Zeiten der Systemkonkurrenz zwischen den westlichen Staaten und denen des Sozialismus wurde gerade der Sozialstaat nicht nur in Deutschland ausgebaut, damit die kapitalistische Wirtschaftsordnung so als die überlegende sich beweisen sollte.In ihr soll es eben allen, selbst den „Armen“ noch besser gehen als den Arbeitenden im Sozialismus. Aber die Kosten für diesen Konfrontationskurs waren auch sehr hoch, verschlang doch die Hochrüstung gegen den Osten schon viel Geld und dann noch der zu finanzierende Sozialstaat.


3.In England steht der Thatcherismus für die Absage an den Sozialstaat. Der Neoconservatismus erblickte hier so das Licht der Welt. Ziel war ein schwacher Staat, denn das alles bestimmende Ordnungsprinzip sollte der freie Markt sein. Je weniger der Markt reguliert würde und alles dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden würde, desto besser ginge es allen, vor allem aber den Reicheren. Der politische Conservatismus liberalisierte sich in einer Melange aus conservertiven Vorstellungen im Kulturbereich,etwa die Wertschätzung der Ordnung der Familie und des Volkes und einem radicalen Marktwirtschaftsliberalismus, der nun aber in seiner Eigen-dynamik die Ordnungen der Familie und des Volkes auflöst.

4.Im Hintergrund des Diskurses um den Sozialstaat steht auch das Narrativ des Totalitarismus, daß die extreme Rechte wie die extreme Linke für ein Zuviel an Staat stünden, (der Nationalsozialismus wie der Kommunismus), daß ob solchen Staatsabsolutismus die Freiheit verschwindet. Nur ein schwacher Staat garantiere so die bürgerlichen Freiheiten. Der Sozialstaat sei so auch ein Konzept eines Zuvieles an Staat; je weniger Staat, desto freier sei der Bürger.

(Völlig verkannt wird dabei das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen der allein herrschenden politischen Partei und dem Staat in diesen beiden Ideologien. So strebt der Nationalsozialismus nicht einen starken Staat an, sondern daß die Partei durch den Staat herrsche als das organisierte Volk. Lenin wollte den Staat gänzlich abschaffen („Staat und Revolution) und nur für eine Übergangsphase, der der Diktatur des Proletariates erhalten. Daß dann unter Stalin faktisch die Partei aufhörte zu leben und er einen Staatsabsolutismus kreierte, demonstriert dann nur, daß er selbst kein Leninist war.Etatisten sind so diese Revolutionäre von Rechts und Links nicht. Ein antiinstitutionelles Moment ist dafür in diesen beiden Ideologien auch zu virulent: das Volk oder die Arbeiterklasse als das eigentliche Subjekt der Politik.)


5.Im Zentrum der ideologischen Auseinandersetzung steht aber die Anthropologie: Was ist der Mensch? Der Siegeszug des Liberalismus ist sein Sieg in dieser Frage, daß der Mensch der homo oeconomicus ist. Von diesem her baut sich die liberal-kapitalistische Gesellschaftsordnung auf, die sich als alternativlos ausgibt, weil sie allein dem Menschen, so wie er nun mal ist, gerecht wird. Das Bürgertum gibt dabei desillusioniert nach der bürgerlichen Revolution ihren eigenen Revolutionsoptimismus auf, daß nun eine neue Vernunftwelt sich entwickeln würde, ist erstmal die Herrschaft des Adels und des Klerus ein Ende gesetzt. Der Glaube an den zukünftigen Vernunftmenschen trat man an die Linke ab, um diese Vorstellung dann als utopistisch zu verurteilen. Die Bewahrung der bürgerlichen Ordnung wurde so zum Hauptanliegen des einst fortschrittsgläubigen Liberalismus. Der Abschied von der Politik ging damit einher, denn nun sollte der Staat nur noch ein Servicedienstleister für die Wirtschaft sein: der Primat der Ökonomie über die Politik. Diese Primatssetzung ließ dann die Vorstellung vom homo oeconomicus zu dem Menschen an sich avancieren. Politik im emphatischen Sinne gibt es nämlich erst seit der Französischen Revolution als den Glauben an die Humanisierbarkeit der Welt durch die Politik, entweder evolutionär oder revolutionär, durch Reformen oder durch Revolutionen. Nach dem Scheitern des letzten Großprojektes der Humanisierung der Welt durch die kommunistische Ideologie ist so der Tod der Politik eingetreten, leben wir in einer postpolitischen Welt.


Das sind grob skizziert die Rahmenbedingungen des Kampfes um den Sozialstaat, der ob des Glaubens an die freie Marktordnung als die einzig dem Menschen gerecht werdende abgebaut werden soll aus Sicht der vorherrschenden Ideologie des Liberalismus.



 

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