Dienstag, 12. Januar 2021

Gott, das Schicksal und das Glück des Menschen



Nein, Hannchen, grolle nicht mit dem Schicksal und nicht mit mir,weil ich so handle,wie meinem Gewissen es mir vorschreibt. Wissen wir denn überhaupt,was das Schicksal in diesem Augenblick für uns vorbereitet? Wir Menschen sind so kurzsichtig, wir jammern über ein Unglück und wissen nicht, daß es zu unserem Besten dient. Vielleicht ist es für Oskar gut, daß er nicht in Pracht und Reichtum heranwächst;die Armut ist oft die beste Schule.Wir wollen arbeiten und Gott für die Zukunft sorgen lassen.“ So spricht ein Familienvater zu seiner Ehefrau, Hannchen, die sehr besorgt ist um das Schicksal ihres Kindes Oskar. (Robert Kraft, Um die indische Kaiserkrone, 1.Buch, Band 2, 8.Kapitel:Ein harter Kopf)

Drei Begriffe bestimmen diese Rede des Familienvaters: Schicksal, Gott, Unglück. Sie leben in Armut, obgleich der Vater arbeitet und zwar sehr viel, aber er hat keine Anstellung, die seinem Können entspräche. Sein eigener Vater hat ihn verstoßen, nun lebt er in armen Verhältnissen. Seine Ehefrau urteilt: „Du verdientest ein anderes Leben, deine Kenntnisse und deine Fähigkeiten berechtigen dich dazu.“Er erwidert: „Wenn dies der Fall wäre, so würde mir das Schicksal auch eine Stellung bescheren, welche ich ausfüllen kann.“ Dann fügt er aber als Entgegnung noch dies an: „Und ist das übrigens nicht eine verantwortliche Stellung, der Ernährer einer Frau und der Erzieher eines Kindes zu sein? Wenn dies jeder als seine Hauptaufgabe im Leben betrachtete, fürwahr, es würde anders aussehen.“

Krafts Romane zählen zur Trivialliteratur, sein Meisterwerk, „Um die indische Kaiserkrone“ ist nur noch antiquarisch erwerbbar, ein vergessener Schriftsteller. Es drängt sich der Verdacht auf, daß die Subsumierung unter die Rubrik der Trivialliteratur sich auch solchen Teilen verdankt. Es klingt zu fromm: Statt widerständig aufzubegehren wird hier Ja gesagt zu dem Leben, wie diese drei es erleiden müssen. So hat es das Schicksal verfügt. Das Schicksal ist für den Vater nicht durchsichtig transparent, aber er sucht in seiner Lage das darin Positive, daß er die Aufgabe eines Familienvaters erfüllen kann.

Aber er vertraut auch auf das Schicksal, denn er hofft, daß die Lage, so wie sie ist, doch zu etwas gut ist. Er kann so hoffen, weil er von Gott glaubt, daß der ihm dies Schicksal auferlegt hat. Ja, er schwingt sich gar auf zu der Aussage, daß das Unglück, über das geklagt wird, uns selbst zum Besten dient. Gott regiert, nicht nur das große Geschick der Menschheit, sondern er legt auch dieser Familie ein Schicksal auf, und weil Gott der Herr des Schicksales ist, wird es so angenommen.

Aber zwischen den beiden Begriffen bleibt eine Spannung, denn Gott und das Schicksal, das ist nicht einfach das Selbe.Der Karfreitag kann uns das verdeutlichen: Wer ist denn der Gott, der von seinem Sohn verlangt, am Kreuze für die Sünden der Menschen zu sterben? Jesus sagt selbst von ihm: Mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Gott hat seinen Sohn nicht verlassen, vielmehr erlitt er am Kreuze den Zorn Gottes. Jesus sah aber in diesem göttlichen Zorn nicht mehr den ihn liebenden göttlichen Vater. Diese Verbergung der göttlichen Liebe drückt der Begriff des Schicksales aus. Aber das verborgene Angesicht der Liebe Gottes ist auch das, das Jesus wie diesem Familienvater das ihrige Schicksal auferlegt. Nur wird das erst von dem Osterereignis erkennbar.

Auch für den Familienvater gab es ein kleines Ostern: Einige Tage später erhielt er die so lang schon ersehnte Anstellung und so hatte die Armut für diese Familie ein Ende. Zu schön, um wahr zu sein?Eine kleine Erzählung in der großen- eine Miniatur, aber in ihr ist schon das Ganze der Großerzählung enthalten, daß es da einen Gott gibt, der schlußendlich ein gutes Ende herbeiführt, also ein frommer Roman. Wird er etwa deshalb als trivial verurteilt? An der erzählerischen und kompositorischen Qualität kann das nicht liegen.


 

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