Freitag, 22. Januar 2021

Über den Verlust der heiligen Schrift- ein Kulturwandel


Der Demokrat liest in den Meinungsumfragen, als seien es heilige Schriften“ Nicolas Gomez Davila,Es genügt, dass die Schönheit unseren Überdruss streift...Aphorismen, 2017, S. 134. „Heilige Schriften“ sind verheißungsvoll, sie versprechen einen Zugang zur Wahrheit. Man kann sein Studierzimmer verlassen, um dann draußen die Wirklichkeit kennen zu lernen, das wirkliche Leben, von dem Bücher nur ein blasser Abdruck sind. Nicht aus Theorien, nur aus dem Hinsehen auf das Wirkliche erkennen wir Bedeutsames.

Aber so mißverstehen wir die Bedeutung heiliger Bücher, denn sie erheben den Anspruch, daß in ihnen mehr Wahrheitserkenntnis enthalten ist, als wenn wir uns unmittelbar dem Wirklichen zuwenden. Diese Bücher erschließen uns die Wahrheit hinter dem Schein der Wirklichkeit. Schon die Sprache spiegelt nicht einfach die Wirklichkeit wider, denn schon die einfache Aussage, daß da ein Baum steht, subsumiert das Einzelding, das da wahrgenommen wird unter die Idee des Baumes und begreift ihn so als einen Fall des´Baumseins. Die so applizierte Idee des Baumes ist so eine Deutung des Gesehenen und diese Deutungen entnehmen wir nicht der Wirklichkeit. Man könnte so sagen, daß heilige Texte uns Deutungen an die Hand geben, durch die wir erst in die Lage versetzt werden, das Gesehene zu lesen und daß es uns so erst zu etwas Wahr-Genommenen wird. Ohne solche Deutungen wird uns die Wirklichkeit zu einem unlesbaren Text.

Heilige Texte erschließen uns so erst die Wahrheit der Wirklichkeit, sie befähigen uns erst zum Lesen der Wirklichkeit. Was passiert aber, wenn nur noch nach Meinungen gefragt wird? Die Wahrheit der Wirklichkeit wird identifiziert mit der Mehrheitsmeinung über eine Causa. Was meint man denn so davon? Als Demokrat hat man eben zu wissen, was jetzt gerade die populäre Ansicht über eine bestimmte Sache ist, denn für den Demokraten ist die Frage, was ist wahr?, identisch mit der Frage :Was denkt man den dadrüber? Die Demoskopie ersetzt so das Fragen nach der Wahrheit.

Die heiligen Texte können dann auch nur noch Meinungen wiedergeben, die so verbindlich sind wie alle anderen Meinúngen, wenn sie Mehrheitsmeinugen sind . Es gibt so keine Texte mehr mit einem privilegierten Zugang zur Wahrheit. Alle Texte sind egalisiert, eben nur noch Manifestationen einer Meinung über Gott und die Welt. Denn wahr ist nun das, was die Mehrheit für wahr hält. Die Demoskopie ersetzt so das philosophische und theologische Denken.

 

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