Dienstag, 15. November 2022
Ein Gerücht: Erleben wir das Ende des politischen Zeitalters? Hat das etwas mit dem Ende der christlichen Religion zu tuen?
Ein Gerücht: erleben wir das Ende des politischen Zeitalters?
Die Vorsilbe: Post hatte mal eine große Konjunktur, man denke nur an den schillernden Begriff der Postmoderne erinnert, an die Vorstellung vom Ende der Geschichte und Hegel hatte ja schon gar das Ende der Kunst erkannt. Wir leben in einer postchristlichen Kultur mit dekonstruierenden Poststrukturalisten und irgendwie scheint alles irgendwie zu Ende gegangen sein, und das Neue noch nicht auf den Begriff gebracht. In diésen Kontext gehört nun auch das Gerücht des Endes der Politik. Der Einwand, daß es doch immer schon Politik gegeben hätte, weil irgendwie immer schon Menschen von Menschen regiert wurden und die Kunst des Regierens eben die Politik sei, scheint ein treffendes Argument wider dies Gerücht zu sein. Aber die These vom Ende der Konstantinischen Epoche kann doch auch nicht widerlegt werden durch das Faktum, daß zu allen Zeiten Menschen religiös waren und auch die christliche Religion so nie wieder verschwinden wird, weil der Mensch eben von seiner Natur aus religiös veranlagt sei. Auch wenn das stimmte, bliebe doch das Faktum, daß eine Epoche zu Ende gegangen ist, die des Thron-und Altarbündnisses und daß nun die Kirche sich neu in der postchristlichen Gesellschaft zu positionieren habe.
Meine These: Politik im emphatischen Sinne gibt es erst seit der Französischen Revolution. Die Substanz dieses Politikverständnisses ist die Säkularisation des religiösen Begriffes des Reich Gottes, daß nun das von Gott als Endziel der Geschichte Erhoffte als die Aufgabe der Politik verstanden wird: eine Weltordnung der Vernunft, des ewigen Friedens und der Gerechtigkeit zu erschaffen. Die Antithse dazu bildete das dunkle Mittelalter mit all seinem Aberglauben und seiner widervernünftigen politischen Gestaltung der Monarchie und der Kirchenherrschaft.Als unpolitische Alternativen profilierte sich dabei der Humanismus in seiner Kaprizierung auf die Bildung und die liberale Hoffnung auf die Ökonomie: wenn erst alles genügend produziert wird durch die Wirtschaft, alles allen ausreichend zur Verfügung stünde, dann ergäbe sich daraus die friedfertige Zukunftswelt. Die Politik im emphatischen Sinne konnte diese unpolitischen Konzepte nun in sich integrieren.Zum ersten male praktisch wurde sie dann in der Französischen Revolution, und seit dem existiert dies emphatische Politikverständnis als eines, daß die zentralen religiösen Begriffe säkularisiert, indem es sie politisiert.Eingedenk der bekannten These Carl Schmitts, daß die wesentlichen Begriffe des politischen Diskurses säkularisierte religiöse sind, könnte nun der Begriff des Feindes dies veranschaulichen. Die große Erlösungserzählung der christlichen Religion beantwortet notwendigerweise auch die Frage, warum die Welt nicht gut ist und wer dafür verantwortlich ist. Die Antwort, die erstaunlicherweise Papst Franziskus öfters als seine liberalen Freunde das hören mögen, gibt, ist der Satan. Aus dem relativen Dualismus des einen Gottes, der doch das Wirken dieses Antipoden zuläßt, erklärt dann die Theologie die Menschheitsgeschichte,den Fall des Menschen und die Möglichkeit seiner endgültigen Erlösbarkeit durch den Endsieg über diesen Widersacher.
Das Politikverständnis im emphatischen Sinne verlangt nun auch nach dem einen Feind, der dafür verantwortlich ist, daß die Welt so elendig ist und bezeichnet so den, den man besiegen muß, damit die Welt endlich eine vernünftige werden kann.In diesem Sinne muß Carl Schmitts Urteil, daß der Feind konstitutiv für die Politik ist, zugestimmt werden. Der Feind ist dann das Unheil Erwirkende und die Vernunft Verhindernde, der Freund dagegen das Subjekt, das die Revolutionierung der Wet erwirken kann. Darum steht und fällt dies Politikverständnis mit der Unterscheidung von Freund und Feind- so wie die theoretischen Wissenschaften leben aus der Unterscheidung von wahr und unwahr, die praktischen von der von gut und böse und die ästhetischen von der von schön und häßlich. Ohne diese Unterscheidung lösten sich eben diese Diskurse auf.
Den letzten Großversuch der Gestaltung der Gesellschaft durch eine rein vernünftige Politik stellt so wohl die Russische Revolution mit ihren Folgerevoulutionen dar. Das endgültige Scheitern dieses politischen Revolutionsverständnisses signalisiert somit nicht nur das Ende der Moderne sondern auch das des politischen Zeitalters. Jetzt ist die Politik wie vordem wieder die Kunst des Regierens, indem nun dieses Politikverständnis sich ganz von allen religiösen Gehalten in ihrer säkularisierter Umformung emanzipiert. Die Politik in den Dienst der Kirche zu stellen, das war die tragende Idee der Konstantinischen Epoche, die Moderne säkularisierte die christliche Religion in dem emphatischen Begriff der Politik und negierte somit die Religion nicht einfach, sie hob sie auf, praktisch, nicht rein spekulativ wie es Hegel versuchte.
So dürfte dem Gerücht des Endes der Politik etwas Wahres innewohnen. In der nachpolitischen Epoche der Postmoderne ist dann die Politik wieder die Kunst des Regierens. Das heißt aber nicht, daß es eine Garantie dafür gäbe, daß gut regiert wird.
Als Illusion erwies sich nun aber die Hoffnung, daß die von der Politik Enttäuschten sich wieder der christlichen Religion zuwenden würden mit ihren Hoffnungspotentialen. Nicht nur Blochs Philosophie der Hoffnung, auch die Hoffnung auf das Reich Gottes scheint in der Postmoderne unzeitgemäß.
Corollarium
Das Spezifische der "Neuen Linken" in ihrer Differenz zur tradititionalistischen war ja, daß sie das "revolutionäre Subjekt", die Arbeiterklasse und den Feind, die Bourgeoisie ersetzte durch eine Vielzahl von revolutionären Subjekten, deren Interessen nicht in diesem "System" realisiert werden könnten. Das war die Randgruppenstrategie, daß Homosexuelle,Feministin und und als neue Hoffnungsträger entdeckt wurden zur Transformation des Systemes. Auch diese neolinke Variante ging dann in der Postmoderne unter.
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