Freitag, 4. November 2022

Stimmt irgendetwas mit der Sexuallehre der Kirche nicht? Nachtgedaken

Stimmt irgendetwas mit der Sexualmorallehre der Kirche nicht? Nachtgedanken Für Freude der Schwarz-Weiß Malerei gibt es da ein simples Erklärungsmodell: Die Morallehre der Kirche und somit auch die Sexualmorallehre sei vollkommen wahr, sei sie doch bis in ihre kleinsten Verästelungen in der Offenbarung Gottes fundiert. Nur in Folge eines Abfalles vom katholischen Glauben forderten nun viele, viel zu viele eine Abkehr von diesen ewigen Wahrheiten. Verhielte es sich so, wäre der Fall wirklich eindeutig. Eines irritiert nun aber, daß gar in den vorkonziliaren Zeiten gerade in den Dogmatiklehrbüchern der Gewißheitsgrad theologischer Glaubensätze unterschiedlich qualifiziert wurden: Nicht alles, was die Kirche lehre, sei gleich gewiß an Wahrheit. Denn die Lehre der Kirche limitiert sich ja nicht darauf, offenbarte Wahrheiten so wiederholen, sondern aus ihnen werden eben weitere Wahrheiten deduziert bzw aus ihnen begründet. Je weiter nun solche theologischen Aussagen von den Fundamentalaussagen „entfernt“ sind, desto eher kann auch eine solche Aussage in Frage gestellt werden. Darf ein unehelich Geborener Priester werden? Heute sieht die Kirche darin kein Problem, es gab aber Zeiten, in der eine uneheliche Geburt ein Weihehindernis war, von dem aber ein Weihekandidat dispensiert werden konnte. Könnte es sich nicht so verhalten, daß jetzt die Sexualmorallehre der Kirche wie ein Kartenhaus zusammenbricht, weil tatsächlich in ihr auch es Schwach- und Bruchstellen gibt, sodaß sie nun dem feindlichen Ansturm nicht widerstehen kann? Die Kirche ist eben einerseits göttlich ob ihres lebendigen Hauptes, Jesus Christus, sie ist aber auch menschlich und wo Menschen lehren, kann es auch menschlich-irrtümlich zugehen. Von Nöten wäre so eine differenzierte Qualifizierung moraltheologischer Aussagen, daß eben nicht alle als gleich gewiß wahr gelten können. So gilt zwar das Gebot, daß man nicht falsch Zeugnis reden darf (ursprünglich vor Gericht), aber kann wirklich mit 100 prozentiger Gewißheit geurteilt werden, daß ein Meineid auch dann nicht getätigt werden dürfe, wenn nur so ein unschuldiger Christ vor der Todesstrafe wegen der Verunehrung des Propheten Mohammed bewahrt werden könne? Eines könnte ja im Diskurs über die sexuellen Mißbräuchsfälle irritieren, nur evoziert es keine Irritationen: Es wird von Mißbräuchen geschrieben. Dies impliziert doch, daß es im Raume der praktizierten Sexualtät Gebräuche und Mißbräuche gäbe. Wenn ein Mann mit einer Frau intim wird, reden wir Klartext: Sex hat, dann gebraucht oder mißbraucht er sie. Die Moralthologie hätte dann die Aufgabe der Hervorbringung einer Kriteriologie, um den erlaubten Gebrauch von dem unerlaubten Mißbrauch zu distiguieren. Die katholische Antwort lautet dann, daß nur die in einer Ehe praktizierte Intimität ein erlaubter Gebrauch der Frau durch den Mann wäre und daß der Zweck dieses Gebrauches allein in der Hervorbringung von eigenen Kindern bestünde. Würde das konsequent zu Ende gedacht, hieße das, daß jedes Ehepaar sündigt, wenn es noch miteinander schläft, wenn die Ehefrau nicht mehr altersbedingt schwanger werden kann. Der Zweck des Gebrauches der Sexualität wäre ja dann unerfüllbar. Der hl. Augustin ist nun modernistischen Theologen der Sündenfalltheologe schlechthin. Seine Gnadenlehre gilt als völlig abstrus und seine Leib-Sexualfeindlichkeit als das Übel der Moraltheologie, die nun von diesem Unheil kurriert werden müsse. Könnte es nun aber doch sein, daß vielleicht wirklich in dieser großen Theologie des hl. Augustin auch Stolpersteine enthalten sind, Schwächen, die der Morallehre der Kirche auch schaden könnten? Einen Verdacht äußere ich dazu. Mehr als ein Anfangsverdacht ist es nicht, aber auch nicht weniger. Für das theologische Denken Augustins ist die Differenz von „uti“= gebrauchen und „frui“= genießen konstitutiv. Gott ist das summum bonum, das so allein genossen werden dürfe, alles andere sei zu gebrauchen und zwar so, daß es kein Hindernis zum Genießen Gottes würde oder so, daß es zum Genießen Gottes verhülfe. Wer also die Schönheit einer Naturlandschaft genießt, mißbraucht sie, wenn er so etwas Kreatürliches und nicht den Kreator genießt, er gebraucht aber diese Schönheit, wenn er sie zum Anlaß nimmt, zur Schönheit des Kreators aufzusteigen, um dann den Schöpfer allein zu genießen. Das heißt letztendlich, daß jedes Genießen von etwas, was nicht Gott ist, ein Mißbrauch ist. Nun ist gerade die praktizierte Sexualiät etwas, das mit einem Höchstmaß an Genuß verbunden ist; es ist sozusagen die List der Natur, uns Menschen durch den Lustgewinn praktizierter Sexualität zur Fortpflanzung zu motivieren. Pflanzte der Mensch sich nur fort ob der Einsicht in die Pflichtgemäßheit der Fortpflanzung zum Erhalt der Menschheit, wäre die menschliche Gattung wohl längst ausgestorben. Aber legt man nun Augustin rigoristisch aus, ist jede praktizierte Sexualität, weil sie genußvoll ist, ein Mißbrauch, also eine Sünde, denn nur Gott dürfe genossen werden. Die einzige Möglichkeit, Sexualität zu praktizieren, ohne zu sündigen, wäre dann ihr Gebrauch mit dem alleinigen Zweck der Fortpflanzung. Darum dürfe sie nur in der Ehe praktiziert werden, denn diese Lebensform sei die, in der dem Menschen gemäß Kinder erzeugt und aufgezogen werden können. Im Hintergrund stünde aber das Axiom, daß nur Gott genossen werden dürfe, weil er nur allein um seiner selbst willen ist und alles andere nur um Gottes willen sei. So dürfe nur das um seiner selbst willen Seiende genossen und das um etwas anderes willen Seiende nur gebraucht werden. Der ontologische Status mache Gott zu dem einzigen Objekt, das genossen werden dürfe. Damit wird aber die Möglichkeit ausgeschlossen, daß Gott etwas erschaffen hat, das der Mensch genießen kann und auch darf, weil Gott es für den Menschen zu seinem Genuß erschaffen hat. Gott wolle allein genossen werden und darum dürfe der Mensch nichts anderes genießen. Das muß aber die Frage aufwerfen, ob so Gott adäquat begriffen wird, daß er nichts hat schaffen wollen, damit der Mensch dies dann auch genießen darf. Auf das Gebiet der Sexualität bezogen hieße das: Darf die Sexualität auch genossen werden oder darf sie nur benutzt werden zur Fortpflanzung? Zusatz: Wer die heutige Krise der Katholischen Kirche begreifen will, greift zu kurz, denkt er, daß vorkonzilar die Lehre der Kirche vollkommen in Ordnung gewesen sei und daß dann plötzlich die Feinde der Kirche, in sie eingedrungen sie dann von innen destruiern konnten.

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