Samstag, 19. November 2022

"Man sieht nur, was man kennt"...sehen andere nur mit ideologischen Scheuklappen- oder ein Versuch zur Buchkultur

„Man sieht nur, was man kennt“...sehen andere nur mit ideologischen Scheuklappen? Ideologen stehen nicht hoch im Kurs, gelten sie doch einfach nur als Menschen, die die Wirklichkeit nicht so sehen können und wollen, wie sie nun mal ist. Diese objektive Wirklichkeit zu erkennen sei nun das Privileg des nichtideologischen Blickes, daß sozusagen die Wirklichkeit nicht durch die Farbigkeit meiner aufgesetzten Brille verklärt wird. Don Quijote ist so der Prototyp eines Ideologen, steht doch über ihn geschrieben: „Und da es unsern Abenteurer bedünkte,alles, was er auch immer dachte,sah oder sich einbildete,sei so beschaffen und trage sich so zu wie die Dinge, die er gelesen hatte“. (1.Buch, 2.Kapitel;Übersetzung: L.Braunfels) Der Held wird zum Opfer seiner Bücher: die gelesenen und verinnerlichten Bücher, durch die er in allem das in den Büchern Gelesene recogniziert.Er sieht die Welt, alles in ihr ihm Begegnende im Lichete dieser Bücher. Die Bücher sind ihm das Reale, und in der Wirklichkeit sucht er nun das Reale wiederzufinden. Findet er es wieder,dann erst hat er das Wirkliche begriffen. Den Antitypus bildete dann der Empirist, der ganz frei von allen Bücherwissen, einfach die Dinge so sieht, wie sie wirklich sind. Ideologen sind demzufolge Büchermenschen. Darum werden ja auch gleich am Anfang dieses Romanes alle Bücher dieses Helden verbrannt, um ihn aus der Wahnwelt der Bücher zu befreien. So sollte man auch mit allen Ideologien verfahren, diesem Bücherwissen, das nur den Zugang zur Wirklichkeit behindere oder gar verhindere. Bevor nun man als Christ dem enthusiastisch zustimmt und miteinstimmt in den Abgesang auf alle Ideologien, frage man sich aber, wie denn dann mit dem Buch der Christen, der Bibel umzugehen sei. Verhindert das Lesen dieses Buches etwa auch den Zugang zur Wirklichkeit? Wer etwa die Geschichte des Aufruhrs wider die göttliche Ordnung der Hierarchie im 4.Buch Mose, im 16. Kapitel liest und dann den dortigen Geist auch in dem „Synodalen Weg“ wiedererkennt, verkennt der die Wirklichkeit dieses Weges? Wenn jemand auf seinem Sonntagsspaziergang sagt: „Das da ist eine Eiche!“, erkennt der nicht die Vorstellung, die Idee der Eiche in dem Objekt wieder, das er so als eine Eiche benennt und damit als einen Fall, ein Exemplar des Eicheseins. Ist somit nicht jedes Erkennen ein recognizieren. In einem Spiegelbild erkenne ich mich selbst wieder, kennte ich mich nicht, könnte ich mich in dem Spiegelbild ja gar nicht wiedererkennen. Eine unindeologische Erkenntnis gliche also dem Versuch, eine Eiche zu erkennen ohne daß ich eine Vorstellung, eine Idee von der Eiche hätte, sodaß ich in einem Baum ein Exemplar der Eiche recognizieren kann. Ein Reiseführer wurde beworben mit: Was Du nicht kennst, sieht Du nicht! Wenn unter dem Sehen ein Wahrnehmen verstanden wird, daß das Gesehene begriffen wird, dann ist diese Aussage, trotz ihrer Abzweckung zur Motivation zu dem Ankauf dieses Reiseführers, einfach wahr. Jedes Wahrnehmen ist ein Wiedererkennen, sonst wird das Gesehene nicht begriffen und nicht wahrgenommen. Der seine Reisebücher gelesen Habende sieht eben das, was der Unbelesende nicht sieht. Der Christ ist so ein Bibelbuchleser, der die Wirklichkeit sieht, indem er sie von diesem Buche her liest. Man könnte die Wirklichkeit auch als einen Text verstehen, denn man lesen können muß, um ihn verstehen zu können. Das heilige Buch wäre dann der Grundtext, durch den die anderen Texte für uns zu lesbaren werden. Aber existieren denn nicht auch Nichtideologen, die ohne irgendwelche von ihnen gelesenen Grundtexte die Wirklichkeit einfach nur so sehen, wie sie wirklich ist? Es drängt sich der Verdacht auf, daß in postmodern pluralistisch strukturierten Gesellschaften es verschieden sortierte Bibliotheken gibt, und jeder nun die Wirklichkeit so liest, wie er sie ob seiner Buchlektüren, seiner Ideologie liest. Dabei kann nun jeder den anders Sehenden als ideologisch Verblendeten abqualifizieren um dabei seinen eigenen ideologischen Blick zu verkennen. Wenn Bücher als die Quelle aller Ideologien angesehen werden können, dann könnte man also fragen:Aus welchen Büchern hast Du Deine Weltsicht, daß Du in allem immer wieder das in den Büchern Gelesene recognizierst! Die Wirklichkeit kann somit keinen Gegenpol zur Ideologie bilden, denn sie wird ja immer schon von den verinnerlichten Büchern her gelesen. Gleichen wir alle so viel mehr als uns es lieb sein kann, diesem wundersamen Helden Don Quijote, der nur ein Held sein konnte, solange er aus seinen Büchern lebte? Nehmen wir als Ergänzung etwa die sehr erfolgreiche Serie: „Sturm der Liebe“ mit fast 4000 Fortsetzungen: Wie viele ihrer Zuschauer werden wohl in ihren Gefühlen und Liebesbeziehungen die dortig dargestelten wiedererkennen und danach dann auch gestalten! Die dortigen Erzählungen bieten sozusagen Deutungsmuster für das Eigenerlebte, daß in ihnen Filmisches recogniziert werden kann. Das hieße dann, daß so eine Serie nicht realitisch oder unrealistisch Wirklichkeiten widerspiegelt sondern Deutungsmodelle bereitstellt, durch die erst uns Wirklichkeiten verstehbar und dann auch gestaltbar werden, so wie wir sie jetzt wahrnehmen und gestalten. 1.ZUsatz: Die einfachste Ideologiekritik: Alle denken ideologisch, nur ich nicht. 2.Zusatz: Könnte der Wirklichkeit ein Mangel innewohnen,sodaß sie deshalb ideologisch "vervollständigt" wird? Für das naturwissenschaftliche Denken ist der Mensch weltimmmanent verstehbar, die Theologie urteilt, daß er nur als Gottes Geschöpf begriffen werden kann. Das ist im Urteil der Naturwissenschften eine weltanschaulich-ideologische Deutung unwissenschaftlicher Art. Ist aber das Axoim, daß der Mensch allein weltimmanent zu begreifen ist, nicht selbst wiederum ein Axiom eines weltanschaulich-ideologischen Denkens?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen