Freitag, 18. November 2022
Gott ist tot, wir haben Gott getötet- tötete die Kirche Gott?
Gott ist tot, wir haben Gott getötet- tötete die Kirche Gott?
Nietzsches Diktum vom Tode Gottes, vom: Wir haben ihn getötet, ist allseits bekannt, aber könnte dies Diktum nicht auch einmal in kirchenkritischer Perspektive bedacht werden? Könnte von einem Anteil am Tode Gottes seitens der Kirche gesprochen werden? Nun muß diese Frage den Einwand provozieren, daß die Rede vom Tode Gottes ja a priori sinnwidrig ist, da Gott notwendig als unsterblich zu denken sei, ein Wesen, von dessen Tod man sprechen könnte, wäre so auf keinen Falle Gott. Deshalb sei hier von dem Tod des Glaubens an Gott die Rede, daß Gott nicht mehr für den Menschen lebendig sei, so sehr er objektiv immer noch als lebender ist. Im Jahre 1950 konnten noch in dem offiziellen Gesangbuch des Erzbistumes München/Freising dies als die 5 Grundwahrheiten des christlichen Glaubens benannt werden:
(1)„Ein Gott in drei Personen, Vater,Sohn und Heiliger Geist. (2)Gott hat alles erschaffen,erhält und regiert die Welt.(3)Der Sohn Gottes ist für uns Mensch geworden und am Kreuze gestorben.(4)Gott belohnt das Gute und bestraft das Böse.(5)Ewige Seligkeit oder ewige Verdammnis wird das endgültige Geschick der unsterblichen Seele sein.“
Gottes Relevanz für uns Menschen resultiert direkt aus der 5.und 4.Glaubenswahrheit: Gott entscheidet über unser ewiges Geschick, ob wir ewig leben oder ewig verdammt sein werden. Das „ewig“ ist dabei als Kontrast zum endlichen Leben gemeint: Im endlichen, wie wir es führen, entscheidet sich unser ewiges Geschick, denn Gott richtet uns gemäß unserem endlichen Leben, ob wir gut oder böse gelebt haben. Solange Gott so geglaubt wird, muß der Glaube an ihn ein lebendiger sein, denn Gottes Urteil über uns entscheidet über unser ewiges postmortales Dasein.
Wie verändert sich nun aber der christliche Glaube, wenn diese Glaubenswahrheit außer Kraft gesetzt wird? Faktisch wird heute in der Kirche selbstverständlich, ausgehend von der These, Gott sei nur die Liebe und sonst nichts, gepredigt, daß keiner verdammt werden wird durch Gott. Das hat nun zur Folge, daß für Gott selbst es gleichgültig ist, ob ein Mensch gut oder böse lebt,denn er liebt jeden und verurteilt keinen. Nach welchen Kriterien nun der Mensch auch sein Leben ausrichten mag, will, soll ich so oder so leben,was in Gottes Urteil gut oder böse ist, ist nun vergleichgültigt für den Menschen, denn Gott liebt jeden, gleichgültig ob er gut oder böse sein Leben geführt hat. Wer als Subalterner arbeitet, weiß, daß für seine Arbeitsbewertung das Urteil seines Vorgesetzten das wichtigste ist: Arbeite ich in seinem Urteile gut?, aber wenn mir gesagt wird, daß es dem Chef gleichgültig ist, wie ich arbeite, welcher Angestellte wird sich dann noch um die Maßstäben seines Chefes kümmern? Die Rede von der bedingungslosen Annahme eines jeden Menschen durch Gott, weil Gott einfach die Allliebe ist, vergleichgültigt so Gottes Unterscheidung von Gut und Böse. Menschliche kulturell hervorgebrachte Unterscheidungen von Gut und Böse treten dann an die Stelle der göttlichen und verpflichten uns Menschen, weil uns das Urteil der Mitmenschen über uns nicht gleichültig sein kann: Was denken die anderen über mich, diese Frage ersetzt dann die einstige: Wie wird Gott über mich urteilen?
Solange das Erlangen des Zieles des ewigen Lebens eines ist, davon abhängig ist, wie ich mein irdisches Leben führe, ist dies Ziel ein für das irdische Leben relevantes Ziel, denn daraufhin wird nun das irdische Leben gestaltet. Was ändert sich nun, wenn gemeint wird, daß dies Ziel sowieso jeder erreichen wird, weil Gott jedem das ewige Leben schenken wird und zwar gratis? Dies Ziel kann dann für das praktische Leben keine Relevanz mehr haben, da dies Ziel ja erreicht werden wird, gleichgültig, wie ich es führe. Alle irdischen Ziele, deren Erreichung auch von mir selbst abhängig sind, die ich nicht gratis bekomme, erheischen nun, daß ich mich darum bemühe, wohingegen das Ziel des ewigen Lebens und was Gott uns offenbarte, wie es zu erlangen sei, für das praktische Leben gleichgültig wird. Dies Ziel existiert dann nur noch als beschaulich zu Betrachtendes ohne eine Relevanz für das praktische Leben.
Somit ist Gott für das praktische Leben ein Gott ohne eine Relevanz geworden.
Erhält und regiert Gott denn noch die Welt? Wer auf die heutige kirchliche Verkündigung diesbezüglich achtet, wird feststellen, daß in liturgisch vorgegebenen Texten diese Aussagen zwar vorkommen, aber dann in den aktualisierenden Deutungen verschwindet zu einem Gott, der nur noch an uns appelliert: Bewahret die Schöpfung, sorget um den Frieden,helfet den Armen usw. Gott ist eigentlich nur noch dieser Appell und der Gehalt dieses Appellierens ist nur noch der Aufruf zu einem humanitären Verhalten. Auf Gott könnten solche Appellpredigten eigentlich verzichten.
Schlußendlich: Was weiß die Kirche denn noch von Gott? Postmodernistisch heißt das heutige Credo der Kirche: Wir sind eine große Suchbewegung nach Gott im Verbund mit allen anderen Religionen- Gewisses wüsse Niemand! Das steht nun in einem unüberwindlichen Kontrast zu der Vorstellung von dem Gott, der nur die Liebe sei, die jedem unbedingt gälte. Diese Aporie findet aber ihre „Lösung“ in der Frage: Wie müssen wir uns Gott denken, damit die diversen Gotteslehren der Religionen nicht zu Konflikten führen, wenn dann jede Religion die ihrige Gotteserkenntnis als die allein wahre beurteilt: Gott muß als sich gleichgültig verhaltend zu allen Religionen gedacht werden. So ist Gott nicht an sich objktiv sondern so ist er um des innerweltlichen Friedens, dem höchsten Ziel des heutigen Menschen nicht zu gefährden, zu denken. Dieser Gott ist dann aber ob dieser Indifferenz ein toter Gott, weil er nur noch dies sagt: Es ist mir gleichgültig, wie ihr glaubt und wie ihr lebt.
Zusatz:
Beliebt ist ja auch die These, daß die Theologie, indem sie Gott denkend zu begreifen versuche, schon in die Irre ging. Gern amalgamiert sich diese Kritik mit der Vorstellung eines ursprünglich rein jüdischen Urchristentumes, das dann durch seine Hellenisierung kontaminiert wurde, daß eben, um es in Anlehnung n Adolf von Harnack aus dem fröhlichen Handwerksevangelium, im Vertrauen auf den väterlichen Gott zu leben, eine solche Abscheulichkeiten wie die Trinitätslehre hervorbringende Kirche geworden sei. Aber das Denken als Ursache des Niederganges zu behaupen, ist nur ein Exzeß plumpesten Antiintellektualismus.
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