Wer die Schwäche der christlichen Religion in der Gegenwart begreifen möchte, dem könnte der Begriff der Devitalisierung dazu eine Hilfe sein. Damit eine Religion lebendig sein kann, muß sie sich als wahr glauben. So hat sich das Christentum in der Katholischen Kirche bis zum 2. Vaticanum auch verstanden.
Was nun aber, wenn man meint, daß a) die anderen christlichen Confessionen gleich wahr sind, so der Tendenz nach in der Ökumene? Das spezifisch Katholische wird entwertet und vergleichgültigt, meint man, daß es für das Heil des Menschen gleichgültig sei, welcher christlichen Confession man angehöre! Wenn von Gott gälte, daß es ihm selbst gleichgültig sei, welcher Confession ein Christ angehöre, dann ist der so gedachte Gott selbst der Grund der Vergleichgültigung der christlichen Confessionen. Aus dem Besonderen der katholischen Confession wird dann eine subjektiv beliebige Vorliebe fürs Katholische, die aber im Urteil Gottes gleichgültig ist. Wie soll aber etwas noch im Glaubensleben lebendig sich erhalten, wenn es so als gleichgültig beurteilt wird. Ist für den evangelischen Christen das Sakrament der Firmung, der Beichte, der Ehe und der letzten Ölung für sein Heil gleichgültig in den Augen Gottes, wie sollen dann diese Sakramente noch von einer Heilsbedeutung sein für den Katholiken! Lehrt die Kirche, daß man als Protestant auch ganz ohne diese Sakramente gemäß Gottes Willen lebe und sie zum Heile nicht notwendig sind, wozu sollte sie dann noch der Katholik nutzen? Diese Vergleichgültigung entzieht der Glaubenspraxis, wozu diese Sakramente nutzen, ihre Lebenskraft. Es erinnert an den Arztwitz: "Nehmen Sie dies Medikament und Sie werden in 7 Tagen gesund sein, ohne es sind Sie in einer Woche gesundet!"
Ja alles Katholische, inofern es sich von den nichtkatholischen Confessionen unterscheidet, wird so vergleichgültigt in dem Urteil, daß es Gott selbst gleichgültig sei, ob ein Christ gemäß der Morallehre der Katholischen Kirche oder gemäß der Moralvorstellung des Protestantismus lebe. Katholisch zu leben ist dann nur noch eine Marotte der katholisch Gläubigen, aber Gott ist es gleichgültig, lebt man nur christlich!
Was geschieht nun aber, wenn man b) gar alle Religionen für gleich wahr erachtet, daß es Gott selbst gleichgültig ist, ob man Christ, Jude oder Muslim ist? Faktisch haben wir diesen Stand in den interreligiösen Dialogen erreicht. Die kirchliche Praxis entspricht dem in der Aufgabe der Mission: wozu noch Menschen zum christlichen Glauben bekehren wollen, wenn jedermann in seiner Religion schon das Heil finden kann, weil Gott selbst alle Religionen gleichgültig sind! Alles Christliche wird entwertet, denn es reiche doch in den Augen Gottes, an Gott zu glauben und anständig zu leben- als seichter Aufguß des Konzeptes der natürlichen Religion als hinreichend für das Heil der Menschen im Geiste der Aufklärung.
Wie soll aber die Katholische Religion noch lebendig sein, wird sie von der Kirche selbst als gleichgültig in den Augen Gottes beurteilt? Bedeutung kann doch nur etwas für den Menschen haben, wenn es für ihn einen Unterschied ausmacht, ob er das praktiziert oder auch nicht praktiziert. Wenn aber die Prakizierung der Katholischen Religion gar in dem Urteile Gottes gleichgültig ist, wie sollte sie dann noch für den sie Praktizierenden eine Bedeutung haben!
Der Ursprung dieser Vergleichgültigungskonzepion liegt im innerchristlichen Religionskrieg des 17. Jahrhundertes, wobei jetzt dies Konzept als die Verhältnisbestimmung aller Religionen zueinander übernommen wird, damit die Religion kein Grund für zwischenmenschliche Konflikte mehr sein kann, indem sie alle als gleichgültig erklärt werden. Nur, daß diese Vergleichgültigungskonzeption jede Religion dann auch devitalisiert, weil sie sich selbst als gleichgültig versteht.
Zu den Bausteinen einer solchen Vergleichgültigungskonzeption gehört konstitutiv die Vorstellung, daß es zwar in den Religionen verschiedene Vorstellungen, Bilder von Gott gibt, daß es aber dem Menschen nicht möglich ist, zu erkennen, welche wahr und welche nicht wahr ist. Dieser Agnostizismus wird dann aber in der selben Konzeption konterkarriert durch das Urteil, daß Gott selbst alle Religionen gleich wahr seien, ohne daß nun erklärbar ist, warum einerseits Gott, wie er wirklich ist, unerkennbar ist, daß wir nur Gottesbilder aber keine Erkenntnis von ihm haben und daß wir andererseits mit Gewißheit wissen, daß Gott selbst alle Religionen gleichgültig sind. Einmal wissen wir eigentlich nichts von ihm und dann wissen wir es wiederum ganz genau, daß für Gott die Gretchenfrage, wie hältst du es mit der Religion (Goethe, Faust) unwichtig ist.
Nur wenn man den innerweltlichen Frieden als das höchste Gut ansieht und dann danach frägt, wie müssen wir uns Gott denken, damit die verschiedenen Religionen den Weltfrieden nicht gefährden können, ergibt diese sich selbst widersprechende Gotteslehre einen Sinn. Sie enthält keine Erkenntnis von Gott, sondern produziert ein Gottesbild um des Weltfriedens willen. Ja, daß eine erkennbare und erkannte Wahrheit das Übel schlechthin ist, das ist wohl das Basiscredo der Postmoderne.
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