Freitag, 29. September 2017

Realität, Medienwirklichkeit und Verschwörungstheorien

Wirklichkeit ist ein soziales Konstrukt, ist wohl eine der Hauptthesen der philosophischen Richtung des Konstruktivismus.Was wir naiv für die Wirklichkeit halten, das ist eben eine künstlich geschaffene Wirklichkeit. Betrachtet man so die Bedeutung der Medien, erscheint die auf den ersten Blick etwas abstrus erscheinende These des Konstruktivismus nicht mehr so unglaubwürdig.
Die in den Medien uns präsentierte Wirklichkeit ist das, was wir für das Wirkliche erachten. Die Medien bilden nicht eine Realität ab, sondern sie konstruieren eine, hinter der das, was naiv mit: "Das ist so wirklich!" verschwindet. Nun gibt es zwar noch die subjektiv erlebte Wirklichkeit im realen Leben, aber diese wird eben gedeutet durch die durch die Medien vermittelten Deutungschematas. Kantianisch ausgedrückt könnte gesagt werden, daß die Wirklichkeit uns zum unerkennbaren Ding an sich wird, weil wir nur noch in der Erscheinungswelt leben- aber die ist nicht mehr einfach das Produkt meines Wahrnehmens und denkerischen Bearbeitens des Wahrgenommenen, sondern das Produkt der Medien.  
Daraus ergibt sich eine irritierende These von der Bedeutung von Verschwörungstheorien in der Postmoderne: Sie sind Theorien, die behaupten, die wahre Wirklichkeit hinter der konstruierten Wirklichkeit der Medien zu kennen. Um der Erhaltung des Wirklichkeitsmonopoles der Medienwirklichkeit willen müsen dann alle Verschwörugstheorien als unwahr dysqualifiziert werden.
Umberto Eco bot dagegen in seinem brillanten Roman: "Das Foucaultsche Pendel" einen mehr als anregenden Umgang mit Verschwörungstheorien, ob sie nicht erst durch sie selbst eine neue Wirklichkeit erschaffen. Oder sollte man kritischer urteilen, daß sie die verborgene gegen die Medienwirklickeit ans Tageslicht bringen?Aber sein Folgeroman: "Der Friedhof in Prag" verzichtete dann auf das postmodernistische Spiel der Ironie als Unwille zur Entscheidung, das ist wahr und das nicht!, zugunsten einer simplen Entlarvungsstrategie: Die Medienrealität ist die einzig wahre Wirklichkeit, sodaß alles andere unwahr ist. Dieser aufklärerisch  polemische Stil verhindert dann bei diesem Roman die Entfaltung der  literarischen Qualitäten dieses sonst so brillanten Autoren.
Verschwörungen gibt es doch nicht? Dann lese man bitte aufmerksam den Artikel über das Wirken der NGOs in Irland im Kampf für das Menschenrecht auf Abtreibung auf Kath info vom 28.9. 2017.
"Obwohl Irland ausländische Spenden verbietet, scheint es eine Tatsache, daß Amnesty International Irland gegen Bezahlung Kampagnen initiiert. Während der irische Amnesty-Ableger zuvor nicht in der Abtreibungsfrage auffällig geworden war, startete er eine Kampagne zur Streichung des Abtreibungsverbots aus der Verfassung, sobald die Atlantic Philantropies des US-Milliardärs Chuck Feeney mehr als fünf Millionen Dollar überwiesen hatte. Offiziell floß das Geld zur „Förderung der Menschenrechte“, worunter der Milliardär auch die Abtreibung versteht. Feeney hatte bereits mit 28 Millionen Dollar für die Einführung der „Homo-Ehe“ in Irland die Macht des Geldes spüren lassen."
Das ist natürlich für den normalen Mediennutzer nur finstere Verschwörungstheorien. Aber gilt denn nicht die Wahrheit, daß die Medien unser Bild der Wirklichkeit erst schaffen? Und dann bekommt diese Meldung erst ihr besonderes Gewicht: "2013 standen bereits alle irischen Massenmedien im Abtreibungslager." Ob da wohl auch Geld geflossen ist, um die Meinung der Journalisten auf den richtigen Kurs zu bringen?
Verschwörungstheorien beanspruchen so, hinter die Medienwelt die reale Wirklichkeit aufzuzeigen. Sie geraten deshalb ad hoc in Mißkredit, weil sie die dem postmodernen Menschen so gut vertraute Wirklichkeit in Frage stellen: Das ist doch so, wie es Schwarz auf Weiß gedruckt steht! Aber wenn das nur die sozial konstruierte Wirklichkeit ist? Carl Grosses Roman: "Der Genius"1791-1795 mit seiner gelungenen Entfaltung des Motives der Verschwörung könnte da dann doch lesenswerter sein als Ecos plumper Entlarvungsroman: " Der Friedhof in Prag".  Oder man wagt gar einen Blick in den Klassiker aller Verschwörungstheorien: Augustin Barruel: "Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus" über das viel diskutierte Thema der Bedeutung der Freimaurerei für die Französische Revolution.
Konsequent postmodernistisch gedacht müßte geurteilt werden, daß es gar keine objektive erkennbare Wirklichkeit gäbe, die dann  richtig oder falsch wiedergegeben werden könnte. Dann wären aber auch alle Verschwörungstheorien wahr und unwahr zugleich, weil auch die von den Medien konstruierte Wirklichkeit keine wahre Wiedergabe des Wirklichkeit sei, sondern alles gleich wahr und unwahr sei. Das wäre dann der totale Triumph des Relativismus. Aber wenn es um Verschwörungstheorien geht, soll dieser postmoderne Relativismus nicht mehr gelten: Hier gilt dann plötzlich wieder ganz naiv: alle unwahr! 


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