Dienstag, 11. Februar 2025

Über die Menschenfreundlichkeit Gottes – aber wie, wenn er nun ganz anders ist?

 

Über die Menschenfreundlichkeit Gottes – aber wie, wenn er nun ganz anders ist?



Die Geschichte der Befreiung des Volkes Israels aus dem ägyptischen Sklavenhaus ist auch heute noch vielen bekannt zumindest aus dem Religionsunterricht, daß die einmal das Kernstück der lateinamerikanischen Befreiungstheologie war, ist weniger bekannt, daß sie aber Heerscharen von Theologen schlaflose Nächte bereitet hatte, dürfte den Allerwenigsten bekannt sein. Mose erhält ja von Gott selbst den Auftrag, den Pharao zu bitten, das jüdische Volk frei zu lassen. Zu seiner Legitimität, daß Mose wirklich im Auftrage Gottes agiert, ermöglicht Gott ihm, zwei Wunderhandlungen zu vollbringen: Hier steht wirklich ein Diener Gottes vor dir und verlangt so die Freiheit für das versklavte jüdische Volk. Gott mahnt Mose: „Siehe zu,daß du alle Wunderthaten1,welche ich in deine Hand gegeben hast,vor Pharao thust“- und dann heißt es da: „ego indurabo cor ejus, et non dimittit populum= ich werde sein Herz verstocken,und er wird das Volk nicht ziehen lassen.“ 2.Mose,4,21.

Gott hat das Herz des Pharaos verstockt,sodaß er das Volk nicht in die Freiheit entläßt. Aber Gott wollte doch sein Volk aus der Hand der Ägypter befreien. Und ist dann denn noch der Pharao für sein Tuen verantwortlich, daß er das jüdische Volk nicht freiließ, wenn er das aus seinem verstockten Herzen heraus nicht tat?Die Geschichte verurteilt den Pharao, daß er das jüdische Volk versklavte und dann es nicht in die Freiheit entlassen wollte, obzwar Gott ihn dazu durch Mose aufgefordert hatte, der auch durch seine Wundertaten hinreichend als im Auftrage Gottes Sprechender legitimiert war.

Diese Stelle mit vielen ähnlichen errang dann in der Kontroverse zwischen Luther und Erasmus von Rotterdam um die Lehre vom freien Willen höchste Bedeutung, aber da wurde die Bedeutung überschätzt, wird hier doch von einem singulären Wirken Gottes geschrieben, nicht ist da eine generalisierbare Aussage mit intendiert, daß Gott etwa immer die Herzen der Menschen regiere, sodaß sie stets nur das täten, was Gott ihnen unmittelbar eingäbe.

Aber es bleibt die Frage: Ist denn der Pharao noch für sein Nichtentlassen des Volkes verantwortlich zu machen, wenn Gott ihm das Herz verstockt hatte, sodaß er es nun nicht mehr auf die Worte Mose hören konnte? 2 Möglichkeiten eröffnen sich uns nun:

Erstens: Gott verstockte dem Pharao das Herz und er konnte nicht mehr auf Mose hören. Zweitens: Gott verstockte das Herz, aber er hätte trotzdem auf Mose hören können, aber er hörte nicht auf Mose. Um die zweite Version zu ermöglichen,kommentiert der Jesuit Arndt in seiner Vulgataausgabe den Text so:“Es ist häufiger Sprachgebrauch in der Bibel,daß von Gott gesagt wird, er thue etwas,was er nur zugelassen hat.“ So eindeutig die Intention dieser Auslegung ist, so wenig ist sie vom Text her legitimierbar: Kein nachvollziehbarer Grund läßt sich eruieren, warum, wenn gesagt werden sollte, Gott ließe etwas zu, geschrieben würde: Er „that“es.

Aber wie steht es dann um die Verantwortlichkeit des Pharaos für sein Nichterhören Moses? Nun gilt in der scholastischen Theologie der Grundsatz, daß, wenn Gott nicht unmittelbar sondern synergistisch mit Zweitursachen zusammen etwas bewirkt, die Zweitursachen gemäß ihrer Eigennatur mitwirken. Ein Schreibgerät wirkt anders beim Verfassen eines Briefes mit als ein Sekretär, dem sein Vorgesetzter den Brief diktiert. Zur Natur des Menschen gehört nun mal konstitutiv sein freier Wille, daß er das, was er will, auch nicht wollen könnte.

Negiert nun das Verstocken den freien Willen, sodaß der Pharao gar nicht anders gekonnt hatte als nicht auf Mose zu hören? Wie nun, wenn wie beim Manipulieren und Verführen im Gegensatz zu einem Überwältigt- oder gar Vergewaltigtwerden, ein Sichmanipulierenlassen und Sichverführenlassen auch beim Verstocken ein Sichver-stockenlassen dazugehört? Es existiert nämlich zwischen der Passiv- und der Aktivform von Verben auch die Mediumform des sich Verstockenlassens. Merke: Die entschuldigende Aussage: „Verführt worden bin ich!“ läßt absichtlich die Wahrheit des: „Ich ließ mich verführen“ verschwinden. Im Sinne des scholastischen Axioms müßte dann daß das Herz des Pharaos verstockt wurde durch Gott durch den Subtext: „und sein Herz ließ sich verstocken“ ergänzen.Gottes Verstocken machte so das Herz des Pharaos erst zu einem verstockten, indem es sich auch freiwillig verstocken ließ.

Es bleibt nur noch die Frage übrig: Warum wollte Gott, daß das Herz des Pharaos so verstockt wurde.Hierauf gibt die ganze Geschichte der Befreiung Israels aus Ägypten die Antwort: Gott wollte, daß der Pharao mit den Mächtigen seines Landes sich Gottes Willen widersetzten, damit er seinem Volke sich als wahrhaft machtvoller Gott erweisen konnte: So viel an Widerstand ihm auch entgegengesetzt werden konnte, Gott ist stärker als jeder menschliche Widerstand! Gott will sich so real als der Übermächtige, der Allmächtige erweisen.

Aber unüberlesbar: So wie Gott sich hier als der Übermächtige erweist, so ist er der heutigen Kirche fremd geworden, denn sie kennt nur noch den:“Ich hab Euch doch alle lieb Gott!“ Ist dieser Gott denn aber nicht doch auch ein menschenfreundlicher Gott, könnte repliziert werden. Fragen wir zur Beantwortung dieser Frage einfach den Menschen Pharao: „War Gott Dir gegenüber menschenfreundlich?“ „Erwies er sich Deinem Volke gegenüber als Menschenfreund, als er Dein Volk sosehr mit den Plagen maltraitierte und dann gar die vielen Kinder Ägyptens tötete? Dem jüdischen Volke gegenüber war er wahrlich ein Freund, aber den Ägyptern gegenüber, was war Gott denen?





1Ob in früheren Zeiten dem Tun der Menschen noch mehr an Bedeutung zugemessen wurde, so daß man das Tun mit einem „t“ beschwerte, könnte mal erwogen werden.

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