Die Menschenwürde als ein Ersatz für die Evangeliumsverkündigung?
Wer aufmerksam dem kirchlichen Gerede zuhört, kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß inzwischen die Rede von der Menschenwürde die gebotene Verkündigung des Evangeliumes verdrängt hat.Gerade die diversen Publikationen von eigentlich mit der Mission beauftragten Vereinigungen zeigen, daß hier fast nur noch von sozialdiakonischen Aktivitäten geschrieben wird und wenn noch über etwas anderes, dann wird die Nichteinhaltung der Menschenrechte, die Menschenrechte gelten dabei als ein Derivat der jedem Menschen zugeschriebenen Menschenwürde, kritisiert. Von einer Evangeliumsverkündigung liest man aber nichts mehr.
Die Rede von der Menschenwürde und den darauf fußenden Menschenrechten, ursprünglich antikatholisch intendiert, ist dabei so in den kirchlichen Diskurs integriert worden, wurde sozusagen christlich getauft.Zwei verschiedene Integrationskonzeptionen sind dabei zu unterscheiden, das schöpfungstheologische und das inkarnations-theologische: Da Gott den Menschen erschaffen habe, und ihn als sein Geschöpf bejahe, verfüge jeder Mensch über eine unverlierbare von uns Menschen unbedingt anzuerkennende Würde oder die inkarnations-theologische Aussage: In Jesus Christus habe Gott unser aller Menschsein angenommen, sodaß der Mensch nun eine unverlierbare Menschenwürde besäße. Die Intention beider Integrationskonzeptionen ist, daß so der gesamte Ideenkomplex der säkularistischen Rede von der Menschenwürde und der daraus resultierenden Menschenrechtsideologie als das neue Fundament der Morallehre der Kirche legitimiert werden soll.Die Morallehre der Kirche kann sich so in den öffentlichen Diskurs problemlos einbringen, da nun auch für sie als die Letztbegründung aller normativen Aussagen die Menschenwürde fungiert.
Aber wie ist es denn nun um die Explikationskraft des Begriffes der Menschenwürde bestellt, der nun eine Ausrichtung an den Geboten Gottes und der bisherigen Morallehre der Kirche substituieren soll? Ist das, was der Menschenwürde entspricht oder ihr widerspricht, etwas objektiv Feststellbares oder nur ein subjektives Geschmacksurteil? Wenn eine Frau urteilt, die Prostitution widerspräche ihrer Würde als Mensch und eine andere, daß die Prostitution der Menschenwürde nicht widerspräche, sodaß sie diesen Beruf ausübt, ist dann eines der beiden Urteile unwahr oder sind beide nur subjektiv für die jeweilige Frau wahr?
Existiert nun im öffentlichen Diskurs eine Instanz, welches der zwei Urteile wahr ist und welche ist das dann oder ist die Beantwortung dieser Frage in das Belieben jedes Einzelnen gestellt? Nun kann jeder seine individuelle Entscheidung mit dem Anspruch verbinden, daß diese auch für andere die Zustimmung verlangt und faktisch werden Moralurteile auch stets mit diesem Geltungsanspruch verbunden vertreten, aber es stellt sich die Frage, mit welchem Recht? Das widerspräche der Menschenwürde, nein das widerspricht ihr nicht, aber wie ist der Wahrheitsgehalt solcher Geltungsansprüche verifizierbar?
In Deutschland sind circa 1,6 Millionen Bürger auf die Armenspeisungen der „Tafel“ angewiesen. Widerspricht das der Würde der Menschen oder soll man urteilen, es entspräche ihr, daß so die Armen auch das Lebensnotwendige erhalten?
Im politischen Diskurs herrscht die Meinung vor, daß es der Menschenwürde widerspräche, nicht anerkannte Asylantragssteller „abzuschieben“. Die Katholische Kirche vertritt das unter der Führung des Papstes vehement und widersetzt sich auch der Durchführung von „Abschiebungen“ durch die Gewährung von „Kirchenasylen“, weil das rechtlich Gebotene wider die Menschenwürde sei.Entscheidet in dieser Causa das Parlament,bzw die Regierung, welche Regelungen in der Asylpolitik der Menschenwürde gerecht bzw nicht gerecht werden? Hieße das dann auch, wenn das Parlament mehrheitlich den Frauen das Recht zuspräche, bis einschließlich des 9.Schwangerschaftsmonates das eigene Kind töten zu lassen, daß das dann der Menschenwürde entspräche, weil das Parlament das so beschlossen hätte?
Wenn nicht klar ist, wer wie entscheidet, was den Menschenrechten entspricht und was nicht, verkommt die Rede von der Menschenwürde zu einer bloßen rhetorischen Figur, Nichtgebilligtes als der Menschenwürde Widersprechendes zu diffamieren. „Das sei unmenschlich und menschenunwürdig“, ist dann nur noch eine rein emotionale Affektäußerung, die völlig unbegründet die Zustimmung der Zuhörerschaft einfordert. Es drängt sich so der Verdacht auf, daß durch die Rede von der Menschenwürde ein rhetorisch reht effektives Instrumentarium bereit steht für alle möglichen politischen Anliegen, daß aber für eine sachlich geführte Debatte um das moralisch Erlaubte und Unerlaubte dieser Vorstellungskomplex der Menschenwürde sehr wenig ergibig ist. Für die politische Rhetorik ist das Menschenwürdegerede dann aber umso nützlicher und so vernutzt auch die Kirche dies Gerede, wenn sie mitdebatiert im öffentlichen Diskurs.
Zudem gehört zu diesem Menschenwürdegerede die Praxis der Verwechselung der Menschenrechte mit den Bürgerrechten, als wenn die Nichtzubilligung von Bürgerrechten schon ein Verstoß gegen die Menschenwürde wäre. So polemisiert der Papst gegen die Politik des US-Präsidenten, illegal Eingewanderte zu repatriieren als einen Verstoß gegen die Menschenwürde.
Daß die christliche Erlösungsreligion einen ganz anderen Gehalt hat als die Bejahung des Menschen, so wie er ist, ist offenkundig. Statt einer Erlösung bedarf es jetzt ja nur noch der wechselseitigen Anerkennung der Menschenwürde: Jeder erkennt jeden als zu bejahenden Menschen an. "persona est affirmanda propter se ipsam" =die Person ist zu bejahen wegen sich selbst" ob seiner Menschenwürde, wird in dem der dem personalistischen Denken verpflichtetem Aufsatz: "Personaismus und Unabhängigkeit der Ethik" in dem Aufsatzband; "Der Streit um den Menschen" von Karol Kardinal Wojtila, Szostec und Stczen S.146 proklamiert als die hinreichende Basis jeder Morallehre. Die Theologie könnte dann dem noch ein zweites, aber eigentlich überflüssiges Fundament offerieren in einer schöpfungs- oder inkarnationstheologischen Version, ohne dann materialiter etwas zu dieser autonomen Vernunftmoral hinzuzufügen.
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