Dienstag, 25. August 2015

Neues Heidentum in der Kirche?

Salzburg (kath.net) Vor über 50 Jahren schrieb Joseph Ratzinger (in: Hochland Okt 1958): „Dieses dem Namen nach christliche Europa ist seit rund 400 Jahren zur Geburtsstätte eines neuen Heidentums geworden, das im Herzen der Kirche selbst unaufhaltsam wächst und sie von innen her auszuhöhlen droht. Das Erscheinungsbild der Kirche der Neuzeit ist wesentlich davon bestimmt, dass sie auf eine ganz neue Weise Kirche der Heiden geworden ist und noch immer mehr wird: nicht wie einst, Kirche aus den Heiden, die zu Christen geworden sind, sondern Kirche von Heiden, die sich noch Christen nennen, aber in Wahrheit zu Heiden wurden.“ Und er fährt fort: „Das Heidentum sitzt heute in der Kirche selbst, und gerade das ist das Kennzeichnende sowohl der Kirche unserer Tage wie auch des neuen Heidentums, dass es sich um ein Heidentum in der Kirche handelt und um eine Kirche, in deren Herzen das Heidentum lebt.“

Eine Analyse, die aufhorchen läßt!Rechnet man, kommt man auf das Jahr 1558- aber das ungefähr darf nun nicht überlesen werden und so kann und wird damit wohl die Reformation gemeint sein, bzw die Zeit ihrer ersten "Früchte". Will Ratzinger so im Jahre 1958 sagen, daß die Reformation die Reheidnisierung der Kirche einleitete? Der reformierte Theologie K. Barth warf Luther und dem Luthertum tatsächlich eine Tendenz zur Reheidnisierung vor ob der lutherischen Lehre vom Gesetz. Aber das war eine innerprotestantische Kontroverse, ausgelöst durch die Frage, warum das Luthertum so wohlwollend auf den nationalsozialistischen Staat reagierte, wobei K. Barth dann einen Zusammenhang konstruierte zwischen der lutherischen Lehre vom Gesetz und der Sympathie des Luthertumes für den autoritären Führerstaat, wohingegen die reformierte Tradition, siehe die Schweiz, eher zum Demokratischen tendiere. 
Anders stellte sich die Lage dar, würde man auf die Spaltung des Christentumes in Europa, hervorgerufen durch die Reformation blicken und die Tendenz zur Reheidnisierung als eine Reaktion auf diese Spaltung deuten. Versimplifiziert: wo ein in verschiedene Konfessionskirchen zerplittertes Christentum die Erscheinungs-gesalt des Christentumes wurde, wobei jede Konfession für sich den Anspruch erhob, die einzig wahre zu sein, da evozierte dies die Frage nach einer oder der Wahrheit unabhängig von den Kirchenwahrheiten. Und da boten die Philosophen eben nicht nur die ewigen Vernunftwahrheiten an, die jedem Menschen zugänglich seien, benutzte er nur seinen Verstand zum selbstständigen Denken, sondern es ereignete sich unter den Literaten und Künstlern soetwas wie ein Heimweh nach den alten Göttern Griechenlandes, nach dem Griechen als dem wahren Kulturmenschen. (Es sei exemplarisch dafür an das Ringen des Protagonisten in der Novelle: "Das Marmorbild" von Joseph von Eichendorf erinnert.)Aber J. Ratzinger weist nun in dem in Kath net am 25.8. zitierten Aufsatz auf eine ganz andere Spur:  

"Neben der damit skizzierten Strukturänderung der Kirche ist aber auch eine Bewusstseinsverschiebung beim Gläubigen zu bemerken, die sich aus dem Faktum des innerkirchlichen Heidentums ergeben hat. Dem Christen von heute ist es unausdenkbar geworden, dass das Christentum, genauerhin die katholische Kirche, der einzige Heilsweg sein soll; damit ist die Absolutheit der Kirche und damit auch der strenge Ernst ihres missionarischen Anspruchs, ja aller ihrer Forderungen von innen her fragwürdig geworden. Wir können nicht glauben, dass der Mensch neben uns, der ein prächtiger, hilfsbereiter und gütiger Mensch ist, in die Hölle wandern wird, weil er kein praktizierender Katholik ist. Die Vorstellung, dass alle „guten“ Menschen gerettet werden, ist heute für den normalen Christen ebenso selbstverständlich wie früher die Überzeugung vom Gegenteil.
Der Gläubige fragt sich ein wenig verwirrt: Warum können die draußen es so einfach haben, wenn es uns so schwer gemacht wird? Er kommt dahin, den Glauben als eine Last und nicht als Gnade zu empfinden. Auf jeden Fall bleibt ihm der Eindruck zurück, dass es letztlich zwei Heilswege gibt: den durch die bloße und sehr subjektiv zugemessene Moralität für die außerhalb der Kirche Stehenden und den kirchlichen. Er kann nicht das Empfinden haben, als hätte er den angenehmeren erwischt; auf jeden Fall ist seine Gläubigkeit durch die Aufrichtung eines Heilsweges neben der Kirche empfindlich belastet. Dass die missionarische Stoßkraft der Kirche unter dieser inneren Unsicherheit aufs empfindlichste leidet, ist klar."

Um es einfach zu sagen: die Kirche erweckt selbst den Eindruck, als gäbe es zwei Heilswege für den Menschen, den der Kirche und den heidnischen. Und jetzt können wir sofort hinzufügen, daß die Renaissance des heidnischen eine der Reaktionen auf den innerchristlichen Religionskrieg des 17. Jahrhundertes war- daß man also nach dem rechten und wahren Leben jenseits der "Kirchenlehren" suchte,dem vernünftigen Leben! Und da wurde man dann in der heidnischen Antike fündig! Die Grundthese lautete dann also: um Gott wohlgefällig zu leben, reiche es aus, vernünftig zu leben. Ein Leben gemäß der Lehre der Kirche sei dagegen für das Heil des Menschen überflüssig. Und wer aufmerksam die modernisierte Karfreitagsbitten liest, wird genau das da konfirmiert sehen, daß der Heide Heide, der Atheist Atheist bleibe, denn jeder könne ein Gott wohlgefälliges Leben führen, lebt er nur moralisch anständig. Heidnisch wäre dann hier bei J. Ratzinger synonym für pelagiamistisch! Wenn der Mensch nur so lebe, wie es ihm seine vernünftige Natur vorgibt, der lebe schon Gott wohlgefällig. Gottes Gnade, Gottes Offenbarungen und die Lehre der Kirche seien dafür völlig überflüssig.Und so drängt sich dem Katholiken gar der Gedanke auf, daß er es sich viel schwerer mache, wenn er sich bemüht, Katholisch sein Leben zu führen, wenn es doch völlig ausreichte, nur heidnisch-anständig zu leben. Und lehrt das nicht de facto auch das 2. Vaticanum in seiner Lehre über die anderen Religionen und gar dem Atheismus? Es reiche eben, "gut" zu sein und zu diesem Gutssein gehört es nicht notwendig dazu, Katholisch zu sein. Ja, die ganze christliche Religion sei für das Gutsein des Menschen, daß er gut lebe, überflüssig- und das ist nun wirklich eine der Früchte des innerchristlichen Religionskrieges, hervorgerufen durch die Reformation. Den Emergenzpunkt bildete dazu nämlich die Meinung, daß es Gott gleichgültig sei, ob jemand katholisch, evangelisch oder reformiert sei, Hauptsache er sei ein  Christ- das ist die Stufe der Entkirchlichung des Christseins und darauf folgt die Emanzipation der Vorstellung vom moralisch Anständigen vom Christsein. Es sei Gott doch gleichgültig, ob ich Jude, Mohammedaner oder Christ sei, Hauptsache, daß ich anständig lebe. Und damit sind wir im verheidnisierten Christentum angekommen, einem Christentum, das seine eigene Religion für überflüssig erklärt, weil es Gott allein auf unser anständiges Leben ankäme.Ob es aber sinnvoll ist, diese Einstellung heidnisch zu nennen, da ließe sich ein Fragezeichen setzen. Der Begriff des Pelagianismus träfe das Gemeinte besser. Denn faktisch zeichnet sich der Heide mit seinem Götterglauben ja gerade dadurch aus, daß er weiß, daß er als Mensch auf das Wohlwollen der Götter angewiesen ist und darum ist er ein religiös-kultisch engagierter Mensch, und eben nicht einer, dem die Religion gleichgültig ist!  Der religiöse Mensch und das ist immer auch der Heide opfert seinen Göttern, betet zu ihnen, weil er sein Leben in ihren Händen weiß. Erst der postchristliche Mensch wurde zum Atheisten, der nicht mehr an Götter oder einen Gott glaubt, der bestimmend in das Leben der Menschen eingreift, dem die Welt ein bloßes weltimmanentes Geschehen ist, das keinen Platz mehr kennt für ein Einwirken des Göttlichen in der Welt. Aber dieser faktische Atheismus hat sich in die Kirche eingeschlichen als das  moderne uns nur noch gemäße Weltbild!  

Corollarium 1
Es ist überhaupt zu fragen, ob nicht die heidnischen Religionen von der göttlichen Vorsehung geführte Vorstufen der wahren Religion sind, daß sie den Menschen auf die wahre Religion vorbereiten sollen. Denn Christus kann nicht einfach der Anfang der Religion sein, denn er setzt ja selbst schon einen Elementarunterricht in der Religion voraus, worauf er dann aufbaut als der Lehrer der Wahrheit, indem er sich z.B. als das wahre Sühnopfer lehrt- und das setzt eben schon voraus, daß seine Schüler vom Wert des Opfers wissen, um so das besondere Christi erkennen zu können. So ist auch und gerade der heidnische Opferkult die Vorschule zum wahren Opfer, dem des Kreuzaltares. Wo aber die Vorschulkenntnisse der Religion verloren gegangen sind, da können die hohen Wahrheiten der christlichen Religion nicht mehr erfaßt werden. Es wäre so, als wollte man Analphabeten   Goethe nahebringen- gar als Erstklässlerstoff zum Lesenlernen! So wie das AT dem NT vorausgeht, so ging den Heiden (Nichtjuden) ihre Religion dem NT voraus und Jesus Christus ist dann eben gerade auch der Vollender jeder heidnischen Religion! l  Unwahr wird die heidnische Religion erst, wenn sie sich ihrer Aufhebung in die vollkommen wahre Religion widersetzt, aber so streitet sie wieder sich selbst, wie ein Jüngling, der nicht zum Manne werden will.                 

  
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