Sonntag, 9. August 2015

Der Mensch ist gut- ein populärer Irrtum der modernen Theologie

Es ist eine große Kunst, indikativische Aussagen, so ist der Mensch, von imperativischen, so soll der Mensch sein und von optativischen, o, wäre der Mensch doch so, zu unterscheiden. Wo diese Kunst nicht beheimatet ist, da zeitigt dies fatalste Folgen. Zuerst gibt es da die Mär vom Natur aus zum Guten geneigten Menschen,der nur in Folge einer "traurigen" Kindheit eingebettet in einem "negativen" Sozialmilieu sich fehlentwickle. Die "Milieutheorie" variiert diesen Grundsatz dann aufs mannigfaltigste, um immer zum selben Schluß zu kommen, daß nicht das Individuum, sondern die Gesellschaft schuld sei an einer Fehlentwicklung. Darum gehöre immer die Umwelt des Sünders, des Straffälliggewordenen auf die Anklagebank, nie aber der Täter, denn der ist gar keiner. So darf der Täter auch nicht für sein Tun bestraft werden, sondern da sein Fehlverhalten  nur die Folge seiner Negativsozialisation sei, sondern er müsse stattdessen therapiert werden. Die Würde des Menschen, daß er für sein Tun und Unterlassen selbst verantwortlich ist, wird ihm so abgesprochen und er zum bloßen Produkt seiner Umwelt herabdegradiert. Andereseits avanciert so der Mensch zu einer beliebig formbaren Materie, aus denen Pädagogen und Erzieher alles machen können, wenn sie nur die totale Kontrolle über die Zuerziehenden haben, am besten von Geburt an. Die Begeisterung für Mütter, die im Idealfall ihr Kind gleich nach der Geburt in eine Kita abgeben mit 24 stündiger Rundumbetreuung, ist eben auch ein Produkt der Allmachtsphantasien der Pädagogik, die aus jedem Menschen Alles machen könne, habe sie nur die totale Verfügungsgewalt über das Kind, von Anfang an. Wenn hier der Mensch ab ovo als tabula rasa angesehen wird, als Nichts, aus dem so Alles gemacht werden kann, entreißt man es nur den Händen unprofessionell sie erziehender Eltern und übergibt sie Experten, so ist die "romantischere" Version die, daß der Mensch ab ovo nur zum Guten neige und so möglichst frei sich entwickelnd erzogen werden soll. Im Hintergrund steht dabei das Idealbild des "edlen Wilden", dem als Kontrast der durch die Gesellschaft verformte Mensch entgegengestellt wird- manchmal in der Antithetik von dem guten Landmenschen und dem bösen Stadtmenschen (so tendenziell: Coudenhove-Kalergi, Der Adel, 1922 und viele andere, anhebend mit Rousseau). Hier lebt das Menschenbild ganz aus der Antithetik von guter Natur des Menschen und der Sozialisation, die den Menschen verdirbt.
Diese zuförderst recht metaphysdisch spekulativ anmutenden Gedanken zeitigen nun aber im praktischen Leben beachtliche Konsequenzen!
Es macht einen gewaltigen Unterschied aus, ob ich davon ausgehe, daß im Diskurs um Reformen der Katholischen  Kirche Alle nur nach dem Wahren und Guten streben, daß sie aber nur unterschiedliche Vorstellungen von dem haben, was denn nun das Wahre und Gute ist- oder ob ich präsumiere, daß es auch Feinde der Kirche gibt, die der Kirche tödliche Gifte als Medizin empfehlen, hoffend, sie so vertilgen zu können! Wer sich mit dem Phänomen der Kriminalität beschäftigt, muß sich auch Rechenschaft darüber geben, ob er meint, daß jeder Krimineller im Prinzip ein guter Mensch sei, den es nun gelte, zu therapieren, oder ob es wirklich Menschen gibt, die das Böse um des Bösen willen wollen und tiuen! Leider scheint auch Papst Franziskus mehr zur Milieutheorie zu tendieren, wenn er etwa nicht nur die Todesstrafe ablehnt, sondern gar eine lebenslängliche Haftzeit als unmenschlich ablehnt, denn dem liegt die optativische Vorstellung zu Grunde, daß jeder zum Guten hin therapierbar sei, daß aus jedem Saulus ein Paulus werden könne. Ein von Natur aus zum Bösen Geneigtsein gibt es in dieser Vorstellungswelt des Humanismus eben nicht- und das trennt auch unüberbrückbar die christliche Religion mit ihrer Lehre von der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen  von jedem Humanismus, der an das Gute im Menschen glaubt und nur die Aufgabe sieht, diese positive Potentialität zu entwickeln.  
Auch in der aktuellen Debatte um die Flüchtlinge wirkt sich solch ein humanistisches Menschenbild aus. Wo nüchtern gesehen es Menschen gibt, die um zu einem besseren Lebensstandard für sich zu kommen, größte Risiken auf sich zu nehmen bereit sind,  wie eine gefährliche Anreise über das Mittelmeer, sieht der Gutgläubige nur "Arme Menschen", die aus Elend und Not flüchten, um hier bei uns menschenwürdig leben zu wollen. Wo ein nüchterner Blick viele sieht, die an solchen Wirtschaftsflüchtlingen viel Geld verdienen, von den Schlepperorganisationen angefangen als Experten für illegale Einreisen in die Länder, in denen sie ihren Kunden Milch und Honig verheißen, zahlen sie die Transportkosten bis zu den Unterkünfte Bereitstellern, die sich das vom Staate gut bezahlen lassen (vgl dazu die FAZ vom 9.8. 2015 zu dieser Thematik, wer an den Flüchtlingen verdient), sieht unser Gutgläubige nur Menschen, die alle nur das Gute wollen und das hat mit dem schlichten Streben nach mehr Geld nichts zu tun! 
Die Kirche weiß um den Menschen, weil sie seine wahre Geschichte kennt, die seines Ursprunges im Paradiese, die seines selbstverschuldeten Falles und somit kennt sie den Menschen als Gefallenen und der Erlösung Bedürftigen. Aber in ihr ist dieses Wissen um den Fall des Menschen selbst verdunkelt- zu sehr wollte man sich an das humanistische Menschenbild der Moderne anschließen- auch aus praktischen Gründen, daß nun eben Christen und Atheisten und alle Andersgläubigen- getrennt zwar im Glauben- doch vereint im Streben nach dem Guten- die Welt humanisieren  sollen. Was einst für die Kirche das Reich Gottes war, das sollte nun das Projekt der Humanisierung der Welt sein als die Aufgabe aller gut wollenden Menschen, unabhängig von ihrem Glauben. Noch die neueste Enzyklika des Papstes zum Thema: Ökologie/ Umweltschutz ist leider nicht frei von dieser Tendenz, angebend mit dem 2. Vaticanum mit "Gaudium et spes". Was der Mensch ist, das wird hier tendenziell ersetzt durch den Optativmenschen, o möge  er doch ein Wesen sein, daß sich durch seine eigene Vernunft zum Guten verpflichtet weiß!  
Aber seit dem Fall ist der Mensch nicht mehr so, wie er sein sollte und es auch mal war- vor seiner geschichtlichen Existenz. Und der in Christus erneuerte Mensch, so lehrt es uns-leider- nicht nur die Kirchengeschichte, sondern auch die Gegenwart, ist doch oft dem Alten Adam gleichförmiger als daß er ein wirklich in Christo Erneuerter wäre!  Wir Christen gleichen eher Rekonvaleszenten, die auf einem langen und mühsamen Weg der Heilung uns befinden als wirklich schon Geheilten. Darum gerade bedarf der Christ der Kirche, die für ihn die Apotheke Gottes ist, in der ihm die Arzneien zur Gesundung ausgeteilt werden in der Gestalt der Sakramente. Aber wo der Mensch von seiner tödlichen Erkrankung nichts mehr weiß,wo stattdessen gesungen wird: Du bist in Ordnung, die Welt ist in Ordnung, weil Gottes alles, so wie es ist, liebt und Ja dazu sagt, da finden auch die Christen immer seltener den Weg zur göttlichen Apotheke mit ihren Medizinen! Pointiert formuliert: wir sterben an unseren Glauben an unsere eigene Gesundheit.

Corollarium 1
Wer an das Gute im Menschen als ewige Konstante glaubt, der möge sich fragen, wie es dann erklärbar für ihn ist, daß die Geschichte der Menschheit im Großen wie im Kleinen eine solche Geschichte der Triumphe des Bösen  ist? Und wer da auf den Teufel rekurriert, der müßte sich die Frage beantworten, warum denn der Mensch so leicht zum Bösen sich verführen läßt, wohingegen ihn gute Vorbilder so wenig zum Nachahmen anspornen? Und wenn immer nur die böse Gesellschaft Schuld sein soll, daß Menschen so arg fehlen, wer denn dann die Gesellschaft, so, wie sie ist, denn hervorbringe, wenn nicht wir Menschen selber?

Corollarium 2
Zum Wesen der Säkularisierung der Religion gehört die Politisierung, daß das, was der religiöse  Mensch von Gott erwartet, er sich nun als menschliche Aufgabe stellt. Dabei wird die Grundstruktur, die des Falles vom Menschen in seine Entfremdung von sich und die Frage des Wies seiner Erlösung übernommen, nun aber als eine rein menschliche Geschichte verstanden. Wo immer vom Projekt des "neuen Menschen" gesprochen wird, selbst noch in der Idee des Übermenschen (Nietzsche), ist so Religion -auch wenn verzerrt- noch präsent. Erst wenn der Mensch nur noch zu sich, so wie er ist, Ja sagt, ist er ganz religionslos geworden in dem einfachen nur noch Affirmieren. Ist das die Grundidee des "letzten Menschen" (Nietzsche) als dem, der kein Ziel mehr kennt, auf das hin er über sich hinaus will? Ist die Postmoderne die Ägide des "letzten Menschen"?    
                

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