Ostern zeige uns eines, daß Gott uns nie verlasse. Auch seine Jünger, als sie im Boot saßen und Angst hatten, unterzugehen: Jesus war doch mit ihnen, sodaß sie sich gar nicht zu fürchten bräuchten. Nur, sie waren eben so kleingläubig! Gott verläßt uns nie. Und religionspädagogisch geschickt wird dann auch gern die Geschichte mit den Spuren in dem Sand erzählt. "Siehst Du da Deine Fußspuren im Sand? Und die daneben, das sind die von Jesu, der immer an Deiner Seite ist!" Der Einwand: "Aber da sehe ich nur noch meine Spuren- da hat ER mich doch verlassen!" wird dann so erwidert:"Du irrst Dich! Da hat Jesus Dich getragen und darum siehst Du da nur noch eine Fußspur, die von Jesu." Auch in der größten Not und dem größten Unglück gelte also, daß wir nie gottverlassen sind! Das hat etwas sehr Tröstliches und Erbauliches an sich und darum wird es so auch immer wieder gepredigt und gelehrt.
Nur, warum rief dann Jesus selbst am Kreuze hängend aus: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Irrte ER da selbst, daß er meinte, jetzt, am Kreuze sterbend, von Gott wirklich verlassen worden zu sein, aber in Wirklichkeit war gerade da Gott-Vater bei ihm, seinen Sohn und verließ ihn nicht! Als Israel 586 v. Chr. seine militärische Niederlage und die darauf erfolgende Vertreibung ins Exil erleiden mußte, da war es dann auch nicht von Gott verlassen, sondern auch da war Gott mit seinem erwählten Volke.
Offensichtlich stimmt hier etwas nicht! Implizit wird hier nämlich vorausgesetzt, daß Gott immer nur als liebender Gott mit den Seinen zusammen sein kann und daß es nun Situationen gibt, die wir nicht in Einklang bringen können mit der Vorstellung, daß Gott da mit uns ist.
Versuchen wir uns das Problem an einem Extrembeispiel zu veranschaulichen. Ein Mann, in der Wüste, er hat sich verfahren und liegt nun neben seinem defekten Jeep und verdurstet. Einen Freund hatte er bei sich auf dieser Wüstenfahrt gehabt, aber der mußte bald umkehren mit seinem Jeep wegen eines technischen Defektes. Da ist er nun allein die Tour weitergefahren. Wäre der jetzt bei ihm, der hätte Trinkwasser genug bei sich. Wäre der doch da!, und dann stirbt er, verdurstet. Verlassen von seinem Freund starb er, denn wäre er da, dann hätte er Wasser für ihn dabei gehabt.
Nun kommt die Alternativvariante. Wieder liegt unser Mann verdurstend neben seinem defekten Jeep verdurstend. Jetzt kommt aber sein Freund angefahren mit dem reparierten Jeep und ein paar Kästen Trinkwsasser. Er steigt aus und sagt zum Verdurstenden: "Ich bin bei dir. Ich bin mit dir!" Er steht bei ihm und läßt seinen Freund in der Wüste verdursten, obwohl er genug Trinkwasser bei sich hat für ihn und seinen verdurstenden Freund.
Setzen wir jetzt den Verdurstenden als den Menschen in der Not, der frägt, warum ihn Gott oder Jesus Christus so verlassen habe. Dann meint diese Frage, daß, wenn Gott da wäre, er ihn auch retten würde, nur Gott das nicht tut, weil er eben so "abwesend" ist, wie im ersten Falle der Freund, der umgekehrt ist und den jetzt Verdurstenden alleine weiterfahren ließ! Aber ist es vorstellbar, daß er so "abwesend" ist, daß er nicht helfen kann, obwohl er es wollte? Kann Gott sagen:"Wäre ich dagewesen, ich hätte dir beigestanden? Aber ich war nicht da!"
Wenn Gott nicht hilft, müssen wir uns dann Gott nicht eher so imaginieren, wie den Freund, der zu seinem verdurstenden Freund zurückgekehrt ist, mit ausreichend Trinkwasser im Jeep und der ihm trotzdem nichts zu trunken gibt- denn Gott kann immer helfen, wenn er will, aber er will nicht helfen!
Gott war nicht da, Gott hat mich verlassen, bedeutet dann, daß Gott uns in einer Notsituation nicht hilft, obwohl er uns helfen könnte. Gott ist da, aber nicht, so wie wir es uns wünschen als der uns helfende und beistehende Gott. Wie ist Gott dann da für uns? Ein Blick auf das Ereignis 586 v Chr. gibt uns eine klare Antwort. Israel erleidet Gott als den ihn, sein Volk gerecht strafenden Gott. Dort wo Gott gerecht straft, da hat der betroffende Mensch nicht mit dem ihm gnädigen Gott zu tun, sondern mit dem Zorn Gottes, den er als strafenden erleidet. Gott ist da nur als der gnädige Gott abwesend, weil er ganz als der zornige anwesend ist. Es kann keine Abwesenheit Gottes geben, aber er kann mit uns sein als der gnädige Gott und wider uns sein als der zürnende Gott. Nur, auch als wider uns gerichteter Gott ist er der uns nahe Gott.
Wenn Jesus Christus ausrief, daß sein göttlicher Vater ihn verlassen habe, dann besagt dies, daß Jesus am Kreuze sterbend, ganz den gerechten Zorn seines göttlichen Vaters am Kreuze erlitt. Ostern ist dann die neue gnädige Zuwendung Gottes zu seinem Sohn- er sagt wieder Ja! zu ihm und das ist seine Auferweckung durch den Vater. Das Nein! wird nach drei Tagen zu Gottes Ja! zu Jesus Christus.
Wenn Jesus schon seinen gnädigen Gott verlieren konnte und er von Karfreitag bis Ostern unter dem Zorne Gottes stand, und er so die Abwesenheit des lebenden Gottes erlitt, weil er die Anwesenheit des zornigen erlitt, dann kann das auch jedem anderen Christen so widerfahren. Es ist eben keine Selbstverständlichkeit, daß Gott uns Menschen immer nur ein gnädig liebend zugewandter Gott ist. Das ist Gnade.
Das moderne Gerede von Gott, daß er uns immer nur uns liebend begleitet, verdunkelt diese Wahrheit vollkommen. Und sie setzt ein extremes Folgeproblem aus sich heraus. Denn jetzt müßten wir urteilen, daß Gott als ein liebender Freund auch dann gegenwärtig ist, wenn er seinen Freund verdursten läßt, obgleich er ihm leicht helfen könnte mit dem Trinkwasser- um in dem Extrembeispiel zu bleiben. Gott wird so zu einem Bloßdabeigott reduziert, der nichts anderes kann als im Leiden der Menschen mitdabei zu sein und der sie dann eben leiden und sterben läßt. Nur, was soll das dann für eine Liebe Gottes sein, die darauf beschränkt ist, zu sagen, daß sie da ist, wenn Menschen leiden, die aber nichts tuen kann für sie? Aus dem allmächtigen Gott wird so ein impotenter Mitdabeisein-Gott. Nur ein solcher Gott ist keiner mehr für eine lebendige Religion! Hier gilt dann wirklich Nietzsches Votum, daß wir Gott getötet haben, indem er uns nur noch zu einem impotenten Dabeisein-Gott reduzierter Gott ist.
Dabei klingt die moderne Phrase vom Gott, der immer mit uns und bei uns ist, und der uns nie verläßt, doch so schön und darum wird sie eben auch gern gehört. Nur, leider ist sie nicht wahr, weil sie den Zorn Gottes als göttliche Möglichkeit eskamotiert und weil sie Folgeprobleme aus sich heraussetzt, die letztendlich Gott zu einem toten Gott machen, daß Gott eben nur noch ein Dabeisein Gott ist.
Die Phrase vom immer uns nur liebenden immer nur bei und mit uns seienden Gott macht dann aber noch etwas: sie macht die Religion überflüssig. Denn wenn Gott sich immer nur uns liebend verhält, wozu beten wir dann noch: Gott erbarme dich? Wozu beten wir dann überhaupt und bringen Gott Opfer dar?
Corollarium 1
Diese Phrase, daß Gott immer bei uns sei, ist auch ein Produkt der Domestikation der christlichen Religion. Angesichts des innerchristlichen Religionskrieges des 17. Jahrhundertes frug man: wenn es wahr ist, daß Gott es nicht gleichgültig ist, welcher christlichen Konfession man angehöre, weil nur die wahre die Gott wohlgefällige ist und somit auch Gott nur bei denen ist, die die Glieder der wahren Konfession sind, wie kann dann ein friedliches Miteinander der Konfessionen möglich sein? Und die Aufklärung antwortete in in ihrer gemäßigten Variante (dazu zählt Kant), daß alle Lehrunterschiede zwischen den christlichen Konfessionen (und zu allen anderen Religionen) für Gott als gleichgültig erklärt wurden, sodaß Gott mit jedem Christen ist, egal welcher Konfession er angehört, glaubt er nur an Gott und bemüht sich, anständig zu leben. (Die radikale Variante, die französische Aufklärung wollte dagegen die christliche Religion um des innerweltlichen Friedens ganz abschaffen). Daß Gott immer bei uns sei, ist so eine der Folgerungen des Versuches der Domestikation der Religion, indem nun damit gesagt wird, daß Gott unabhängig von unserem persönlichen Glauben, nur weil er die Liebe zu allen Menschen ist, bei und für alle ist.
Corollarium 1
Diese Phrase, daß Gott immer bei uns sei, ist auch ein Produkt der Domestikation der christlichen Religion. Angesichts des innerchristlichen Religionskrieges des 17. Jahrhundertes frug man: wenn es wahr ist, daß Gott es nicht gleichgültig ist, welcher christlichen Konfession man angehöre, weil nur die wahre die Gott wohlgefällige ist und somit auch Gott nur bei denen ist, die die Glieder der wahren Konfession sind, wie kann dann ein friedliches Miteinander der Konfessionen möglich sein? Und die Aufklärung antwortete in in ihrer gemäßigten Variante (dazu zählt Kant), daß alle Lehrunterschiede zwischen den christlichen Konfessionen (und zu allen anderen Religionen) für Gott als gleichgültig erklärt wurden, sodaß Gott mit jedem Christen ist, egal welcher Konfession er angehört, glaubt er nur an Gott und bemüht sich, anständig zu leben. (Die radikale Variante, die französische Aufklärung wollte dagegen die christliche Religion um des innerweltlichen Friedens ganz abschaffen). Daß Gott immer bei uns sei, ist so eine der Folgerungen des Versuches der Domestikation der Religion, indem nun damit gesagt wird, daß Gott unabhängig von unserem persönlichen Glauben, nur weil er die Liebe zu allen Menschen ist, bei und für alle ist.
Wieso hatte denn Jesus den Zorn Gottes "verdient"? Wieso haben denn unzählige Menschen, die unerträgliche Schmerzen, schreckliche Krankheiten etc. erleiden müssen, den Zorn Gottes verdient? Und warum müssen denn andere, die es verdient hätten, diesen Zorn Gottes zumindest hier auf Erden nicht erfahren?
AntwortenLöschenEine Antwort, Herr Lay, hätte ich eigentlich schon erwartet. Oder sind Ihnen Fragen auf Ihrem blog gar nicht genehm?
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