Samstag, 10. Juli 2021

Christentum ohne Priestertum- eine abstruse und doch vielgeliebte Vorstellung



Kein Narrativ erfreut sich so großer Beliebtheit wie die Vorstellung, daß es im Urchristentum keine Priester gegeben hätte, daß Jesus so eine priesterlose Religion gestiftet hätte und daß erst später das Priestertum wie ein Fremdkörper in das Christentum eingedrungen sei. Demzufolge feierte Jesu sein „letztes Abendmahl“ als vielleicht ein Art von heiligem Essen, aber mit einer Opferkulthandlung hätte das nichts gemein. So setzte Jesus auch Gründonnerstag die 12 Apostel nicht als Priester ein, wie es die Katholische Kirche lehrt. Luther wollte dann den Urzustand wiederherstellen, aber leider folgte ihm die Katholische Kirche damals nicht, aber zumindest gilt in den nachkonziliaren Zeiten der Begriff des Meßopfers als Unwort im Raum der Kirche. Jesus habe keine Priester gewollt, so erklärte dann auch eine Gründerin von Maria 2.0. Hier befindet sich das linksliberale Reformlager der Kirche nun in einem Dilemma, da einerseits die Abschaffung des Priestertumes zu fordern wäre, andererseits aber Feministin das Frauenpriestertum wollen.

Schwer zu beurteilen ist nun, was zuerst war:

die liberale Gottesvorstellung, daß Gott als Gott keinen Opferkult wollen kann, das Alte Testament dokumentiere dann eben nur eine primitive Gottesvorstellung , die Jesus dann überwunden habe, auch wenn dann Paulus und der Hebräerbrief mit ihrer Kreuzestheologie, Jesus Tod wäre ein Sühnopfer gewesen, so primitive Vorstellungen wieder eingepflanzt hätten-

oder hat man aus der Abneigung jeglichen Opferkultes gegenüber ein Gottesverständnis konstruiert, das einen Opferkult nicht zuläßt?



Aber Einigkeit besteht unter liberalen Bibelforschern: Das Urchristentum war eine kultfreie Religion. Im Hebräerbrief lesen wir aber:

Wir haben einen Altar, von dem die nicht essen dürfen, die dem Zelt dienen.“ (Hebr 13,10). Ausgeschlossen werden hier die Juden von diesem Essen vom Altar. Offenkundig ist damit die Eucharistiefeier gemeint.Wenn es sich aber nur um eine religiöse Mahlfeier gehandelt hätte, warum wird dann hier von einem „Altar“ geschrieben. Ein Mahltisch ist kein Altar! Zudem: Kann es einen Altar geben, ohne daß an ihm Priester ihren priesterlichen Dienst versehen? Auszuschließen ist sicher die Vorstellung, Christen hätten anfänglich heidnische Tempel übernommen, um in solchen Sakralräumen dann christliche Gottesdienste zu feiern, wobei sie dann die Altäre stehen gelassen hätten. Nein, der Hebräerbrief dokumentiert, daß es in urchristlichen Gemeinden Altäre gab, daß sie gar im Zentrum des Gottesdienstlebens standen, da es Regeln gab, wer vom Altar essen durfte und wer nicht. Gottesdienstversammlungen, in denen das Evangelium verkündigt wurden, waren nämlich sicherlich für jeden zugängliche Veranstaltungen, aber die Teilhabe an der Eucharistie war nur den Christgläubigen vorbehalten. Diese innere Hierarchisierung, das eine für alle und das andere nur für die Gläubigen spricht dafür, daß das, wovon Menschen ausgeschlossen werden als gewichtiger als das allen Zugängliche angesehen wurde. Es gab so eine Altarfeier und das wird ein Opferkult gewesen sein, der das Wirken von Priestern voraussetzt und daß dann den Gläubigen Anteil gegeben wurde am Opferfleisch durch das Essen der Opfergabe. Dann stünde diese Altarfeier in einer beachtlichen Kontinuität mit dem Tempelkult des Alten Bundes und wäre doch auch etwas anderes, weil nun nicht mehr Tiere Gott blutig geopfert werden.

Sollte nun aber gemäß diesem Narrativ ein Priestertum im Urchristentum bestritten werden, dann dürfte im Hebräerbrief nicht von einem Altar als Zentrum des Gemeindelebens geschrieben werden.

Nun soll aber doch Jesus ein strikter Gegner solch einer primitiven Gottesverehrung gewesen sein! Aber warum lehrt er dann in seiner Bergpredigt: „Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst, und dir einfällt, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar liegen, geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe.“ Mt 5,23f. Wie muß der, der Gott ein Opfer darbringt, beschaffen sein, damit das von ihm dargebrachte Opfer ein Gott wohlgefälliges sein kann? Diese Frage respondiert hier Jesus. Wäre Jesus ein Gegner jeglichen Opferkultes gewesen, hätte er nie so lehren können. Im Zentrum steht ja nicht das Gebot zur Versöhnung, sondern die Frage: Wie bringt man Gott ein ihm wohlgefälliges Opfer dar? Interessant ist, wie hier Jesus eine Frage aus dem Raum der Reinheitsvorstellung, das Reinsein als Bedingung für die Kultfähigkeit mit dem ethischen Diskurs der Verpflichtung zur Versöhnung verbindet: Eine sittliche Qualität, versöhnt zu sein, nicht im Unfrieden zu sein, wird so zu einer Voraussetzung zur Kultfähigkeit, Gott ihm gemäße Opfer darzubringen!

Konnte aber diese Aussage für den Evangelisten Matthäus und die Leserschaft seines Evangeliums noch eine Bedeutung haben, wenn dies Evangelium erst nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels verfaßt worden ist? Nur im Tempel konnten ja Gott wohlgefällige Opfer dargebracht werden! Auch können damit nicht Gebete gemeint sein als spiritualisierte Opfer, denn Gebete können nicht niedergelegt und später wieder aufgeopfert werden. Entweder hat diese Aussage für den Evangelisten und seine Leser dann keine Bedeutung mehr oder aber es muß eine Opferpraxis nach der Zerstörung des Tempels gegeben haben, sodaß es sinnvoll war, so zu mahnen: Opfere erst, nachdem du dich so mit anderen versöhnt hast. Da es aber schwer vorstellbar ist, daß der Evangelist etwas für die jetzige Gemeinde nicht mehr Sinnvolles schreibt: Wie hast du zu opfern?, liegt es näher hier im Kontext dieses Evangeliums eine Anweisung für die Praxis der Eucharistie zu sehen: Wenn ein Christ seinen Beitrag zur Opferfeier der Eucharistie leisten will, dann soll er so verfahren, damit Gott sein Opfer wohlgefällig annimmt.

Wer hier nun eine ausgefeilte Theologie des Opfers vermißt in diesem Evangelium, dem ist zu antworten, daß die religiöse Praxis des Opferns Juden wie auch den Heiden so vertraut war, daß es keine besondere Belehrung darüber bedurfte- das gehörte eben zu den Elementarkenntnissen jedes religiös Sozialisierten. Die christliche Religion hat dann ganz einfach von Anfang an an dieser religiösen Allgemeinpraxis partizipiert, weil es eine Religion war. Erst Luther kam auf die befremdliche Idee, daß es ein religiöses Leben ohne eine kultische Opferpraxis geben könnte.



 

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