Samstag, 31. Juli 2021

Zum Untergang des christlichen Abendlandes- wer ging unter?



Jürgen Schwab bekundet in seinem sehr bedenkenswerten Buch: „Zukunft Deutsch. Möglichkeiten nationaler Politik im 21.Jahrhundert“,(2021) daß Oswald Spenglers These vom Untergang des Abendlandes sich nun zu bestätigen scheint; er frägt so, was dann danach als mögliche neue Ordnung vorstellbar und wünschbar sei. Dabei will er unter dem „Abendland“ das geographische West- und Mittel(ost)euroopa, das Abendland sei so „in etwa deckungsgleich mit dem katholisch und protestantisch geprägten Gebieten Europas:“ (S.13, Fußnote 24). Rußland, aber auch Serbien und das orthodoxe Rumänien gehörten so nicht zum Abendland. Wenn dann Griechenland und Rom als die geistigen Wiegen diese Abendlandes bezeichnet werden (S.13), wird die 3.Säule, das Christentum vergessen.

Aber was rechtfertigt den Ausschluß Rußlands und dann aller durch orthodoxe Christentumsverständnisse geprägter Länder aus dem Abendland? Der europäische Katholizismus stand doch zumindest bis zum 2.Vaticanum dem Orthodoxen Christentum viel näher als dem Protestantismus! Zudem, die napoleonischen Kriege und die antinapoleonischen Freiheitskriege waren Kriege innerhalb des christliche geprägten Abendlandes, wenn auch angefragt werden darf, ob nicht in der „Französischen Revolution“ sich schon das Ende des Abendlandes ankündigte.

Es soll nun der Blick auf zwei politische Ereignisse geworfen werden, die Heilige Allianz 1815 und das Dreikaiserabkommen 1873, denn da zeigt sich, wie selbstverständlich Rußland ein integraler Bestandtteil des Abendlandes war. Wikipedia faßt das Wesentliche der Heiligen Allianz so zusammen:

Bereits im Jahre 1814 bat Robert Stewart um regelmäßige Treffen der Pentarchiemächte, was zusammen mit der Anregung des Zaren Alexanders I., der bereits 1804 erste Vorstöße in London unternommen hatte, zur Gründung der Heiligen Allianz führte. Alexander I. war es auch, der den Vertrag entwarf. Das Bündnis kam zustande, obwohl alle drei Monarchen unterschiedlichen christlichen Konfessionen angehörten: Der russische Zar war orthodox, Kaiser Franz I. von Österreich römisch-katholisch und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen evangelisch. Ihr traten nach und nach fast alle europäischen Monarchen bei“.

Es bedarf keiner großen politischen Analyse, um den antirevolutionären Charakter dieser Allianz zu erfassen- so reagierten die christlichen Monarchen auf die Erfahrung der „Französischen Revolution“ und des Versuches, die Errungenschaften dieser Revolution per napoleonischen Kriege europaweit auszudehnen. Hier zeigt sich auch, daß ohne die Differenzen zwischen den 3 verschiedenen Christentums-verständnissen zu verwischen, eine politische Cooperation möglich war. Wie sehr diese Allianz in der christlichen Religion fundiert war, zeigt diese Quelle (zitiert nach Wikipedia):

Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit! Ihre Majestäten, der Kaiser von Österreich, der König von Preußen und der Zar von Russland haben infolge der großen Ereignisse, die Europa in den letzten drei Jahren erfüllt haben, und besonders der Wohltaten, die die göttliche Vorsehung über die Staaten ausgegossen hat, deren Regierungen ihr Vertrauen und ihre Hoffnungen auf sie allein gesetzt haben, die innere Überzeugung gewonnen, dass es notwendig ist, ihre gegenseitigen Beziehungen auf die erhabenen Wahrheiten zu begründen, die die unvergängliche Religion des göttlichen Erlösers lehrt. Sie erklären daher feierlich, dass die gegenwärtige Vereinbarung lediglich den Zweck hat, vor aller Welt ihren unerschütterlichen Entschluss zu bekunden, als die Richtschnur ihres Verhaltens in der inneren Verwaltung ihrer Staaten sowohl als durch in den politischen Beziehungen zu jeder anderen Regierung alleine die Gebote der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens, die, weit entfernt, nur auf das Privatleben anwendbar zu sein, erst recht die Entschließung der Fürsten direkt beeinflussen und alle ihre Schritte lenken sollen, damit sie so den menschlichen Einrichtungen Dauer verleihen und ihren Unvollkommenheiten abhelfen.“

Diese Heilige Allianz nicht als zum christlichen Abendland zu rechnen stellt eine Unmöglichkeit dar.

Das Dreikaiserabkommen 1873 steht ebenso in dieser Tradition. Wikipedia schreibt dazu: „Das Dreikaiserabkommen war ein Konsultativpakt zwischen den drei Monarchien Russland, Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich. Es wurde am 22. Oktober 1873 im Schloss Schönbrunn in Wien von Kaiser Wilhelm I., Kaiser Franz Joseph I. und Kaiser Alexander II. unterzeichnet. Das Drei-Kaiser-Abkommen ging auf eine am 6. Juni 1873 zwischen dem russischen und dem österreichischen Kaiser unterzeichnete Militärkonvention (Schönbrunner Konvention) zurück, der Wilhelm I. am 22. Oktober 1873 beitrat.“

Es ist nun abschließend zu fragen, welchen Sinn es haben kann, Rußland oder gar alle sonstig orthodox geprägten Länder aus dem Abendland auszuschließen. Denn eines muß bedacht werden: Wer über eine Neuordnung Europas nachdenkt, muß Rechenschaft darüber abgeben, warum mit welchem Recht eine der wichtigsten Länder Europas dabei dann ausgeschlossen werden sollten. Bedenkt man dann noch, daß im Gegensatz zur Lage des Christentumes in Westeuropa in Rußland das Orthodoxe Christentum wieder erstarkt, wäre eine solche Ausgrenzung aus christlicher, gar aus katholischer Sicht ganz und gar nicht zu begrüßen. Das christliche Abendland ist wohl mit dem Ende des 1.Weltkrieges als zugrunde gegangen anzusehen, auch wenn die Reformation, die innerchristlichen Religionskriege und die Französische Revolution schon das Abendland zerrütteten, aber erst die Zerstörung der drei großen christlichen Monarchien Östereich-Ungarns, Deutschlands und Rußlands markieren das endgültige Ende. Es begann die Epoche der Weltanschauungskämpfe, welche Ideologie nach der Verprivatisierung des Christentumes die Stelle des Christentumes als der öffentlichen Religion einnehmen würde. Das Ende dieser Epoche der Weltanschauungskämpfe verleitete ja sogar dazu, nach dem Endsieg des Liberalismus in seinen mannigfaltigen Erscheinungen 1989f von dem Ende der Geschichte zu sprechen.


 

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