Montag, 12. Juli 2021

Gott nichts mehr zutrauen- die Krise der Kirche heute


Pater K. Wallner ( Missio Österreich) kann nicht widersprochen werden, wenn er urteilt, daß heutzutage Gott (fast) nichts mehr zugetraut wird. Gott habe nur unsere Hände, um durch sie wirken zu können, lautet dann die Parole, wobei dann faktisch Gott reduziert wird zum Motivationsgrund unseres rein menschlichen Wollens und Wirkens.

Das Buch: „Hilft mir Gott?,Herausgeberin G.Wozniak (2021)widerspricht nun dem, indem es von Fälle der Gebetserhörung in unseren Zeiten berichtet, von Gebeten, die in den Zeiten der Coronaepidemie an Missio Österreich geschickt und die dann erhört wurden. Gott wirkt, nicht nur zu Zeiten Jesu sondern auch jetzt mitten unter uns.

In dem Buch wird aber auch die kritische Anfrage erörtert, ob denn Gott wirklich alle Gebete erhöre. In dieser Anfrage ist impliziete die Frage, wenn Gott nur einige Gebete erhört, andere nicht,mitgesetzt ob dann vielleicht der Glaube, Gott habe bestimmte Gebete erhört, eine subjektive Täuschung sei.

Es sei daran erinnert, daß die historische Kritik Jesu alle von ihm berichteten Wunder ablehnt, weil er als Mensch keine Wunder hätte wirken können und auch wird abgelehnt, daß Gott auf die Bitte Jesu hin, Wunder gewirkt habe- alle Wunderberichte seien nachösterliche Phantasieprodukte der Urgemeinde. Daß Heilige Wunder gewirkt hätten, wird ja wie selbstverständlich als legendarisch von der heutigen Kirchengeschichtsschreibung verurteilt: Mann wüsse wenig über diesen Heilgen, nur „Legendarisches“, das sage viel über die Wundergläubigkeit der damaligen Zeiten aus, aber nichts über den wirklichen Menschen, der posthum zu einem Heiligen stilisiert worden ist, wozu auch die Ausschmückung seiner Vita mit Wundergeschichten gehört.

Also in einer von allen wunderbaren Gebetserhörungen entzauberten Welt, in der der christliche Glaube nur noch eine Motivationsverstärkung für die zu praktizierende Humanität sein soll, wirkt dies Buch: „Hilft mir Gott?“ wie ein erratischer Fremdkörper, berichtet er doch von etwas, das es eigentlich nicht bzw nie hätte geben dürfen, daß Gott unsere Gebete erhört.

Von diesen Gebetserhörungen werde ich jetzt nicht schreiben, hier empfehle ich das aufmerksame Lesen dieses so wunderbaren Buches, es soll sich auf die kurze Erörterung der Frage: „Erhört Gott Gebete?, in diesem Buch konzentriert werden. Pater K. Wallner nimmt dazu klar Stellung, indem er schreibt:

1.Frage: Erhört Gott unsere Gebete immer? Ja!

Frage: Erhört Gott unsere Gebete immer, wie wir es wollen? Nein!

Frage: Wie erhört Gott unsere Gebete? Immer so wie es für unser

Heil am besten ist!“ (S.19)

Drei Anstöße legten dem zu Grunde: „Gott existiert“ (S.13), „Gott wirkt“ (S.13-16) „Christus hält Wort“ (S.16-19).

Eine fatale Kaprizierung auf den Fiduzialglauben führt dazu, das Für-wahr-Halten, daß Gott ist, als Nebensächliches abzuwerten. Das setzt fatalste Folgen aus sich heraus, denn wie könnte noch auf ein heilsames Wirken Gottes vertraut werden, wenn die unbedingte Voraussetzung der Möglichkeit eines solchen Vertrauensglaubens aufgelöst wird, der Glaube, daß Gott ist. Das inflationäre Gerede von „Gottesbildern“, von uns Menschen gemachten, das dann hier kritisiert wird, trifft aber den Kern des Problemes nicht recht. Die Rede von den „Bildern Gottes“ soll ja nicht das Sein Gottes in Frage stellen im Geiste eines simplen Atheismus, sondern die Verbindlichkeit jeder Gottesvorstellung in Frage stellen, indem die Differenz aufgemacht wird von dem, wie Gott objektiv wirklich sei und den Bildern, die hl. Texte und wir Menschen uns von ihm machen. Das Ziel dieser Differenzbetonung soll dem „interreligiösen Dialog“ dienen, indem nun alle Gottesvorstellungen der diversen Religionen als Bilder der einen Wahrheit zu stehen kommen, dem Gott an sich, dem die Menschen sich nur durch Bildvorstellungen annähern könnten. Ob aber die Gottesbilder der Religionen wirklich Annäherungen an den Gott, so wie er an sich ist, sind, könnte genau genommen nur ausgesagt werden, gäbe es eine unmittelbare Gotteserkenntnis, mit der verglichen sich die Gottesbilder der Religionen als Annäherungen erwiesen werden könnten. Da es aber keine solche unmittelbare Gotteserkenntnis gibt, sondern nur durch die menschliche Subjektivität vermittelte, kann es nur Gottesbilder geben, von denen nicht mehr aussagbar sei, ob sie wirklich wahr sind. Dies Manko soll nun aber die Stärke der Rede von den „Gottesbildern“ sein, denn nun wird das Problem der Wahrheitserkenntnis versubjektiviert und verästhetisiert: Für mich ist das Gottesbild wahr, das mir am meisten zusagt, gefällt. Für eine marktwirtschaftlich orientierte Kirche ist das deshalb die ideale Gotteslehre, daß es nur Gottesbilder gibt, sodaß jeder sich das ihm gefällige aussuchen könne.

In dem Passus: „Gott wirkt“ fehlt nun leider eine Ausein-andersetzung mit dem Theodizeeproblem. Denn erst im Lichte dieses Problemes: Wie kann es Leid und Böses in der Welt geben, wenn ein allmächtiger und gütiger Gott sie regiert?, kann verstanden werden, warum von einem nichtwirkenden Gott gesprochen wird. Wird Gott als Nichtwirkender gedacht, kann die Frage, warum leiden in unserer Welt unschuldige Kinder (Dostojewski, Die Brüder Karamassow) so beantwortet werden: Weil Gott nie wirke, könne er auch dies Leiden nicht verhindern. Nur evoziert dies den Einspruch, daß ein Gott, von dem ausgesagt würde, er könne nicht wirken, nicht als Gott gedacht würde. Diese Theodizeekonzeption muß dann Gründe aufweisen, warum Gott, der prinzipiell als Wirkmächtiger zu denken ist, nicht wirken will, daß also sein Nichtwirken kein Nichtwirkenkönnen sondern ein Nichtwirkenwollen ist. Damit verschiebt sich dann die Theodizeefrage zu der, warum Gott nicht wirken will, obzwar er es könnte. Es muß aber konstatiert werden, daß, wenn Gott deistisch als nicht wirken wollender gedacht wird, er nicht mehr als Gott gedacht wird. Gott ist nur Gott, wenn er als Allmächtiger gedacht wird, der als solcher auch in die Menschheitsgeschichte hineinwirkender zu denken ist.

So sollte nicht einfach auf das Zeugnis der Bibel rekurriert werden, hier würde doch erzählt, daß Gott wirke, sondern prinzipieller argumentiert werden: Nur wenn Gott als in die Geschichte hinein wirken Könnender und Wirkender gedacht wird, wird er als Gott gedacht und darum bezeugt die Bibel Gottes Wirken in der Geschichte, weil sonst wäre sie kein wahres Buch über Gott. Damit stehen wir wieder vor dem Theodizeeproblem, das gelöst werden muß, soll noch vernünftig von Gott und von seinem Wirken gedacht werden können. (Vgl dazu mein Buch: „Die Übel und der gute Gott. Theodizee)

Nun zu den 3 Fragen und Antworten zur Erhörung unserer Gebete. (S.19). Das Problem dieser Beantwortung ist offenkundig. Es wird nämlich präsumiert, daß Gott immer das Heil dessen will, der betet oder für den gebetet wird. Nun kann der Beter eine Vorstellung haben von dem, was für ihn oder für den, zu Gunsten er betet, das Gute und Heilsame ist, aber Gott erkennt besser als der so Betende das Heilsame und Gute und wirkt das dann. So würde Gott auch unabhängig von dem Gebet das Heilsame und Gute für den Beter bzw für den, zu dessen Gunsten gebetet wird, immer schon wollen und auch wirken, sodaß sich die Frage aufdrängt, wozu dann überhaupt noch gebetet wird, wenn Gott sowieso immer nur das Gute für jeden Menschen will und wirkt.

Schauen wir einmal auf den großen Beter Mose (2.Mose 32, 1-14)Gott sagt zu Mose erzürnt über ihren Abfall von ihm als sie das „Goldene Kalb“ statt ihn verehrten: „Ich habe dies Volk durchschaut: Ein störrisches Volk ist es. Jetzt laß mich, damit mein Zorn gegen sie entbrennt und sie verzehrt.“ (9f) Gott will sein eigenes von ihm erwähltes Volk vernichten ob ihrer Sünde. Mose stellt sich nun Gott entgegen, er betet für das jüdische Volk und Gott erhört Mose Gebet, er verschont sein Volk. Hier erlebt der Leser eine wirkliche Gebetserhörung. „Da ließ sich der Herr das Böse reuen, das er seinem Volke angedroht hatte.“ (V14)Dieses Verb: „reute es“ bereitet dem theologischen Denken nun die größten Probleme, dem Bibelleser keine, denn die Geschichte ist in sich klar: Gottes Zorn über sein Volk, Mose „besänftigt“ (V11) Gott, er wendet sich ab von seinem ursprünglichen Vorhaben, das sündige Volk mit dem Tode zu bestrafen.

Eindeutig ist hier, daß es Gottes Gnade war, diese Fürbitte Mose zu erhören, er mußte das nicht, denn als der Gerechte hätte er auch sein Zornesgericht an seinem Volke vollziehen können. (Als Katholiken glauben wir nun, daß wie einst Mose für sein Volk eintrat so jetzt für uns die Gottesmutter eintritt, wenn Gottes Zorn über uns entbrannt ist ob unserer Sünden!) Deutlich wird hier, daß Gott nicht ob seines Gottseins unsere Gebete zu erhören hat, er kann sie auch verwerfen, weil er uns ob unseres Sündigens zürnt.

Ausführlicher in meinem Buch: „Der zensierte Gott“.

Im 2.Makkabäerbuch 12,32-45 zeigt uns die hl. Schrift die Kraft des Sühnopfers, des Meßopfers auf. Jüdische Krieger hatten aus der Furcht, in der folgenden Schlacht zu fallen, sich Amulette zum Schutz angelegt. Gott zürnte ihnen und so wurden all diese in der Schlacht getötet. Die frommen Makkabäer priesen darauf die Gerechtigkeit Gottes, dann aber dachten sie an die Auferstehung der Toten. Die so von Gott Getöteten können keinen Anteil an dieser Auferstehung bekommen ob ihrer Sünde. Was taten sie? Sie beauftragten die Jerusalemer Priester, für ihre gefallenen Kameraden ein Sühnopfer darzubringen, damit Gott ihnen verzeihe und so auch sie zum ewigen Leben erwecke. Gott, so sagt uns diese Erzählung, erhörte dies Sühnopfer- die Antizipation des kirchlichen Meßopfers.

Diese Erhörung ist ebenso nicht mit dem Schema Pater Wallners erklärbar. Gott will nicht einfach immer für jeden das Gute, aber er kann darum gebeten werden und er kann dann dies Gebet erhören. Zu einer magischen Praxis würde das Gebet und das Meßopfer, wenn Gott sozusagen verpflichtet wäre, jedes Gebet zu erhören. Es ist aber reine Gnade, wenn Gott unsere Gebete erhört.

Aber hat Pater Wallner nicht recht, wenn er schreibt, daß Gott all unsere Gebete erhören will aber so wie es unserem Heile dient? Das ist eine schwer zu respondierende Frage.

Stellen wir uns dazu einmal diese Situation vor: Ein Ehemann sagt zu seiner Frau: „Dich liebe ich!“ Dann fügt er hinzu: „Deine Schwester auch und unsere nette Nachbarn auch!“ Schlüge daraufhin seine Ehefrau dem Mann den nächst gelegenen Gegenstand um die Ohren, wäre das zwar unchristlich aber doch sehr verständlich. Die Aussage: „Ich liebe Dich“ wird zur Unwahrheit durch die Zweitaussage: „Deine Schwester liebe ich auch!“ Verhält es sich nicht ähnlich mit dem Begriff des Erhörens? Wird das Erhören nicht auch zu einer Unwahrheit, wenn die erste Aussage:“ Dein Gebet erhöre ich!, ergänzt wird durch die zweite: „Alle Gebete erhöre ich“? Das Erhören wäre also nur dann ein Erhören, wenn es nicht als ein prinzipielles gedacht wird, sondern als ein gnadenhaftes. Wenn Gott aber immer gnadenhaft handelte, dann wäre das kein gnadenhaftes sondern sein natürliches Verhalten. Das hieße: Nur weil Gebete auch nicht erhört werden können, kann Gott Gebete auch erhören.

Gerade der von Gott selbst erwählte König Saul mußte die bittere Erfahrung machen: „Als Saul das Lager der Philister sah, bekam er große Angst und sein Herz begann zu zittern. Da befragte Saul den Herrn,aber der Herr gab ihm keine Antwort,weder durch Träume,noch durch das Losorakel, noch durch die Propheten.“ (1.Samuel, 28.5f) Gott zürnte ihm ob seiner Sünden, er hatte ihn verworfen und sprach so nicht mehr mit ihm wie vormals. Diese Nichterhörung reichte Saul aber nicht zum Guten, denn sie trieb ihn zur Totenbeschwörerin, die ihm dann sein bitteres Schicksal offenbarte durch die Beschwörung des Totengeistes des Propheten Samuel. Abstrakter formuliert: Nur wenn es auch die Nichterhörung von Gebeten gibt, gibt es eine Erhörung von Gebeten. Wenn alle Gebete erhört werden, muß es nichterhörte geben. Das ist wohl vergleichbar mit der Aussage, daß ich weiß, daß ich nichts weiß. Damit all mein Wissen ein Nichtwissen ist, muß es ein Wissen geben, daß alles Wissen als Nichtwissen weiß!

Konkreter: Gott will zwar das Heil aller, er kann aber auch Menschen ob ihrer Sünden reprobieren und so sie vom Heil ausschließen. Dann will er deren Heil nicht mehr. Es kann aber für diese gebetet werden, ein Meßopfer dargebracht werden und dann kann Gott Reprobierte wieder gnädig aufnehmen, nur das muß er nicht, denn das ist reine Gnade. Denkt man aber Gott als prinzipiell gnädig, dann destruiert das Gottes Gnade wie der Zusatz: „Deine Schwester liebe ich auch!“, die eheliche Liebe destruiert.


Das Hauptproblem der in diesem Buch gegebenen Antwort auf die Frage der Erhörung unserer Gebete ist so:

Wird Gott, weil er das Heil aller will, nicht auch unabhängig von unseren Gebeten dann stets so wirken,daß uns alles zum Guten, zum Heil dienen wird, sodaß unser Gebet überflüssig ist. Er erhört es ja nur insoweit es uns zum Heile dient.

Trotz dieser kleinen theologischen Kritik: Dies Buch ist ein wunderbares Buch, wärmstens zum Lesen empfohlen!


 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen