Mittwoch, 12. Juni 2024

"Anerkennen, dass es sich auch ohne Gott gut leben lässt" Oder die Kapitulation vor der Gegenwart als etwas Unveränderlichem

 

"Anerkennen, dass es sich auch ohne Gott gut leben lässt" Oder die Kapitulation vor der Gegenwart als etwas Unveränderlichem


Nun müßte natürlich nachgefragt werden, was denn in dieser Aussage unter gut leben verstanden wird und wer beurteilt, ob ein Leben ein gutes sei, ob das ein rein subjektives oder ein objektives Urteil ist. Klar ist nun, daß diese Aussage in dem Kath de Artikel: „Situation wie Reformation – Nostalgie sei fehl am Platz. Theologe Tiefensee: Kirche muss radikal umdenken.“ geschrieben steht und das könnte dazu verleiten, dies so zu interpretieren: Gut lebt, wer politisch korrekt lebt und das kann jeder Atheist genauso gut wie ein Christ. Nur, dieser Text gibt keinen Anlaß für eine solche Ausdeutung.

Lebt jeder gut, wenn er sein Leben als gut beurteilt? Wäre das wahr, wäre die Vorstellung von dem guten Leben völlig befreit von der Vorstellung, daß das gute Leben ein moralisches wäre. Ein erfolgreicher Mafiosi könnte also sein Leben als ein gutes beurteilen, weil er mit ihm zufrieden ist: „Alles, was ich möchte, kann ich mir leisten!“ Aber von einem moralischen Standpunkt aus beurteilt,kann dies Leben nicht als ein gutes qualifiziert werden. Jetzt könnte die Aussage so präzisiert werden, daß eben ein Leben nur als ein gutes beurteilt werden könne, wenn es nicht prinzipiell unmoralisch ist, aber moralisch könnten Atheisten genauso gut leben wie an einen Gott Glaubenden.

Wie nun,wenn man das Gutsein des Lebens verbindet mit der Vorstellung von einem sinnvollen Leben, daß mein Leben von mir als ein sinnvolles erachtet wird, macht es mir zu einem guten. Zwei divergierende Sinnverständnisse können dabei appliziert werden: Der Sinn des Lebens als eine objektive Qualität des Lebens wird erkannt oder es wird dem Leben, das an sich ohne einen Sinn ist, ein Sinn gegeben. Im zweiten Falle ist die Nichtsinnhaftigkeit der Ermöglichungsgrund dafür, daß ihm subjektiv ein Sinn eingegeben wird. Das könnte dann als die Autonomie des Menschen ausgedeutet werden, daß er sein Leben frei gestalten kann und ihm dabei so einen Sinn verleiht. Die Alternative ist das Vorgegebensein des Sinnes des Lebens,der dann erkannt und anerkannt werden soll.Dies Anerkennen wäre dann das gute, weil sinnerfüllte Leben.

In der postmodernen Gesellschaft ist wohl davon auszugehen, daß es keinen objektiv vorgegebenen Sinn des Lebens mehr gibt,sodaß es zur Lebensaufgabe wird, dem eigenen Leben einen Sinn zu geben. Realistisch reduziert sich das dann auf die Konsumentenfreiheit, sich auf dem Markt der Sinnanbieter das einem Gefallende zu erwerben. Objektiv fungiert dabei der Konsument als eine Funktion der Marktwirtschaft, subjektiv als ein Komponist seines Lebens, seiner Lebensentwürfe. Die Objektivität eines guten Lebens wäre dann seine Funktionalität für die Gesammtgesellschaft, und die subjektive Seite wäre die des Zufriedenseins mit dem eigenen Konsum an materiellen wie auch ideelen Gütern.

Und was empfiehlt nun dieser Theologe? Daß es so ist,sei einfach von der Theologie und der Kirche anzuerkennen.Daß es einmal anders war, daß hat für die Jetztzeit keine Bedeutung mehr, die Wirklichkeit ist, so wie sie ist alternativlos unveränderbar.

Dabei dachte man doch einst ganz anders über diese Angelegenheit:

In der christlichen Religion hat Gott sich geoffenbart,d.h er hat den Menschen zu erkennen gegeben,was er ist,so daß er nicht mehr ein Verschlossenes, Geheimnis sei. Es ist mit dieser Möglichkeit, Gott zu erkennen,uns die Pflicht dazu auferlegt“. So lehrte es noch einer der bedeutendsten Philosophen, Hegel in der Vorlesung: „Die Vernunft in der Geschichte“ (zitiert nach der Hofmeisterausgabe 1966, S.45)Der Sinn des Lebens und damit das gute Leben wäre so gerade das des Erkennens Gottes als die Wahrheit. Aber von diesem Philosophen will kein zeitgenössischer Theologe sich noch belehren lassen,daß das einzige Objekt unseres Denkens Gott sein muß, da aus Gott alles ist, alles in ihm ist und alles auf ihn hin ist. Das entfaltet Hegel nun in seiner Philosophie, die sicher nicht leicht zugänglich ist,aber in der noch das gedacht wird,was zu denken ist.

Für das postmoderne Denken soll Gott nur noch eine mögliche Größe sein, auf die auch gut zu verzichten sei, ja ohne die es sich auch gut leben läßt. Da könne dann die Kirche auch auf ihre Rede von Gott ganz verzichten,um sich ganz als sozialcaritative Organisation in dieser Nützlichkeit für die Gesellschaft zu legitimieren. So sieht es auch ein auf Kath de zitierte Religionsoziologe:

Der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack rät den Kirchen, sich nicht auf aussichtslosen Feldern zu verkämpfen. "Überfordern Sie sich nicht. Die Säkularisierungstendenzen sind einfach sehr dominant, und die Kirche ist nicht mehr Vermittlerin eines umfassenden Weltbildes", Gefragt seien die Kirchen indes, wenn es darum gehe, Menschen zu begleiten, ihnen Halt zu geben und sie karitativ zu unterstützen. Auch seien sie wichtig, wenn es darum gehe, einen respektvollen Umgang miteinander einzuüben, der die Würde des Menschen achten.(zitiert nach Kath de am 12.6.2024:"Überfordern Sie sich nicht".Religionssoziologe Pollack: Kirchen sollten sich nicht verkämpfen")

Es muß aber prinzipieller nachgefragt werden, wie es denn um das Denken steht, wenn die Vernunft auf das Denken Gottes meint verzichten zu können. Für Kant und dem auf ihn aufbauenden Idealismus wäre ein solches Denken ein seine Aufgabe verfehlendes Denken.

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