Wider ein gravierendes Mißverständnis der Liturgie der Kirche
In dem Artikel:“Kant und Liturgie“ in „Communio“ vom 12.6.2024 steht diese auf den ersten Blick nicht auffällige Aussage: „Vor allem ist Liturgie Darstellung, Darstellung der Heilstatsache, des Reiches Gottes (als der Vereinigung des Geschöpfes mit Gott in Christus). So der Gegensatz zur Theologie, die die theoret. Behandlung dieser Tatsache ist, zur Lehre“.
Aber wer sich nun der Ausführungen Kants zur Liturgie in: „Die Religion in den Grenzen der bloßen Vernunft“ erinnert, muß Bedenken bekommen, erklärt hier der Aufklärungsphilosoph doch den kultischen Gottesdienst als das schlechthin Widervernünftige. Gott könne nur der vernünftige Gottesdienst gefallen und daß sei das Streben nach einer sittlichen Lebensführung,daß der Mensch pflichtgemäß lebe. Eine Anekdote erzählt, Kant hätte nie einen Gottesdienst besucht, kurz vor dem Kircheneingang wäre er stets umgekehrt. Unabhängig von dem Wahrheitsgehalt dieser Erzählung ist eine Teilnahme an einem Gottesdienst wirklich widersinnig, denn wie ein Mensch zu leben habe, daß erkenne er hinreichend aus seiner Vernunft und dazu bräuchte er somit keine kirchliche Belehrung und was er zu glauben habe, ergäbe sich für ihn aus den Reflektionen der praktischen Vernunft, daß Gott sei, daß er frei sei und daß er auf ein ewiges Leben zu hoffen habe. Das Anliegen der deutschen Aufklärung war es ja, nicht wie das der französischen, den Menschen von der Religion zu befreien sondern nur von der Kirche, damit er selbstständig vernünftig die Religion lebe. Der kultische Gottesdienst gehört nicht dazu und so praktizieren es nun circa 98 Prozent der evangelischen und circa 95 Prozent der katholischen Christen, auch wenn sie sicher Kants Kritik des kultischen Gottesdienstes nicht kennen, sie praktizieren ihre Religion nur kantisch, vulgarisiert: Hauptsache, anständig leben und irgendwie dabei an Gott glauben.
Das katholische Liturgieverständnis versteht den Kult als ein Heils-vermittelungsgeschehen, in dem Gott durch die Spendung der hl. Sakramente Anteil gibt am Heil. Das Herzzentrum ist dabei das Meßopfer, die Eucharistie, das Gott dargebracht wird, Gott zur Ehre, uns zum Heile. Diese Abbreviatur des Wesens des Kultes reicht aber schon aus, um das Inakzeptable der Vorstellung, die Liturgie sei die „Darstellung“ der Heilstatsachen zu erfassen. Wenn ein Kind getauft wird, wird nicht einfach dargestellt, daß Gott dies Kind liebt sondern es wird durch den Vollzug der Taufe in ein von Gott geliebtes Kind verwandelt.Gott wird das kirchliche Meßopfer dargebracht, damit er dadurch versöhnt, sich wieder gnädig der Menschen annimmt,isb derer,für die das Meßopfer dargebracht wird, die Meßintentionen.
Wenn die Liturgie aber nur ein darstellendes Handeln wäre, dann wäre der einzige Adressat der Liturgie die Gemeinde, der so vor Augen geführt wird, was sie glaubt, daß Gott der sie Bejahende ist.Daß er der sie Bejahende ist, ist dabei als eine objektive Tatsache vorgestellt, die nun nur noch sinnlich erfahrbar veranschaulicht wird. Der Verobjektivierung des Heiles korreliert dabei die Reduzierung der subjektiven Aneignung des Heiles auf das Erkennen des objektiv Wahren, des Heiles für alle. In der kirchlichen Praxis reduziert sich das auf das simple Indikativ-Imperativ-Schema: Weil Gott uns alle liebt, haben wir auch alle zu lieben, isb dann die Asylanten, Homosexuellen, Transgender usw....
Damit die rein cognitive Vermittelung nun nicht allzu kopflastig ausfällt,soll die Vermittelung eben ästhetisch, also sinnlich durch ein darstellendes Handeln gewirkt werden. Das darstellende Handeln ersetzt so die Belehrung durch eine Predigt oder soll sie ergänzen.
Zu Zeiten Calvins in Genf, so lautet eine Legende, soll ein Bauer zu dem Reformator gekommen sein: „Ich bräuchte doch nicht mehr zu den Gottesdiensten kommen, da ich nun weiß, was ich nach der neuen Lehre zu glauben und wie ich zu leben habe. Da brauche ich keine weitere kirchliche Unterweisung!“ Und eine pädagogisch ästhetisch arrangierte Darstellung der Heilstatsachen braucht dieser kluge Bauernkopf auch nicht. Und heutzutage sind sich die allermeisten Christen gewiß, daß sie im Punkto der christlichen Religion so umfassend sich auskennen, daß für sie jede weitere Beschäftigung damit völlig überflüssig sei, auch wenn das objektiv in keinster Weise zutrifft.
Daß ein Gottesdienst etwas völlig anderes ist als eine Wissensvermittelung, ob nun durch ein bloßes predigende Belehren oder durch eine ästhetische Darstellung des zu vermittelnden Lernstoffes, wird dabei völlig vergessen.
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