Freitag, 14. Juni 2024

„Sündige tapfer“: ein Ausweg aus Dilemmasituationen, in denen wir, egal was wir tuen, immer sündigen? Wider einen Moraloptimismus!

 

Sündige tapfer“: ein Ausweg aus Dilemmasituationen, in denen wir, egal was wir tuen, immer sündigen?



Eigentlich dürfte es solche Dilemmasituationen nicht geben, denn es müßte doch in jeder Lage für einen Christen zumindest eine Option geben, nicht zu sündigen. Wie könnte denn auch einem Christen sein Tuen oder Unterlassen als eine Sünde angerechnet werden, wenn er urteilen könnte: Es war mir da nicht möglich, nicht zu sündigen?

Ein Beispiel für so eine Dilemmasituation: Nehmen wir an, in einem islamischen Land soll ein Christ zu Tode verurteilt werden, da er gesagt hat, daß Mohammed kein Prophet Gottes sei und es gäbe nur eine Möglichkeit, ihm vor der Hinrichtung zu bewahren, nämlich durch einen Meineid. Dürfte nun ein Christ einen Meineid leisten, um so den Mitchristen vor seiner Hinrichtung bewahren, wenn dies die einzige Möglichkeit wäre, ihm das Leben zu retten?

Leistete ein Christ diesen Meineid, sündigte er, ja der Meineid ist ein „malum in se“, das ist eine Handlung, die immer ein Übel ist und durch keinen noch so guten Zweck legitimierbar ist. Leistete er ihn nicht, verstieße er gegen das Gebot der Nächstenliebe, indem er nicht verhinderte, daß ein Unschuldiger zu Tode verurteilt wird obschon er diese Verurteilung hätte verhindern können. Für welche Option er sich auch entscheiden mag, immer wird er sündigen und er muß eine Entscheidung treffen, da es für ihn nur zwei Handlungsmöglichkeiten gibt: einen Meineid zu schwören oder nicht zu schwören, zwischen denen er seine Wahl so treffen muß.

Sündige tapfer, doch tapferer glaube und freue dich in Christus, der Herr ist über Sünde, Tod und Teufel.“ schrieb Luther an seinen Freund Melanchthon. (Zitiert nach:https://beruhmte-zitate.de/zitate/123414-martin-luther-sundige-tapfer-doch-tapferer-glaube-und-freue-dic/) Könnte diese Lutherdevise in so gearteten Dilemmasituationen eine Hilfe sein? Damit würde ernstgenommen, daß in einer so gearteten Dilemmasitution es keine Möglichkeit gibt, aus ihr herauszukommen, ohne selbst dabei zu sündigen. Es muß nun aber eine Entscheidung getroffen werden, die Möglichkeit eines Verharrens in einer Unentschiedenheit existiert nicht. Wenn die Entscheidung keine Willkürwahl sein soll, müßten Gründe angegeben werden können, daß die eine der anderen Option gegenüber vorzuziehen sei, das müßten moraltheologische oder moralphilosophische sein und doch gilt, daß, was auch immer zu tuen oder zu lassen gewählt wird, der Christ da sündigen wird. Das lutherische „tapfer“ wäre dann auf das Anerkennen dieser Auswegosigkeit zu beziehen, daß der Christ dann trotzdem sich für eine der Optionen entscheidet und er kann es dann nach Luther ob des Vertrauens auf Jesus Christus, der bereit ist, uns unsere Sünden zu vergeben.

Der Begriff des Tragischen wäre für sogeartete Dilemmasituationen wohl der angemessene. Es muß eine Entscheidung für eine Handlungsoption gewählt werden, obgleich welche auch immer erwählt wird, gesündigt werden wird. Und doch ist dann eine moraltheologisch begründete zu treffen und somit wird eine Willkürentscheidung ausgeschlossen. Damit der Christ in so einer Lage entscheidungsfähig wird, könnte er auf dies Luthervotum vertrauen, um dann das, wozu er sich entschieden hat, auch durchzuführen. Der Meineid müßte ja, damit er erfolgreich vollzogen wird, so vollzogen werden, daß dem Gericht kein Zweifel entsteht, daß der Eid ehrlich gemeint ist. Das verlangt eben eine Tapferkeit im Meineidleisten.

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