Dienstag, 25. Juni 2024

Wie der „Gute Hirte“ in Verruf kam: Wir sind doch selbstständig

 

Wie der „Gute Hirte“ in Verruf kam: Wir sind doch selbstständig



Es darf gemutmaßt werden,daß von Anfang an der politische und der theologische Diskurs auf das engste miteinander verschränkt war: Die Gottesvorstellung prägte die Staatsvorstellung und die wiederum die Gottesvorstellung. So urteilte Donoso Cortes, daß dem Monotheismus die monarchistische Staatsordnung, dem Pantheismus und Atheismus die demokratische korreliere. Zu einen der Zentralvorstellung des politischen Diskurses über den Staat gehört wohl die Bildrede vom „Guten Hirten“ in zwei divergierenden Perspektiven: die königliche: Weil ich euch wie ein „Guter Hirte“ regiere, habt ihr mir zu gehorchen und die des Volkes: Weil Du unser König bist, hast Du uns wie ein guter König zu regieren!“ Das sind die 2 Seiten des einen Bildes vom „Guten Hirten“. In der Bibel wird dies Königsmotiv dann auf Gott übertragen, daß er uns wie der wahre „Gute Hirte“ regiere, um es dann auf Jesus Christus zu übertragen, der dann selbst das Hirtenamt seiner Kirche einsftiftete, indem er Petrus befahl, seine Herde wie ein guter Hirte zu hüten. Aus dem politischen Begriff des monarchischen Regierens entwickelte sich so das Papstamt und der Glaube an Gott, der als die Vorsehung die Welt monarchisch regiere.

Nun soll einmal erwogen werden,ob nicht eine Veränderung des Staatsverständnisses das Verständnis der Regierens Gottes und dann auch das des Regierens des Papstes verändert. Die Idee des liberalen Rechtsstaates dominiert seit dem Ende des Real existierenden Sozialismus 1989f den politischen Diskurs über den Staat. Augenfällig ist, daß aktuell den Ostdeutschen, oder zumindest vielen von ihnen es noch nicht gelungen sei, richtig in der westlichen Demokratie angekommen zu sein,ja ihr gar kritisch gegenüber zu stehen und daß diese Negativhaltung nun auch in Westdeutschland relevant geworden ist, ja in ganz Europa und Amerika zunehme.

Mein Vorschlag lautet nun, das Selbstverständnis der DDR-Regierung mal von dem Bilde des „Guten Hirten“ her zu interpretieren. Der ostdeutsche Staat verstand sich so gesehen als ein optimaler Für- und Vorsorgestaat, der deswegen den Gehorsam seines Herde als der „Gute Hirte“ einforderte. Der Paternalismus gehörte sozusagen, wie man heutzutage gern formuliert zur DNA dieses Staatsverständnisses, daß das Volk des Geführtwerdens bedürfe, weil es selbstständig nicht das für es wirklich Gute erkennen könne, denn das konnten doch nur die im Marxismus-Leninismus Eingeweihten und Gebildeten der SED. Das Staatsvolk beurteilte dann die erbrachten Leistungen des „Guten Hirten- Staates“ mit seinem selbst formulierten Anspruch und er fiel in der Prüfung 1989 durch.

Für den westdeutschen liberal sich auslegenden Rechtsstaat sieht das ganz anders aus: Der Staatsbürger habe zuvörderst für sich selbst zu sorgen und der Staat greift dann nur unterstützend ein, wenn Bürger in ihrer Befähigung zur Selbstverantwortung beeinträchtigt sind.Der Bürger bedürfe so keines „Guten Hirten“, da er sich in der Demokratie zu einem selbstständigen Bürger emanzipiert habe. Ostdeutsche, noch in einem „Guten-Hirten-Staat“ aufgewachsen, überfordern so den liberal-demokratischen Staat mit ihrem zu hohen Anspruchsniveau, sie verweigerten sich des Anspruches dieses Staates an seine Bürger, doch gefälligst für sich selbst zu sorgen.Von der Altersfürsorge, über die Sorge um die Gesundheit bis zur Arbeitsplatzsuche und der Suche nach einer Wohnung, all das soll in die Eigenverantwortlichkeit des mündigen Bürgers gelegt werden und der Staat helfe nur in besonderen Notsituationen.

Offensichtlich sind nun aber nicht nur viele in Ostdeutschland sondern auch zunehmend viele in Westdeutschland mit diesem Staatsverständnis, daß von seinen Bürgern zwar das Gehorchen verlangt, aber dann den Bürger für alles selbst verantwortlich macht,nicht mehr einverstanden.

Dem liberalen Staatsverständnis korreliert nun, daß Gott kaum noch als der Regierer der Welt.als der Herr der Geschichte geglaubt wird. Die Vorsehung Gottes, die Hegel noch für den Zentralglauben der christlichen Religion erachtete,wird weitestgehend substituiert durch den Gott, der nur als alle Menschen Liebender geglaubt wird und der so die Welt ganz in die Regierungsmacht des Menschen übergeben hat.Das ist der auf die Menschenrechte aufgebautem Staatsverständnis kompatibler Gott. Konsequent fordern dann liberale Moraltheologen, daß die durch die Vorstellung von von Gott offenbarten Moralgesetzen fundierte kirchliche Morallehre ersetzt werden müsse durch eine neue Morallehre, die mittels der praktischen Vernunft konstruiert werden solle. Wenn Gott die Welt nicht mehr regiere, sondern das den Menschen in ihrer Freiheit überließe,dann könne und dürfe die Kirche auch nicht mehr monarchisch-päpstlich regiert werden sondern müsse wie der Staat demokratisch sich selbst regieren.

Der sich als Selbstständiger verstehender Mensch will so weder Gott noch den Staat noch den Papst als ihn hütender „Gute Hirten“ haben. Sondern der Mensch habe das Recht zu bestimmen, wie Gott, der Staat und die Kirche zu sein haben. So erdreistet sich gar der Theologe Striet zu fragen: Wie müsse Gott sein,damit er von uns Menschen als Gott anerkennungswürdig gelten könne. Papst könne dann auch nur der werden, der sich dem Synodalen Rat und der Rätekirche unterwerfe und die Morallehre der praktischen Vernunft anerkenne. 

Die Abkehr des Staatsverständnis vom dem des "Guten Hirten" dient aber hauptsächlich der Abwehr von zu hohen Ansprüchen des Volkes an die jeweilige Staatsregierung: Für alles Wesentliche sei eben jeder Bürger selbstverantwortlich. Es gälte eben,das Anspruchsniveau der Bürger zu senken!







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