Donnerstag, 6. Juni 2024

Wer beherrscht uns? Obskure Erwägungen zum Zeitgeist- Geister gibt es doch nicht!

 

Wer beherrscht uns? Obskure Erwägungen zum Zeitgeist



Vom Zeitgeist wird viel geschrieben, pejorativ, wenn über die Anpassung der Kirche an ihn debattiert wird und positiv, wenn die Kirche kritisiert wird, nicht auf der Höhe der Zeit sich zu befinden, aber was denn der Zeitgeist sei,auch mal unabhängig von seinen Gehalten, was er denn als Geist sei, bleibt dabei völlig unreflektiert. Über den Heiligen Geist, den so mancher Reformer gern mit dem Zeitgeist ineins setzt, hat die Kirche eine verbindliche Lehre entwickelt im Rahmen der Trinitätslehre,aber ohne auf diese Lehre zu achten, erscheint dieser Geist in der Kirche meist nur noch als eine Kraft, die zu Erneuerungen in der Kirche antreibt,die Erstarrtes zu vitalisieren versucht. Völlig unklar bleibt dabei dann in der Regel das Verhältnis dieser Geisteskraft zum Wollen der reformbegeisterten Menschen: Ist etwa der Reformwille schon selbst diese Geisteskraft?

Nun könnte das Verhältnis zwischen dem Zeitgeist und dem individuellen Denken und Wollen der Menschen vielleicht in einer Analogie zum Verhältnis der Sprache zum individuellen Denken gedacht werden. Eine bestimmte Sprache, für uns die Deutsche ist die Voraussetzung des Sprechenkönnens, daß wir individuierte Aussagen tätigen können, daß ich jetzt einen Artikel schreibe.Die Sprache als ein komplexes Gebilde von einem Wortschatz, einer Grammatik und einer Syntax ist als die notwendige Voraussetzung jedes Sprechens und Schreibens etwas Virtuelles, ganz im Kontrast zu der Materialität eines niedergeschriebenen Satzes, und doch wird auch der rabiateste Materialist im philosophischen Sinne die Realität dieses Virtuellen, dieses Geistigen nicht bestreiten können. Die System der Sprache ermöglicht erst ein individuelles Sprechen und Schreiben, determiniert es aber nicht, aber es gilt, daß die Grenzen unserer Sprache die Grenzen unseres Sprechens und Schreibens sind. Was würde das über den Zeitgeist aussagen? Ist er auch etwas Virtuelles,das so ein individuiertes Sprechen ermöglicht, aber auch begrenzt? Der Philosoph Hegel bestimmt das Verhältnis des Volksgeistes zum individuellen Denken so:

Kein Individuum kann über diese Substanz hinaus; es kann sich wohl von anderen einzelnen Individuen unterscheiden,aber nicht von dem Volksgeist.“ (Theodor Adorno,Weltgeist und Naturgeschichte, Exkurs zu Hegel, in: Negative Dialektik, stw S.317). Für Hegel konstituiert sich ein Volk durch seinen Volksgeist und dieser fungiert dann als etwas Virtuelles, daß erst das individuierte Denken ermöglicht aber auch limitiert. Wäre dann der Zeitgeist eine andere Version des hegelschen Volksgeistes?

Aber wie verhält sich dies zu dieser Aussage des Epheserbriefes: „“Unser Kampf gilt ja nicht Fleisch und Blut,sondern den Mächten und Gewalten,den finsteren Weltherrschern und den bösen Geistern in den Himmelshöhen.“ (Eph 6,12)P.Rösch/P.Bott kommentieren in ihrer Ausgabe des Neuen Testamentes,1967 diese Aussage so: „Der Christ ist in seinem Kampfe zwischen Himmel und Hölle hineingestellt.Seine Widersacher sind nicht so sehr seine eigenen bösen Begierden als vielmehr die gefallenen Engelmächte.“

Wir existierten sozusagen in einer Welt, in der verschiedene Geistermächte um die Herrschaft über den Menschen streiten. Der Volksgeist Hegels gehörte dann zu den Schöpfungsordnungen Gottes, die bösen Geister bezeichneten dann die Geistesmacht der gefallenen Engel. Der Zeitgeist wäre dann eine umkämpfte Größe, weil er selbst für sich unbestimmt ist , ob er von Gott oder von dem Teufel erfüllt würde.

Als ein Geist wäre er aber eine virtuelle Größe, die als solche gerade unser Denken fundieren kann, wie die Sprache als ein bestimmtes System die einzelnen Sprachakte.Der Geist wäre so aber nicht einfach reduzierbar auf die Vorstellung, daß er nur eine Abstraktion des empirisch vorfindlichen Denkens wäre, sozusagen als wäre es das Durchschnittsdenken: So denken die Menschen eben jetzt, statisch erhoben. Der Geist wäre so wie das Menschsein bzw die Idee des Menschen dem Einzelmenschen vorausgeht etwas Transindividuelles, das dem individuierten Denken, Sprechen und Schreiben ebenso vorausgeht.

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