Eine rigoristische Morallehre läuft immer auf den Extrempunkt zu: Das Gute ist zu tuen, auch wenn die Welt daran zu Grunde ginge. Kant bietet dafür ein gediegenes Beispiel. Wenn ein Mörder den Ehemann frägt,ob seine Frau im Hause ist, weil er die Absicht habe, sie zu töten, dann müsse der Ehemann die Wahrheit sagen, auch wenn dann seine Frau ermordet würde. Wenn die Kinder Evas und Adams sich an das Inzestverbot gehalten hätten, wäre die Menschheit mit dem Tode der Kinder Evas ausgestorben.
Das andere Extrem bildet der den Jesuiten nachgesagte Standpunkt, daß der Zweck die Mittel heilige. sodaß faktisch alles erlaubbar würde. Wie nun aber hier eine goldene Mitte finden, die so beide Extreme meidet? Thomas von Aquin äußert sich so zur Causa der Prostitutition:
Thomas argumentiert hier also mit dem Prinzip, daß zur Verhinderung eines größeren Übels ein kleineres zu tolerieren sei. "Schon Thomas von Aquin, so dozierte der Professor Leonardo Ancona
von der katholischen Universität Rom, habe den Gesetzgebern dringend
empfohlen, kleine Unregelmäßigkeiten ruhig zuzulassen, "wenn dadurch
größerer Schaden verhütet wird." Saubere Arbeit.
"Die Prostitution setzte sich im christlichen Mittelalter fort. Der
vorgeblich so lustfeindliche Augustinus (354-430) räumte ein: „Wenn du
die Dirnen vertreibst, werden die Leidenschaften alles verwirren.“ Der
einflussreiche Thomas von Aquin (um 1225-1274) stimmte zu. Die Städte
errichteten Bordelle mit meist um die zehn Frauen unter Oberaufsicht.
Der Grund war wesentlich wieder ein ökonomischer, aber jetzt in
doppelter Hinsicht: Nicht nur, dass Frauen sich aus Armut anboten -
junge Männer, denen wegen mangelnden Einkommens das Heiraten verboten
blieb, sollten sich abreagieren können und überdies nicht die
Bürgerstöchter und -frauen belästigen. Solche Eheverbote wegen
mangelnden Lebenunterhalts blieben übrigens teilweise bis ins 19.
Jahrhundert bestehen."
"Auch Armut war ein limitierender Faktor bei der Eheschließung: so waren
schlecht bezahlte Lohnarbeiter, Gesellen und Knechte ebensowenig
heiratsfähig wie nachgeborene, erbelose Brüder. Als Folge der
Heiratsbeschränkungen gab es viele uneheliche Kinder, die ihrerseits in
Armut und Ehelosigkeit blieben" www.mittelalter-lexikon.de › wiki › Ehe
Diese kurzen Texte zeigen den Hintergrund dieser sicher erstaunlichen Stellungnahme des hl. Thomas an: Weil viele nicht heiraten durften, sie aber irgendwie ihre sexuellen Bedürfnisse befriedigen mußten, schlug er vor, die Prostitution zu tolerieren, weil sonst noch viel größere Übel drohten. Ein wenig erinnert dies an die Haltung des Großinquitors in Dostojewskijs gleichnahmigen Erzählung. Die Katholische Kirche vertrete zwar eine strenge Morallehre, toleriere dann aber doch Abweichungen, um Schlimmeres zu verhüten. Hier sollte nun nicht vorschnell von einer laxen Moraltheologie gesprochen werden, wenn auf die Folgen eines etwaigen Verbotes der Prostitution refllektiert wird und festgestellt wird, daß diese moralisch schlimmer wären als die geduldete Prostitution. Es muß eben konstatiert werden, daß ein moralisches Handeln, das die Folgen seines Tuens nicht mitbedenkt, selbst ein nicht moralisches Verhalten ist.
Wenn jetzt etwa der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ein sogenanntes Seenotrettungsschiff für schiffbrüchige Asylanten sponsert, muß ihm klar sein, daß das die Risikobereitschaft illegal über das Mittelmeer nach Europa einwandern zu versuchen, steigert,weil gehofft wird, daß so ein Rettungsschiff dann die "Schiffbrüchigen" schon sicher nach Europa bringen wird. Damit es dann auch zu dem "Schiffbruch" kommt, aus dem die "Flüchtlinge" gerettet werden, nicht in den nächsten Hafen, wie es üblich ist in Seenotfällen sondern zum Reiseziel Europa, müssen dann auch die Schiffe dazu passend ausgewählt werden, daß sie eben nur limitiert seetüchtig sind. So ertrinken dann auch wieder mehr Asylsuchende, weil sie schiffbrüchig geworden ob der Qualität dieser Schiffe nicht schnell genug von den Privatrettern aus dem Meer herausgefischt werden, sie aber auf diese Privatschiffe vertrauend so schiffsbruchanfällige Schiffe chartern. Ein Handeln, das nicht auch seine Folgen moralisch reflektiert, führt eben leicht zu einem letztendlich unmoralischen Handeln.
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