So sprach Papst Franziskus laut Kath info am 23.5.2021. Die Nächstenliebe soll somit das Kriterium der Politik eines Staates sein, ob er dem Gebot der Nächstenliebe gerecht wird. Der spontane Einwand, die Politik sei doch ein schmutziges Geschäft, soll nun ausgeklammert werden, stattdessen konzentrieren wir uns jetzt auf die Konkretisierung dieses Prüfungskriteriumes:
„Der Papst nannte einen Maßstab, um festzustellen, ob eine Staat „moralisch gesund ist“. Das Kirchenoberhaupt erwähnt dabei nicht den Schutz des Lebens unschuldiger Kinder und prangerte nicht den legalisierten Massenmord an Ungeborenen an, sondern, ob ein Staat „Waffen verkauft, damit andere töten können“. Kath info.
Auch diese päpstliche Äußerung stellt den Leser wie so oft vor die Frage: Kennt Papst Franziskus die Lehre der Kirche vom gerechtfertigten Krieg und dem Recht zur Selbstverteidigung nicht oder will er sie abschaffen, wegmodernisieren? Aber schon ein paar Bibelkenntnisse hätten ausgereicht, um hier ein Warnschild aufleuchten zu lassen. (Es ist wohl zulässig, anzumerken, daß im Kontrast zum Theologenpapst Benedikt XVI der jetzige Papst sich profilieren versucht als nichttheologischer Seelsorger.) Das im Buch der Richter, Kapitel 18 Erzählte ist nämlich die bedeutsamste Kritik dieser Meinung! Erzählt wird von der Ausrottung eines ganzes Volkes, daß überfallen und vernichtet wird. Das überfallene Volk wird als „ruhiges und friedliches Volk“ charakterisiert (18, 27). „Sie erschlugen die Leute mit scharfem Schwert und steckten die Stadt in Brand.“ (18,28). Dies Volk lebte nämlich auf einem guten und fruchtbaren Boden. Das erweckte das Begehren anderer und sie eroberten das Land für sich. Damit es ihr Besitz werden konnten, wurde das „ruhige und friedliche Volk“ getötet.
Moralisch beurteilt ist dieser Fall eindeutig: Es gibt für diesen Raubmord keine moralische Berechtigung. Aber was kümmert das diese Eroberer, wenn sie mit ihrem „scharfen Schwert“ sich das Recht nehmen, den anderen zu überfallen und zu töten, um sein Land in Besitz zu nehmen.
Hier offenbart sich uns die Differenz zwischen der Moral und der Politik. Was unmoralisch ist, kann die Politik sehr wohl vollbringen, weil die Realpolitik eines Staates Machtpolitik ist: Was die Politik will und kann, ist in erster Linie eine Frage der Macht. Ein Staat mit scharfen Schwertern kann sich viel erlauben gegen nicht bewaffnete Staaten. So bitter es auch klingen muß: Ein nicht verteidigungsfähiger Staat zieht Aggressoren auf sich wie eine unbeaufsichtigte Geldbörse Diebe.
Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Befähigung zur Selbstverteidigung: a) Der Staat verfügt über eine Armee und eine eigene Rüstungsindustrie, die die Armee mit Waffen ausstaffiert oder b)der Staat muß für sich die Waffen von anderen kaufen. Ohne die Fähigkeit zur militärischen Selbstverteidigung wird aber ein Volk zum Beherrschungsobjekt anderer Staaten, die ihm dann ihren Willen aufzwingen können. Wenn nun eingewandt würde, daß sie dann aber vom Kriege verschont blieben, wird durch das Erzählte in Richter 18 widerlegt. Die jüngere Geschichte beweist diese Wahrheit leider auch: Warum führten den die USA mit ihren Kriegsverbündeten gegen Afghanistan, Libyen und den Irak Kriege, wenn nicht, weil sie wußten, daß diese Staaten den Angreifern gegenüber hoffnungslos unterlegen waren?
Wehre dem nicht Verteidigungsbereiten, denn er ist dazu prädestiniert, das Opfer militärischer Angriffe anderer zu werden. Es kann doch nicht bezweifelt werden, daß der freie Westen schon längst in den Iran einmarschiert wäre, um die dortige „Schurkenregierung“ zu stürzen und durch eine prowestliche zu ersetzen (wie es in Afghanistan praktiziert wurde) , wäre dieser Staat nicht so wehrfähig.
Es gilt so für die Politik: Wer den Frieden will, muß kriegsbereit sein. Und wenn die Quantität oder Qualität der eigenen Rüstungsindustrie dazu nicht ausreicht, dann müssen eben Waffen dazugekauft werden. Gäbe es also keinen internationalen Waffenhandel würden die Staaten mit den „scharfen Schwertern“ die anderen gnadenlos sich unterwerfen können, wenn sie das nur wollen. Das hat aber mit Frieden wenig zu tuen. Sollte dieser Zustand der Beherrschung der vielen Völker durch ein paar hochgerüstete Staaten Papst Franziskus Verständnis von einer friedlichen Welt entspringen? Soll die Praxis der Nächstenliebe die sein, daß die Unbewaffneten die Opfer der Schwertbesitzer werden?
Eine Praxis der Nächstenliebe müßte angesichts dieser politischen Realität darin bestehen, alle Staaten zur Selbstverteidigungsfähigkeit zu befähigen und wenn die nicht durch eine eigene Rüstungsindustrie erstellbar ist, ihnen den Ankauf von Waffen zu ermöglichen. Zudem: Was nützte es, wenn Missio Österreich jetzt auf die Initiative Pater Wallners hin ein Spital in Afrika zu errichtet, weil in dem vorgesehenen Gebiet die medizinische Versorgung mehr als defizitär ist und Islamische Staatkämpfer dann dies Spital, kaum errichtet, wieder zerstören würden, weil es eines in christlicher Trägerschaft sein wird? Selbst die praktizierte Diakonie bedarf des Schutzes durch das staatliche Schwert, soll sie nicht von politischen Feinden zerstört werden.
Aber von der politischen Feindschaft weiß dieser Papst wohl nichts, unterliegt er wohl dem linksliberalen Narrativ, daß es Kriege gäbe, weil es Waffen gibt, als führten die Waffen Kriege und nicht Menschen mit Waffen Kriege. Für das Kriegsführen gibt es immer auch politische Gründe, abgehalten werden Kriegswillige aber durch die Erkenntnis, daß der, den man angreifen will, zu stark ist als daß er sicher besiegbar ist. Das ist die bittere Wahrheit der Politik, die durch noch so viele Moralpredigten nicht aus der politischen Welt abschaffbar ist.
Eines muß
aber auch aus moralischer Sicht an diesem Papstvotum zudem
irritieren: Seit 1945 werden in der Welt zigfach mehr Menschen im
Mutterleibe getötet als durch Kriege! Wenn der Papst schon so
moralisch sich gegen das Töten in den Kriegen ausspricht, warum
spricht er sich da nicht angesichts der Millionen von getöteten
Kindern im Mutterleibe zuvörderst gegen diese Massentötungen aus. (Aber hier ließ der Papst die Katholischen Bischöfe Amerikas zurückrudern in ihrer Kritik an den großen Abtreibungsunterstützer, dem jetzigen USA-Präsidenten, als die Bischöfe erwogen, das geltende Kirchenrecht auch bei diesem Präsidenten anzuwenden, das die Kommuionausteilung an öffentlich die Abtreibung Bejahende und sie Fördernde untersagt!)
Wenn die Politik der Ort zu praktizierender Nächstenliebe sein soll, dann muß im politischen Raume realistisch gehandelt werden. Der Gaube, wenn ich nur friedfertig bin, werden die Anderen auch mir gegenüber sich friedfertig verhalten, ist aber reines Wunschdenken, ein rein optativisches Denken ohne eine Rücksichtsnahme auf das reale politische Leben. Solche Utopien sind aber der sicherste Weg zu einer Welt des Krieges, in der die Schwachen durch das „scharfe Schwert“der Anderen getötet werden.
Corollarium 1
Die Forderung nach einer unpolitischen Kirche, (so falsch sie auch theologisch ist!) findet aber in so hypermoralistischen, von jeder Kenntnis des Politischen unbefleckten Voten, doch eine gewisse Rechtfertigung. Denn die Welt kann auch an einem Zuviel an utopistischer Moral zu Grunde gehen.
Corollarium 2
Wenn die Nächstenliebe verstanden wird als seinem Mitmenschen gut gesonnen ihm Gutes wollen, dann kann die staatliche Politik (ich benutze hier das Wort staatlich, um die Option, daß es auch andere Subjekte der Politik als den Staat gibt offen zu halten)als ein Ort zu praktiziernder Nächstenliebe begriffen werden. Die Nächstenliebe muß dabei selbstredend von der Liebe als einem starken leidenschaftlichen Gefühl distinguiert werden, denn die Nächstenliebe ist in erster Linie ein moralisch qualifiziertes Wollen. Was dann aber im politischen Diskurs das Gute ist und wie das Gute dann zu realisieren ist, verlangt eine politische Kompetenz, so wie ein Mensch, bloß weil er gern einen Kranken heilen möchte, auch eine medizinische Kompetenz braucht, um heilen zu können. Diese 2 Kompetenzen ergeben sich aber nicht einfach schon aus dem guten Willen.
Dann muß auch geklärt werden, was im politischen Diskurs der Nächste ist. Was immer nun der humanistische, der philosophische oder der biologische Diskurs unter dem Nächsten dann verstehen mag, der politische hat diesen Begriff des Nächsten politisch zu klären. Da liegt es nahe, als den Nächsten die Summe aller Staatsbürger zu definieren, die so Objekte des staatlichen Handelns sind. Der Begriff des Nächsten ergibt dabei nur einen Sinn, wenn es auch Nichtnächste gibt.
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