„quoniam universa turba admirabatur super doctrina ejus“= weil das ganze Volk von Bewunderung ergriffen war über seine Lehre (Markus 11.18) Hat er der Evangelist schon alles mißverdtanden, indem er von Jesu Christi doctrina schreibt, der Genitiv ist hier sowohl als subjektivus wie als objektivus zu lesen,als Lehre Jesu von...und als Lehre über Jesus, statt zu schreiben, daß das ganze Volk von seiner Person enthusiasmiert war. Im Zentrum der christlichen Religion stünde so die Person Jesu, die andere begeistere, die so zu seinen Gläubigen würden, die dann durch ihre authentische Begeisterung andere zum Glauben an diese Person anstecken würden.
Jesus habe keine Lehre verkündet und so sollte dann auch die Kirche das unterlassen, sondern von der Person Jesu Euphorisierte sollten andere zum Glauben an Jesu allein durch ihre Begeisterung, durch ihr Brennen für Jesus motivieren.
Dann hätte aber schon der Evangelist Markus als erster und alle ihm Folgenden Jesu Anliegen mißverstanden, auch das Volk, denn das war ja auch von der Doktrin Jesu Christi begeistert und nicht von einfach von seiner Person.
Auch müßte es für dieses Jesusverständnis ein Problem sei, daß der griechische Urtext wie die Vulgata von Schülern Jesu Christi sprechen und sein Verhältnis zu ihnen als Lehrer Schüler Verhältnis explizieren, wobei dann zum Lehrer Jesus sein Lehren und seine Lehre konstitutiv gehören. Aber die nicht sehr treffende Übersetzung: „Jünger Jesu“ verunklart eben dies klare Lehrer-Schüler Verhältnis, indem es eine irrationalistische Qualität bekommt. (Platon als einen Schüler des Sokrates bezeichnet niemand als Jünger des Sokrates!)
Das Urcredo der christlichen Religion lautet nun bekanntermaßen: Jesus ist der Christus. Die Ausbuchstabierung dieses Urbekenntnisses bildet das Zentrum der Theologie und dann der christlichen Frömmigkeit. So ist also das Augenmerk auf dieses Basiscredo zu richten, um zu fragen, wie dies sich zu dem Glauben an die Person Jesus verhält.
Weil dies eine hochkomplexe Materie ist, soll einfach angefangen werden, denn es wird sich die Erörterung dann schon ganz von selbst verkomplifizieren. Eine Ehrfrau sagt zu ihrem Mann: „Ich vertraue Dir!“ Vertrauen soll hier stehen für das Verb Glauben im Sinne des Vertrauenglaubens, der ja seit Luther das Verständnis von Glauben als das für wahr Halten (als subjektiv hinreichendes aber nicht objektiv hinreichendes Erkennen, nach Kant) als minderwertig diskriminiert.
Was sagt diese Frau mit dieser Aussage? Es gibt eine normative Vorstellung in unserer Kultur davon, was ein Ehemann ist und was für ein Verhalten seine Ehefrau von ihm erwarten darf. Daß diese normative Vorstellung einem kulturellen Wandel unterworfen ist, ist sicher anzunehmen, aber auch, daß es invariable Konstanten gibt.Diese Aussage besagt also, daß die Frau davon ausgeht, daß ihr Mann so ist und sich so verhält und verhalten wird, wie man es von einem Ehemann zu erwarten hat, daß er also der sozialen Norm gemäß ein Ehemann ist. Diese soziale Norm ist nun selbstredend nicht ein empirisches Faktum, sondern philosophischer formuliert meint es die Idee des Ehemannes. Der reale Mann entspricht also der Idee des Ehemannes so wie man die Realisierungsmöglichkeit dieser Idee realistisch einschätzt als einer Norm, der aber nicht alle Ehemänner genügen.
Das Verhältnis der Ehefrau zu ihrem Mann ist so nicht ein rein privates, sondern ein sozial vermitteltes. Es gibt da die Normvorstellung von dem guten Ehemann und der guten Ehefrau und einer Vorstellung von dem, wie das Leben sich zwischen diesen beiden Rollenträgern zu gestalten habe. Erst sekundär werden dann diese Normvorstellungen individualisiert als persönliche Vorstellung einer gelungenen Ehe.
Sagt nun ein Vorgesetzter am selben Tage zu diesem Ehemann: „Ich vertraue Dir!“ (ein modernes Arbeitsverhältnis, in dem nicht mehr gesiezt wird), dann sagt er das, was vor dem auch seine Ehefrau sagte und doch ist damit etwas ganz anderes gemeint, nämlich: Ich vertraue darauf, daß Du ein guter Angestellter bist, der so auch wie ein guter Angestellter arbeitet und arbeiten wird.
Beiden Aussagen ist noch etwas gemein: Wenn die Ehefrau oder der Vorgesetzte vollständig die Person, der sie vertrauen, kontrollieren könnten, könnten sie ihr nicht mehr vertrauen. Ein vollkommenes Wissen über die Person, der man vertraut, verunmöglicht das Vertrauen. Zur Veranschaulichung: Eine Ehefrau kann sehr wohl sagen: „Ich vertraue Dir, daß Du während der Reha mich nicht mit einer anderen Frau betrogen hast“, aber sie könnte das nicht mehr aussagen, hätte sie einen Detektiv beauftragt, ihren Ehemann während der Kur 24 Stunden täglich zu observieren und der rapportierte: Ihr Ehemann hat sie nicht betrogen!
Was besagt das nun zu der Aussage: Ich vertraue Jesus! Nur der soziale Kontext kann uns den Gehalt dieser Aussage verständlich machen, denn sonst bleibt unklar, worauf denn hier vertraut wird. Es gibt kein Vertrauen auf eine bloße Person, sondern immer nur eines auf eine Person als einer als. Zu einem Arzt heißt das eben, daß vertraut wird auf ihn, daß er der Norm des Arztes entspricht. Worauf wird nun vertraut, wenn auf Jesus vertraut wird. Das Urbekenntnis sagt es aus: das Vertrauen darauf, daß die Person Jesus der Norm des Christus entspricht, daß er so ist und so sich verhalten wird, wie man es von dem Christus normativ erwarten darf.
Aber was bedeutet nun diese Bezeichnung: Christus? Das bezeichnet ein Amt und das dies Amt Auszeichnende, sein Wesen Ausmachendes, das ist nur begreifbar, wenn der ganze Vorstellungsraum der christlichen Religion durchschritten wird und seine Bedeutung in dem Gesamtsystem der Theologie begriffen wird. Zur Veranschaulichung: Was ist die Bedeutung der „Schwarzen Dame“ im Schachspiel? Hier muß zuvörderst distinguiert werden zwischen der Bedeutung, die diese Figur im System des Schachspieles einnimmt und der Rolle, die diese Figur in einer bestimmten gespielten Schachpartie einnahm- (wie es etwa gelang in einer bestimmten Partie, diese Figur zu entwickeln). Die Theologie untersucht so die Bedeutung des Begriffes des Christus im Gesamtsystem der Theologie und nur so kann dann die Aussage: Jesus ist der Christus begriffen werden, wohingegen bei der Untersuchung individuierter Frömmigkeiten (also gespielter Partien) gefragt wird: Welche Bedeutung hat in ihr jeweils der Glaube an Jesus Christus?
Eines ist aber klar: Kein Schachspieler kann adäquat mit der Schachfigur „Dame“ in einer Partie agieren, der nicht ihre Bedeutung in dem Gesamtsystem des Schachspieles kennt und so dann Möglichkeiten, der dieser Figur enthalten sind, in einer gespielten Partie individuierend realisiert.
So kann der Glaube an Jesus, nur ein individuiertes Vertrauen auf Jesus, daß er der Messias ist, sein und verlangt, damit er wirklich ein Vertrauensglaube sein kann ein Fürwahrhalten der Lehre der Kirche als dem Gesamtsystem in dem erst die Aussage: Jesus ist der Christus ,begriffen werden kann.
Der christliche Glaube ist eben nicht eine Ansammlung von einzelnen wahren Aussagen, die jede für sich wahr ist und so jede für sich auch geglaubt werden kann. Hier gilt stattdessen, mit Hegel, daß das Ganze die Wahrheit ist und alles Einzelne nur als Teil des Ganzen. Erst das System des Ganzen ermöglicht dann erst einen individuierten Glauben, so wie nur das Gesamtsystem einer bestimmten Sprache ein individuelles Sprechen ermöglicht. (Vgl de Saussure zu Sprache als System und als Parole)
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