Montag, 31. Mai 2021

Ein Verdacht: Produzieren Theologen einen menschenfreundlichen „Ich hab Euch alle lieb Gott“, um den realen zu verdrängen?


Gott ist die Liebe“, das gilt zumindest in der nachkonziliaren Theologie als einzig wahre und relevante Aussage über Gott. Jesus Auftrag habe dann konsequenterweise in der Verkündigung dieses Liebesgottes bestanden, damit wir befreit von falschen uns ängstigen Gottesvorstellungen nun leben können im Vertrauen darauf, daß Gott das große Jawort ist zu uns allen Menschen, ach ja, natürlich auch zu allen Tieren.

Wenn gesagt wird: „Sie ist die Mutter“, dann käme niemand auf die Idee, daß die bezeichnete Frau nur Mutter sei, denn sie kann zudem auch eine Ehefrau, eine Bankangestellte, die Vorsitzende eines Sportvereins und noch vieles mehr sein. Warum sollte dann diese Aussage, Gott sei die Liebe, andere Aussagen, wie etwa: Gott sei die Gerechtigkeit, Gott sei die Heiligkeit, Gott sei die Allmacht...ausschließen?

Wir Christen verfügen über einen großen Textcorpus,der uns Geschichten von mit Gott erzählt, der uns über Gott belehrt. Wäre es da nicht der sicherste Weg, diese Texte zu befragen: Was sagen sie uns über Gott aus? Eine der bekanntesten Geschichten der Bibel ist die der Sintfluterzählung. Kaprizieren wir uns jetzt einmal nicht auf Noah und die Seinigen, die in der Arche (das Symbol für die Kirche) gerettet worden sind, sondern auf die unzählig Vielen, die in dieser Flut ertranken.Ist diesen Ertrunkenen Gott der Gott der Liebe gewesen?

Werden wir anschaulicher: Das Vorderbild ist uns bekannt: Eine Jüdin, sie dankt Gott aus ganzem Herzen für die Rettung ihres Volkes aus dem ägyptischen Sklavenhaus, Gott hat sein Volk unter der Führung von Moses aus Ägypten befreit. Aber wo es eine Vorderseite gibt, da ist auch eine Rückseite, eine verborgene, die aber zur Wahrheit genauso gehört wie die lichte Vorderseitengechichte. Eine ägyptische Frau, am Grabe ihres Kindes stehend, getötet durch den Engel Gottes und ein Soldat nähert sich ihr mit der Feldpostmeldung: Ihr Mann gefallen im Roten Meer bei der Verfolgung der jüdischen Flüchtlinge, ertränkt durch Gott. Daß der Jüdin Gott der Gott der Liebe ist, ist verständlich, aber niemand wird wohl sagen wollen, daß der Ägypterin, der um ihr totes Kind Trauernden Gott der Gott der Liebe war. Das wäre nur der Gott des Alten Testamentes, Jesu Gott sei ein ganz anderer, eine nicht nur von Marcion vertretende Meinung, diese These widerlegt leicht ein einziges Zitat aus der Johannesoffenbarung: „Da wurden die vier Engel losgebunden, die auf Jahr und Monat, auf Tag und Stunde bereitstanden, um ein Drittel der Menschheit zu töten.“ (9,15). Daß Gott ein Drittel der Menschheit am Ende der Zeit so durch seine Engel töten läßt, demonstriert unwiderlegbar, daß Gott nicht nur die Liebe ist.

Gott ist der Heilige, der das Leben gibt, es liebt und auch der, der das Leben zerstört. Der Gott der Gerechtigkeit belohnt den Gerechten und er bestraft den Sünder, das ist die Grundwahrheit auch der christlichen Religion. Diesen Gott abzuschaffen, den realen und durch das Konstrukt eines Gottes, der reduziert ist auf: „Ich hab Euch alle lieb“ surrogiert, ist das größte Unglück der nachkonziliaren Theologie, die durch diese Gotteslehre die Kirche auch ruiniert, weil sie so eine unwahre Theologie geworden ist. Sie verneint nämlich das Gottsein Gottes, seine Heiligkeit. (Vgl dazu: Rudolf Otto: Das Heilige und mein Buch: Der zensierte Gott)



Warum wird aber so der Gott, wie er real ist, in diesen „Nurliebgott“ transformiert? Weil seit den innerchristlichen Religionskriegen des 17. Jahrhundertes die Frage: Wie ist Gott?, ersetzt worden durch die Frage: Wie ist Gott zu denken, damit er kein Grund für Konflikte zwischen verschiedenen religiösen Vorstellungen von ihm werden kann? Der Gott, der als Nurliebegott konstruiert wird, ist eben ein Gott, dem faktisch alle Religionen gleichgültig sind, weil er als alle Liebender gedacht sich faktisch gleichgültig indifferent zu allen Religionen und auch dem Atheismus verhält. Wenn Gott so alle Differenzen gleichgültig sind, dann kann und muß auch uns alle möglichen Aussagen über Gott gleichgültig sein, solange nur an dieser einen Aussage festgehalten wird, daß er nur die Liebe ist und sonst nichts.Dies ist nun nicht ein Produkt einer vertieften Gotteserkenntnis sondern nur eine regulative Idee, um den innerweltlichen Frieden vor Religionskonflikten zu bewahren.

 

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