Samstag, 15. Mai 2021

Zur Lage der kirchlichen Theologie in postmodernen Zeiten (ein Orientierungsversuch)


Als das Spezificum der Postmoderne soll hier im Sinne Lyotards das Ende des Glaubens an die großen Erzählungen verstanden werden. Die Moderne lebte aus dem Glauben an solche Erzählungen. Wenn das christliche Abendland fundiert war in der christlichen Erlöungserzählung von dem Fall aus dem Paradies und der Rückführung der Menschheit in das Heil durch Gott durch dessen Kirche, so säkularisierte die Moderne diese Erzählung zu Emanzipationserzählungen des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit hin zur Freiheit in einer vernünftig gestalteten Welt. Nach dem endgültigen Scheitern des letzten Großversuches der Realisierung einer solchen großen Emanzipationserzählung im „Real existierenden Sozialismus“ zerfielen die Großerzählungen, es blieben nur noch Erzählfragmente übrig, die den postmodernistischen Diskurs ausmachen.

Die christliche Großerzählung transformierte sich dabei zu der Vorstellung des von Gott so wie er ist bejahten Menschen. Der Mensch wie auch Gott werden aus der Geschichte entnommen, punktualisiert zu einer einzigen Relation der göttlichen Bejahung. Gott ist nur noch das mir begegnende Ja zu mir. Das sagt viel aus über die Lage des postmodernen Menschen. Er ist nicht mehr etwas Substantielles, sondern er ist sozusagen fragmentiert in Funktionen, die er jeweils in den diversen Subsystemen der Gesellschaft einnimmt, um es verkürzt zu formulieren. Als Berufstätiger ist er eine Funktion in der Ökonomie, dann fungiert er als Konsument, dann in der Familie , in der Freizeit...In verschiedenen Subsystemen tritt er auf, im Raum der Medizin als Patient, im Raum des Rechtes als Klient, als Bürger im Raume des Staates, als Konsument....Das Besondere ist nun, daß der Mensch in den jeweiligen Subsystemen als denen Unterworfener erscheint, sie subjektivieren ihn, nicht beherrscht er sie. Das könnte man unter dem Aufschrei Foucaults vom Verschwinden des Menschen verstehen: Er ist nicht mehr in der Rolle des descartischen, ich denke, also bin ich, von wo aus er seine Welt konzipiert. Er ist zu einer Funktion in den Subsystemen ummoduliert worden.

Diesem so verschwundenen Menschen, der sich als Substanz verloren hat, er lebt nur noch als vielfältige Relationen, soll nun die eine Relation, die Gottes zu ihm restabilisieren, damit er dann in dieser so ausdifferenzierten Gesellschaft noch als Subjekt sich wahrnehmen kann. Er wird als etwas affirmiert, was er in der Gesellschaft nicht mehr sein kann, ein bestimmtes persönliches Sein. Durch das göttliche Du wird erst dies sonst so aufgelöste Ich wieder zu einem Ich. Während im substanzontologischen Denken, also metaphaysisch der Mensch ein Etwas war, das dann auch noch akzidentiell Relationen unterhielt, erst kommt das Ich als Subjekt, von dem dann auch noch Prädikate ausgesagt werden können seines Tuens und Erleidens (aktiv und passiv), so mutet uns das nachmetaphysische Denken seit Nietzsche Handlungen als Ereignisse ohne ein sie hervorbringendes Subjekt zu, etwa nach dem Muster, daß der Aussage: Es blitzt!, nicht ein Subjekt, der Blitz zu Grunde liegt, der dann auch noch tätig wird, indem er blitzt. Für Nietzsche ist das Subjekt ja ein Glaube an es, evoziert durch unser sprachliches Denken in der Subjekt-Prädikat-Struktur.

Das so in nachmetaphysischen Zeiten verloren gegangene Subjekt soll nun durch die Relation der Liebe Gottes zu ihm neu konstituiert werden, als Hervorbringung durch die göttliche Anrufung. Ich werde Ich, weil Gott mich anruft. (Eine säkularisierte Version findet sich davon bei L. Althusser durch die Vorstellung des Angerufenwerdens als Subjektkonstitution.)

Die großen Emanzipationserzählungen (Lyotard) sind immer konzentriert auf den Menschen als das Subjekt einer Selbsterlösungskonzeption, Mit der großen Desillusionierung verschwand auch der Glaube an den Menschen als das die Welt neu erschaffen könnende Subjekt, er verliert so ganz seine Stellung als das Ich, dem die Welt seine Aufgabe ist im Sinne einer Weltgestaltung. (Vgl dazu etwa Fichte). Ja dieses exzeptionelle Ich gerät nun in den Generalverdacht, die Ursache allen Unglückes zu sein, indem es als das der Welt gegenüberstehende Ich zum sie ausbeutenden und zerstörenden Subjekt avanciert ist.

Dem soll nun ein anderes Ich gegenübergestellt werden, das postmodern christliche,das gerade nur aus seiner Relation aus Gott her lebt und so auch befähigt wäre, seinen Relationen zu allen anderen, Menschen wie der Umwelt eine andere Qualität zu geben, sie werden ihm so wesentlich, sie sollen nicht mehr bloß akzidentiell sein.

Die Theologie versucht so also, dem Menschen der Postmoderne therapeutisch unter die Arme zu helfen, indem sie den Menschen neu konstituieren will. Dem liegt das postmoderne Axiom zu Grunde, daß der Mensch sich erst durch seine eigenen Narrative zum Menschen macht, er ist, wie er sich selbst erzählt aber nur noch als eine Simulation ohne eine sie fundierende Substanz.

 

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