Ein beliebtes Narrativ: Das Urchristentum sei im Geiste Jesu pazifistisch gesonnen, aber spätestens seit dem Kaiser Konstantin habe es sich korrumpieren lassen und bejahte so den Militärdienst, daß Christen den Beruf des Soldaten ausüben könnten.Bei C. Ronnefeldt liest sich das dann :
„Der Pazifismus im frühen Christentum ist auch heute hochaktuell. Rund 1700 Jahre nach der Konstantinischen Wende im Jahre 312 hat sich vor allem in Deutschland die Kirche von diesem Datum friedenstheologisch und friedenspraktisch noch immer nicht erholt. Die Bande speziell in Deutschland zwischen dem Staat, der sich militärischer Mittel bedient, um seine Interessen auch mit Gewalt durchzusetzen, und den beiden katholischen und evangelischen Kirchen, die dem Evangelium und der Nachfolge Jesu nach zur Gewaltfreiheit verpflichtet sind, sind nach wie vor eng.“ (zitiert nach: https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/008008.html)
So gut sich dies Narrativ vom sich korrumpieren lassenden Urchristentum in die allgemeine protestantische Erzählung vom Abfall der sich herauskristallisierenden Katholischen Kirche vom Urchristentum hineinpaßt, so zweifelhaft ist es doch, ob diese Erzählung auch stimmt. Eines muß bei der Analyse des urchristlichen Pazifismus nämlich mitbedacht werden, daß es zu Zeiten Jesu und danach eine klare Alternative zu diesem urchristlichen Pazifismus gegeben hat: die im jüdischen Volk verwurzelte zelotische Bewegung, die die Befreiung des jüdischen Volkes von der Römischen Beherrschung erstrebte und eine Neuaufrichtung eines jüdischen Königstumes erstrebte. Diese Bewegung war vielleicht nicht von Anfang an militant ausgerichtet, extremisierte sich dann aber und führte zum offenen Aufstand gegen die Römische Fremdherrschaft. Als das Volk statt der Freilassung von Jesu die des Barabbas forderte, kann das seinen Grund darin haben, daß Barrabas, um es modern auszudrücken ein militanter Aktivist der zelotischen Bewegung war, die eben auch gewaltsam gegen jüdische Kollaboratore vorgingen.
Wenn Schüler Jesu ihn frugen: „Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?“ (Apg 1,6), zeigt dies auch eine gewisse Nähe zumindest eines Teiles seiner Anhänger an zelotische Vorstellungen. Zum besseren Verständnis des zelotischen Anliegens wäre ein Studium der makkabäischen Frömmigkeit unerläßlich, der heroisch um ihre Freiheit kämpfenden Juden. (Aber seit Luthers Verbannung der Makkabäerbücher aus dem Kanon fristen sie leider auch im katholischen Raum ein Schattendasein.)
Das Urchristentum setzte sich nun klar von diesem religiös- nationalrevolutionären Ansinnen ab. Paulus Lehre vom Staat ist eine klare Absage an den Zelotismus in seinem Nein zum Römischen Staat. Jesu Aussage: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“, (Joh 18,36) ist auch eine klare Absage an das zelotische Unterfangen,
Ja, der Apostelfürst Paulus muß geradezu seine jüdischen Volksgenossen schockiert haben, als er ihnen diesen das jüdische Volk unterdrückenden Staat als von Gott gewollte Obrigkeit darlegte. Paulus bejaht dort ohne jede Kritik die Staatsgewalt, das weltliche Schwert, durch das Gott die Welt nämlich regiert.Nun wäre es fürwahr paradox, die Schwertgewalt des Staates als von Gott her legitimiert zu bejahen, aber den Dienst an der Waffe als für Christen unzumutbar zu verurteilen. Wenn der Staat durch sein Schwert Gottes Gerechtigkeit dient, dann kann ein Christ nicht gleichzeitig sagen, daß dieser Waffendienst für ihn als Christen mit seinem Glauben unvereinbar sei. So ist es folgerichtig, daß Christen im Römischen Herr Dienst taten, denn das ist die Konsequenz aus der urchristlichen Bejahung des Römischen Staates.
Der sogenannte urchristliche Pazifismus wandte sich nicht gegen die Römische Staatsgewalt sondern war das Nein zur zelotischen Militanz, revolutionär sich von Rom zu befreien. Es muß wohl davon ausgegangen werden, daß die Nichtbeteiligung der Judenchristen an dem jüdischen Befreiungskampf wider die Römische Fremdherrschaft ein Negativverhältnis zwischen Juden und den Christen evozierte, sodaß nicht nur die religiösen Differenzen zur Entzweiung von der Synagoge und der Katholischen Kirche führten. Aber gerade in diesem Nichtmitmachen erwies sich die Kirche ganz treu dem urchristlichen Ansinnen, sich nicht an einem gewaltsamen Aufstand gegen Rom anzuschließen.
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