So könnte diesbezüglich argumentiert werden: Weil durch die gelebte Treue in einer homosexuellen Beziehung eine Tugend gelebt wird, die konstitutiv ist für die Ehe: Wenn einer der Ehepartner vor der Eheschließung erklärte, daß er die Option einer späteren Ehescheidung für sich offen halten möchte oder gar während der Ehe sich Seitensprünge erlauben möchte, verstieße das so gravierend gegen die Ordnung der Ehe, daß sie als ungültig geschlossen zu beurteilen ist, ist auch eine homosexuelle Partnerschaft positiv zu würdigen durch die Kirche, also: Sie ist zu segnen.
Ist aber die Treue an sich etwas Tugendhaftes? Imaginieren wir uns diesen Fall: Ein Mafiaboß lobt einen seiner Mitarbeiter so: Stets habe er treu und gewissenhaft alle Aufträge erfüllt. Selbst als er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, verriet er keinen der Mittäter, so treu erwies er sich auch und gerade in dieser Situation.
Diese Treue kann unmöglich als etwas Tugendhaftes angesehen werden. Daß er dann gar noch die Bestrafung der Mittäter verhinderte durch seine Treue zu ihnen, zeigt deutlich, daß in diesem Falle die Treue ein moralisches Fehlverhalten ist. Der Verrat der Mittäter wäre hier etwas Tugendhaftes, die Treue führt dagegen dazu, daß Verbrecher straflos davonkommen und erweist sich so als Untugendhaftes.
Ergo: Erst der Kontext der praktizierten Treue macht die Treue zu einer Tugend oder kann sie zu einem moralischen Fehlverhalten machen. Die Treue des Ehemannes ist prinzipiell etwas anderes als die Treue eines bewährten Mitarbeiters einer kriminellen Organisation. Also macht die praktizierte Treue in einer Homobeziehung diese nicht zu einer moralisch gut zu beurteilenden Beziehung. Es müßte zuerst bewiesen werden, daß eine Homobeziehung etwas moralisch Gutes sei, um dann erst folgern zu können, daß die in ihr gelebte Treue etwas Gutes sei.
Ist denn nun aber die eheliche Treue unbedingt eine Tugend, die auf jeden Fall zu praktizieren ist? Spontan wird diese Frage zu bejahen sein, aber die Spontanität und Selbstverständlichkeit, mit der diese Antwort erfolgt, läßt uns schon nichts Gutes erahnen, weil eben das Leben komplexer ist, als daß spontane Antworten wahr sein könnten. Sie verlangen gerade einer genauesten Prüfung und erweisen sich dann oft als zwar im Prinzip wahr, aber nicht für jeden denkbaren Fall.
In der Bibel werden oft moraltheolgische Fragen nicht begrifflich distinkt erörtert und beantwortet sondern durch Modellerzählungen: Wenn dieses Problem auftritt, dann ist das so, wie es jetzt erzählt wird, zu lösen. Solche erzählten Ereignisse sollen den Leser nicht einfach nur rapportieren, was sich einst wie ereignet hat sondern ihn auch vor Augen führen, wie er in solch einer Situation zu handeln habe. Sie weisen so neben der deskriptiven Intention auch und gerade eine präskriptive Intention auf.
Wenn also eine Ehe kinderlos blieb, hat die Ehefrau die Pflicht, dem Mann den Geschlechtsverkehr mit einer anderen Frau zu erlauben, bis sie von ihm schwanger wird. Dann gilt aber nicht die biologische Mutter als die Mutter des Kindes sondern es gilt juristisch als legitimes Kind des Ehepaares. Daß diese Lösung nicht problemlos ist, wird nicht verschwiegen. Aber um das größere Übel einer kinderlosen Ehe zu verhindern wird das kleinere Übel dieser ehelichen Untreue in Kauf genommen.
Zu erörtern ist nun noch, ob es sich bei der Zweitbeziehung um eine Zweitehe handelt oder ob die Zweitbeziehung, in der dann das Kind gezeugt wird als eine außereheliche zu qualifizieren ist. Da daß so entstandene Kind als eheliches der Erstbeziehung angesehen wird, ist wohl zu urteilen, daß die Zweitbeziehung keine Ehe ist, sonst wäre ja die biologische Mutter auch die rechtliche. In jedem Falle aber wird die Ordnung der Ehe aufgelöst, um ein legitimes Kind zu erzeugen.
Moraltheologisch reflektiert: Die Ehe ist um des Zweckes der Nachkommenschaft. Wenn die Ordnung der Ehe, hier das Ordnungselement der ehelichen Treue die Verwirklichung des Zweckes der Ehe verunmöglicht, darf gegen dies Element der Ordnung der Ehe verstoßen werden, um den Ehezweck zu realisieren. Die Gebote Gottes stehen nicht alle gleichwertig in einer Reihe sondern sind hierarchisch geordnet. In diesem Falle: Das erste Gebot lautet: Seid fruchtbar, mehret euch. Dies Gebot soll in der Ordnung der Ehe realisiert werden. Wenn aber die Ordnung der Ehe die Realisierung des Zweckes der Ehe verunmöglicht und der Zweck der Ehe im ersten Gebot Gottes vorgegeben ist, dann darf die Ordnung der Ehe relativiert werden. Die eheliche Untreue ist dann erlaubt.
Also ist nicht einmal in der Ehe die Treue ein absoluter Wert.Führte die praktizierte Treue zu einer Verunmöglichung des Ehezweckes, dann darf auch gegen dies Ordnungselement der Ehe verstoßen werden.
(Heutzutage könnten aber schon zu erlaubende „kleinere“ Verstöße gegen die Eheordnung dies Problem kinderloser Ehen lösen, etwa, daß Befruchtungen in vitro von der Kirche erlaubt werden, denn wenn eine natürliche Befruchtung nicht möglich ist, könnte eine künstliche gestattet werden, damit das Ziel der Ehre realisiert werden kann.)
Ein einfaches Beispiel möge dies veranschaulichen: Ein Arzt steht an einer Verkehrsampel, die auf Rot geschaltet ist. Eine Fußgängerin auf der gegenübrigen Straße stürzt und bleibt am Boden liegen. Darf nun der Arzt die Ampel bei Rot überqueren, um dann da die Erste Hilfe zu leisten oder muß er die allgemeine Straßenverkehrsordnung befolgend auf das Grüne Licht der Ampel warten? Das oberste Ziel der Regulierung des Straßenverkehres ist es, Unfälle und gar Personenschäden so weit wie möglich zu verhindern. Dem ist auch die Regelung des Straßenverkehres durch die Verkehrsampeln subordiniert. Wenn nun in diesem Falle der Arzt diese Ordnung einhält, gefährdet er das Ziel, um dessentwillen Willen die ganze Verkehrsordnung konzipiert ist, Personenschäden im Verkehr so weit wie möglich zu verhindern. Denn ist es nun denkbar, daß die gestürzte Frau verstirbt, wenn der Arzt wartet, bis die Ampel auf Grünlicht schaltet.
Dieses Problem ist nur lösbar, wenn die innere Hierarchie der Straßenverkehrsordnung zur Grundlage der Lösung hinzugezogen wird. Nicht jede Bestimmung ist von gleichem Wert. Das gilt auch für die Ordnung der Ehe. Die Tugend der Treue kann dann nicht als absoluter Wert beurteilt werden, zumindest solange nicht, wie die hl. Schrift noch auch als das Fundament der christlichen Morallehre angesehen wird.
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