Mittwoch, 16. Juni 2021

Gibt es christliche Traditionen, die für sexuelle Mißbräuche in der Kirche förderlich sind?

 



Wer die aktuelle Debatte hierzu auch nur unaufmerksam verfolgt, wird diese Frage ad hoc bejahen müssen. Die Übeltäter sind allen inzwischen bekannt: In unendlichen Wiederholungen wird uns diese Litanei vorgetragen: Der Klerikalismus, das überhöhte Amtsverständnis, die hierarische Verfaßtheit der Kirche, ihr Mangel an Demokratie sei an allem Elend der Kirche und somit auch der sexuellen Mißbräuche schuld. Daß dabei das Faktum, daß circa 80 Prozent der Opfer männlichen Geschlechtes sind, wird dabei stets verschwiegen, damit niemand von daher die Frage stellt, ob dies einen Hinweis auf die sexuelle Orientierung der Täter zuließe. Dazu dient dann ja auch der nebulöse Begriff der „sexualisierten Gewalt“, der verschleiern soll, daß diese Mißbräuche primär um der sexuellen Befriedigung der Täter vollzogen werden und nicht darum, irgendwelche Herrschaftsverhältnisse aufzubauen oder zu stabilisieren. Durch diesen nebulösen Begriff soll stattdessen das Täterbild des Klerikalismus Vorschub geleistet werden, denn der sich klerikal verstehende Priester sei nun mal ein Mensch, dem es hauptsächlich um die Lust am Herrschen und Beherrschen ginge.

Kann es aber doch spezifisch christliche Traditionen geben, die ein für sexuelle Übergriffe förderliches Klima in der Kirche hervorbringen? Ich befürchte: Ja!

Einer der verhängnisvollsten Traditionen wurzelt in einer problematischen Auslegung dieser Bergpredigtaussage. Jesus sagt da selbst: Leistet dem, der euch Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn er dich auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin.“ (Mt 5,39) Wenn diese Aussage nun auf eine Frau bezogen wird, die von einem Mann vergewaltigt wird, was besagt diese Stelle dann für das Opfer der Vergewaltigung? Daß der Mann ihr Böses antut, ist unbestreitbar. Sagt Jesus nun zu ihr: Leiste dem Vergewaltiger keinen Widerstand? Leistete die Frau nun aber dem Vergewaltiger gegenüber Widerstand, handelte sie dann nicht wider Jesu Bergpredigt?

Es kommt noch schlimmer: Wenn die vergewaltigte Frau danach den Täter bei der Polizei anzeigt, ist das vereinbar mit dem dem Täter keinen Widerstand zu leisten? Immerhin droht dann einem überführten Vergewaltiger eine Gefängnisstrafe und das wäre eine Form von Gewalt dem Täter gegenüber. Zudem gilt ja noch das christliche Gebot der Vergebung denen, die Böses uns angetan haben. Kann hier das Opfer dem Täter vergeben und gleichzeitig ihn anzeigen, sodaß er, wenn er schuldig gesprochen wird,inhaftiert wird?

Spontan wird sicher spätestens jetzt jeder Leser einwenden, daß so Jesus niemals seine Bergpredigt und sein Gebot der Sündenvergebung gemeint haben kann. Aber eines ist doch nicht wegdiskutierbar: daß dies so interpretiert werden kann, daß eine Frau, vergewaltigt, nur mit schlechtem Gewissen den Täter bei der Polizei anzeigen wird und wenn sie ihn gar kennt und vertraut mit ihm ist, dann auf eine Anzeige verzichtet. „Müßte ich denn dem Täter nicht verzeihen, wenn ich eine gute Christin sein will?“, diese Frage macht das Opfer zu einem wehrlosen Opfer. Der einmal sie vergewaltigt Habende kann sie dann immer wieder vergewaltigen, weil sie ihm sich nicht zu widerstehen traut!

Eines muß uns klar sein: Wenn jeder Christ,dem, der ihm Böses antuen will, keinen Widerstand leistete, würde in Kürze die Welt sich in eine Hölle verwandeln . Die Bösen würden immer böser, weil ihnen nicht widerstanden werden würde. Mir passiert nichts, Christen wehren sich nicht und wenn ich eine christliche Frau vergewaltigt habe, wird sie nicht nur sich nicht widersetzen, sondern mir auch verzeihen und so mich nicht bei der Polizei anzeigen. Kann es einen besseren Boden für sexuelle Mißbräuche geben als diesen? Der Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte einst, daß kein christlicher Politiker auf die Idee kommen dürfe, mit der Bergpredigt die Welt regieren zu wollen. Der Teufel würde triumphieren und die ganze Welt so in seine Hölle verwandeln.

Die Bergpredigt und insbesondere diese Aussage Jesu muß anders verstanden werden, denn es kann unmöglich Jesu Wille sein, die Welt in eine Hölle zu verwandeln, in der die Gläubigen von den Bösen zu Tode gequält werden können. Schon das Gebot der Nächstenliebe verlangt, daß ein Opfer einer Vergewaltigung den Täter anzeigt, damit er inhaftiert daran gehindert wird, weitere Frauen zu vergewaltigen. So darf das Gebot der Vergebung nicht das Recht, den Täter anzuzeigen, ausschließen.

Diese Aussage Jesu muß also so ausgelegt werden, daß die Auslegung nicht dem Gebot der Nächstenliebe widerspricht. Da Jesus uns Menschen auch das Recht zur Selbstliebe zuerkennt, auch wenn es christliche Traditionen gibt, die der ablehnend gegenüberstehen, muß diese Aussage auch kompatibel mit der erlaubten Selbstbejahung ausgelegt werden. Aber diese Passage der Bergpredigt ist nicht davor geschützt, anders ausgelegt zu werden und zwar so, daß sie sexuelle Mißbräuchen ein förderliches Klima erschafft: Widersetze dich nicht denen, die dir Übles antuen.

Aber noch eine andere Vorstellung schafft in der Kirche ein sexuelle Mißbräuche förderndes Klima: Gott liebe den Menschen unbedingt! Das klingt schön und gut, rückt Gott fern von der Vorstellung eines zürnenden und strafenden Gottes, von dem die nachkonziliare Kirche ja nichts mehr wissen will: Gott ist eben nur die Liebe, die zu jedem Ja sagt. Aber was sagt dann Gott zu dem Vergewaltiger? Nichts anderes als zu einem Heiligen: Dich liebe ich! Denn Gottes Liebe sei ja unbedingt, sodaß ein Mensch, wie arg er auch sündigen mag, nie aus dieser Liebe Gottes herausfallen könne. Die Liebe Gottes sei eben nicht an irgendeine Condition gebunden, etwa der: Wenn Du aber Frauen vergewaltigst, werde ich aufhören, Dich zu lieben. Wenn Dostojewski einst schrieb: Wenn kein Gott ist, dann ist alles erlaubt, dann gilt genauso: Wenn Gott der Gott der unbedingten Liebe ist, dann ist auch alles erlaubt, Denn eine Tendenz zur Allversöhnung wohnt dieser Gottesvorstellung inne: Weil Gott jeden unbedingt liebt, wird er auch jedem das ewige Leben im Reich Gottes gewähren, egal, wie sehr er gesündigt haben wird in seinem Leben. Ist diese Gottesvorstellung nicht die effektivste Ermutigung zum Sündigen? Selbstredend ist diese Gottesvorstellung inkompatibel mit dem Zeugnis der hl. Schrift und der Lehre der Kirche, aber in den nachkonziliaren Zeiten wird so oft in der Kirche gepredigt. So kirchlich Sozialisierte, wie leicht verführt dieser Liebesgott dann zum Sündigen, und somit auch zu sexuellen Übergriffen!

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