(oder was das verbürgerlichte Christentum aus dem Kreuz Christi machte und daß so auch nicht mehr das Wesen des Staates begriffen werden kann)
„Sie werden dem Leben des Gerechten nachstellen,und unschuldiges Blut verdammen“ = Captabunt in animam justi: et sanguinem innocentem condemnabunt“ Psalm 94,21.
Ob des Futures und der theologischen Auslegungsregel, daß die Psalme den Messias verkündigen, liegt es nun nahe, diese Aussage als prophetische Ankündigung der Passion Christi zu lesen.Weil Jesus gerecht war, evozierte er seine Ablehnung durch die Ungerechten, so sehr daß sie ihn am Ende töteten. Jesus war seine Evangeliumsverkündigung dabei so wichtig, daß er trotz der zunehmenden Tötungandrohungen sich nicht von seinem göttlichen Auftrag abbringen ließ.
Die Passion Christi, ihren Höhepunkt im Kreuzestod findend (wieso eigentlich, denn das Eingehen in die Hölle, in das Reich des Todes, wie man jetzt abmildernd redet, war doch noch viel schlimmer), habe so genau genommen gar keine Heilsbedeutung, sie zeige doch nur, wie grausam Menschen gegen einen Gerechten vorgehen, dessen Gerechtigkeit für sie unerträglich ist.Der Gerechte, jeder Gerechte habe eben mit der Mißgunst, ja dem Haß der Ungerechten zu rechnen, weil er eben nicht mit den Wölfen heult.
So wird oft das Kreuz Christi als das Symbol des Leidens Unschuldiger verstanden, das uns alle auffordert, den so Leidenden zu helfen, damit ihr Leiden ein Ende hat. Aber was wäre denn nun geschehen, wenn der Richter Pontius Pilatus erklärt hätte: „Dieser Angeklagte ist unschuldig und so sehr nun auch seine Ankläger und das ganze Volk seine Kreuzigung fordern,ich lasse ihn frei, weil er unrechtens angeklagt wird“? Ein Gerechter wäre dann nicht zu Tode verurteilt worden, die Römische Justiz hätte sich als eine rechtsstaatliche erwiesen. Wenn Jesu Kreuz keinerlei soteriologische Bedeutung hätte, hätte also sein Freispruch keine Negativfolgen gezeitigt.
So wäre der Skandalon des Kreuzes endgültig beseitigt durch die These, daß das Kreuz Christi so bedeutungslos sei, daß wenn es nicht geschehen wäre, das nichts ausgemacht hätte. Dann wäre eben der Gerechte mit seiner Evangeliumsverkündigung nicht von den Ungerechten getötet worden. Das Kreuz Christi wäre nämlich gar kein Element seiner Verkündigung gewesen,sodaß es dem Evangelium gleichgültig gewesen wäre, ob ihr Verkünder nach einem erfüllten Leben lebenssatt verstorben wäre oder hingerichtet am Kreuze seinen Tod fand. Wichtig wäre nur, daß Gott den Gerechten nach 3 Tagen von den Toten auferwecke, damit so Gott zeige:Das war ein Gerechter, an dem ich mein Wohlgefallen hatte und habe.
Aber wie konnte dann der Apostelfürst Paulus sich zu dieser Aussage versteigen: „Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden.“ (2 Korinther 5,21)? Jesus war doch der Gerechte und nun wurde der zur Sünde, zum Ungerechten? Dann hätte der Richter Pilatus ja gar keinen Unschuldigen und Gerechten zum Tode verurteilt sondern einen Sünder! Wie kann denn überhaupt, so muß jetzt gefragt werden, ein Gerechter zu einem Ungerechten, zu einem Sünder werden und hat dann gar Pilatus recht gehandelt, als er so Jesus zu Tode verurteilte?
„Das haben alle Propheten gesehen, daß der zukünftige Christus der größte Räuber, Mörder, Ehebrecher, Dieb, Tempelschänder, Lästerer etc. sein würde, der durch keinen Verbrecher in der Welt je übertroffen wird.“
So radical begreift Luther hier das „für uns zur Sünde gemacht“ und man kann nicht umhin, urteilen zu müssen, daß nur sehr wenige so konsequent diese Paulusaussage verstanden haben. Jesus hat natürlich nicht selbst all diese Sünden getan, aber er hat alle getanen und zukünftig getan werdenden Sünden zu seinen gemacht, wie jemand erklären kann: „Für alle Schulden meines Freundes komme ich jetzt auf, ich löse die Schuldscheine ab.“ Der Freund ist so schuldenlos geworden, weil ein anderer sie für ihn beglich.
Nun stand tatsächlich vor dem Richter Pilatus der Schuldner, der die Strafe, die alle Menschen abbüßen müßten nun an ihrer Statt am Kreuze abbüßen wollte und nach Gottes Willen auch abbüßen sollte. Welch eine Paradoxie: Der Gerechte macht sich zum Sünder, damit die Sünder gerecht werden! So verurteilt Pilatus, indem er den Unschuldigen verurteilt, den, der die Schuld aller auf sich nimmt und so zum wirklichen Sünder wird obzwar er nie gesündigt hatte.
Was wäre nun aber geschehen, wenn Pilatus diesen Unschuldigen und doch Schuldigen frei gesprochen hätte? Jesus wäre der Gerechte geblieben und wir Menschen die Ungerechten. Er hätte dann -objektiv geurteilt – gesagt:“Sie wollen die Schuld aller anderen begleichen. Das akzeptiere ich nicht. Sie sind ohne Schuld, sie brauchen so auch keine Schulden zu begleichen, das fordere ich als gerechter Richter nur von den wirklichen Schuldnern!“
Indem der römische Richter diesen Unschuldigen verurteilte, verurteilte er den Schuldigen, der alle Schuld der anderen zu seiner Schuld gemacht hatte.So diente Pontius Pilatus als Römischer Richter der göttlichen Gerechtigkeit.
Erstaunliches: „Über das Leben des historischen Pilatus sind nur wenige Einzelheiten bekannt. Legenden versuchten die Lücken auszufüllen. Ab etwa 100 n. Chr. entstanden Heiligenlegenden, nach denen sich Pilatus zum Christentum bekehrt habe und wie sein Vorbild Christus am Kreuz gestorben sei.“ (Wikipedia über Pilatus) Warum konnten solche Legenden über diesen so „ungerechten“ Richter entstehen? Ein Grund war wohl der, daß es Christen schwer fiel zu glauben, daß dieser Richter, der so im Dienste der Gerechtigkeit Gottes gestanden hatte, als Ungläubiger gestorben sei und somit als Ausgeschlossener vom ewigen Heil: Er hatte doch sein Todesurteil uns gerettet – denn wir wären ja noch Ungerechte, wenn er nicht für uns zu dem Ungerechten geworden wäre.
Aber von diesem Kreuzesskandalon will der moderne Christ nichts mehr wissen: Jesus war einfach ein guter Mensch, den ein paar Machtgierige töteten, aber Gott erweckte ihn, um uns zu zeigen: Der war mir recht. Lebt auch so!
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