Dienstag, 5. April 2022

Nie hatten wir so viele Feinde und warum seit dem ist die politische und religiöse Welt wieder in Ordnung ist

Ein paar Gedanken zu: Feindbilder – Feindesliebe – Gibt es überhaupt Feinde?



Daß Jesus zur Feindesliebe aufgefordert hat, das ist allseits bekannt, aber was damit gemeint ist, ist umso unklarer. „Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.“ (Mt 5,44) Sollte nun das „und“ explikativ gelesen werden, dann hieße das: Eure Feinde sind die, die euch verfolgen und für die habt ihr zu beten. Es könnte aber auch als ein veranschaulichendes Beispiel gemeint sein, daß die geforderte Feindesliebe dann gegenüber den Verfolgern darin bestünde, für diese zu beten.

Was könnte dann das Ziel dieses Betens sein? Sicher soll der so geforderter Christ nicht beten, daß seine Verfolger erfolgreich die Christen verfolgen. Soll er beten, daß sie mit den Christenverfolgungen aufhören sollen. Nur so würde wohl jeder Verfolgte beten auch wenn er seine Verfolge statt zu lieben hassen würde.

Noch verworrener wird diese Anordnung Jesu, wenn man sich vor Augen hält, daß die Liebe ein Gefühl, ein starker Affekt ist: Wie kann ein Gefühl gefordert werden? Ein Vorgesetzter kann sehr wohl von einem ihm Untergebenen ein respektvolles Verhalten fordern, aber nicht das Gefühl des Respektes ihm gegenüber. Ein um einen Verstorbenen Trauernder kann rechtens erwarten, daß man Rücksicht auf seine Trauer nimmt, aber das Gefühl des Mitleidens ist nicht einforderbar. Ein dem Trauernder Nahestehender mag vielleicht dies Gefühl des Mitleides simulieren, sich so äußerlich verhalten, als empfände er dies Gefühl des Mitleides, aber er kann nicht zu sich sagen: Mitleid muß ich nun empfinden, also empfinde ich es auch. Zur Kultur gehört wohl unbedingt eine solche Simulationsfähigkeit, ohne die ein humanes Miteinander nicht möglich wäre, aber so würde keiner dem Gebote der Liebe und dem der Feindesliebe gerecht werden, wenn darunter wirklich der Affekt der Liebe gemeint ist.

Befehlen kann eigentlich nur dem Willen: Du hast das zu wollen! Dann könnte der Befehl zur Liebe wie auch zur Feindesliebe im Sinne des hl Thomas begriffen werden als Anordnung, Gutes dem zu Liebenden zu wollen und zu tuen. Dann wäre die Liebe hier dieser Wille. Was ist dann aber für den Feind das oder etwas Gutes, das der Christ ihm tuen sollte? Meinte man nun, das Gute sei das, was der Feind für sich subjektiv als gut erachtet, dann müßte ein Christ wirklich beten: Helfe ihm, daß er erfolgreich uns verfolgt. Denn genau das hält der Feind für gut. (Es sei an Saulus, dem Verfolger der Christen erinnert!) Also muß wohl um das objektiv Gute für den Verfolger gebetet werden, daß er also mit dem Verfolgen der Christen aufhört, denn das Aufhören wäre auch und gerade für ihn etwas Gutes, daß er so aufhört zu sündigen, indem er Christen verfolgt.



Aber prinzipieller gefragt: Gibt es denn überhaupt Feinde? Sind Feindschaftsverhältnisse vielleicht nur das Produkt wechselseitiger Feindbilder? A sieht in B seinen Feind, er erschuf sich sein Feindbild B und der sieht in A seinen Feind, der gar nicht wirklich sein Feind ist. Würden Beide ihre inneren Feindbilder in sich überwinden, dann löste sich diese, ja jede Feindschaft auf. Dann könnte die so geforderte Feindesliebe meinen, daß im „Feind“ der Mitmensch entdeckt wird, und daß dann, wenn der vermeintliche Feind nicht mehr wie ein Feind behandelt wird, er aufhört, ein Feind zu sein, weil er es objektiv gesehen nie war.



Wird diese Frage theologisch diskutiert, fällt notwendigerweise die Antwort eindeutig aus: Es gibt den Feind, den Menschenfeind, den Teufel.Da nun dieser auch immer Menschen in seinen Dienst stellt, gibt es dann neben diesem Primärfeind auch Zweitfeinde, die in seinem Dienste. Die christliche Religion steht damit nicht allein, alle monotheistischen Religionen kennen diesen Gottes- und Menschenfeind. Polytheistische Religionen führen die Widerstreite und Konflikte in der Welt auf die Differenzen zwischen den Göttern zurück, monotheistische auf den Antagonismus zwischen Gott und dem Satan. Dieser Gegenpart ist in dem monotheistischen Denken eine Notwendigkeit, weil sonst alle Widerstreite und Konflikte in der Welt, weil dann alles aus Gott allein zu denken wäre, nur den Status von Scheinkonflikten bekommen könnten. Der Mensch als alleiniger Widerpart Gottes erscheint zu schwach, um ihn als die alleinige Quelle alles Gottwidrigen ansehen zu können.

Es gibt also zumindest ein berechtigtes Feindbild, das des Satans und seiner menschlichen Diener. Theologisch ist aber nun weiter zu fragen, ob nicht ob der erbsündlichen Verfaßtheit des Menschen Thomas Hobbes Diktum: Der Mensch ist des Menschen Feind wahrer ist als der Glaube an das Gut - und Friedlichsein jedes Menschen? Jeder Blick in ein Geschichtsbuch, auch und gerade der letzten 2000 Jahre gibt Hobbes mehr recht als allen Optimisten mit ihrem Glauben an das Gut - und Liebsein des Menschen.

Für den politischen Raum mit seiner Vorliebe für Feindbilder gilt so erst mal, daß es berechtigt ist, von einer zwischenmenschlichen Feindschaft auszugehen, die erst durch Institutionen gebändigt , die aber auch durch Institutionen potenziert werden können. In unserem Medienzeitalter übernehmen dann gerade die Massenmedien die Propagierung von politischen Feindbildern. Es sei nur an die Kriegspropagandabilder im 1.Weltkrieg erinnert, die deutsche Soldaten zeigten, belgischen Kindern die Hände abhackend oder die Horrorgeschichte der irakischen Soldaten, die Kleinkinder auf den Boden warfen und sie dann mit ihren Militärstiefeln zu Tode zertraten. Alles Haß erzeugende und somit effektive Kriegspro-paganda. Im Kriege stirbt die Wahrheit als erstes. Das gilt für jeden Krieg. Fast schon skurril ist es dann, wenn Westmedien russischen Bürgern vorwerfen, Putins Kriegspropaganda Glauben zu schenken, um gleichzeitig ihre eigene als reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit anzupreisen.

Aber nicht jeder politisch propagierter Feind ist nun auch wirklich ein Feind. Die Produktion der Feindbilder ist nun mal selbst eine politische Praxis, die man nicht mit dem philosophischen Diskurs verwechseln sollte.Wenn in der westlichen Welt die politische Korrektheitsideologie bestimmt, wer der Feind ist, und wie er zu bekämpfen ist, dann sind das rein ideologische Konstruktionen. Erst durch diese Ideologie entstehen diese Feinde. Nur die Bereitschaft, Feindbilder anzunehmen, sie zu praktizieren: Mit wem rede ich nicht mehr?, wen habe ich zu meiden?, und was muß ich verurteilen?, resultiert aus dieser erbsündlichen Neigung zur Feind-schaftsbereitschaft. Der Wille, Feinde zu haben, der entspringt eben der postlapsarischen Natur des Menschen und dieser Wille findet oder erfindet sich dann seine Feinde. Die „liebt“ er dann, weil er nun den kennt, der für alle Übel verantwortlich ist.

Der politische Diskurs präsentiert dann die so gewünschten und ersehnten Feindbilder, jetzt Putins Russen und die Feinde im Inneren, die „Putinversteher“, der religiöse Diskurs die Fundamentalisten,den Klerikalismus und die Traditionalisten...Ach, wie viel Feinde haben wir- so gut geht es uns nun! Nur die darf man nicht lieben, denn solche würde nicht mal Jesus lieben – das wissen alle Gutmenschen der öffentlichen Diskurse- und darum werden diese Feinde heißinnig „geliebt“!



 

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