Sonntag, 3. April 2022

Aufklärer oder Erlöser – oder über die Destruktion der christlichen Religionen

Aufklärer oder Erlöser – oder über die Destruktion der christlichen Religionen



Ein Kind rennt drauflos, dem Morgenrot entgegen, eine weite Welt gilt es zu entdecken und so verläßt es den elterlichen Hof...aber dann hört es die mahnende Mutterstimme:“Renne nicht zu weit davon, denn die Erde ist eine Scheibe und wenn Du zu weit Dich von Deinem Daheim entfernst wirst Du am Rande der Scheibe hinabstürzen....“ Die Angst vor diesem Herunterfallen läßt das Kind wieder umkehren, um auf dem heimischen Hofe zu spielen.

Wo die Angst uns beherrscht, ist keine Freiheit. Jesus kam also in die Welt, um uns die Angst zu nehmen, indem er uns aufklärte- um im Bilde zu verweilen, daß die Erde eine Kugel sei, von der niemand, wie weit er auch von seinem Zuhause wegliefe, von ihr runterfallen könne. Ja, ganz erfüllt vom Geiste der Aufklärung kann das Narrativ von der Erde, daß sie eine Scheibe sei, von der man herabfallen könne, als pädagogisch motivierte Erzählung begriffen werden, damit die Kinder nicht zu weit weglaufen.

Von welchem Angst machendem Narrativ hätte uns dann Jesus aufklärerisch befreit? Die vulgärste aber noch heute beliebte Version: Da hätten die Priester sich einen in der Regel zornigen Gott erphantasiert, den nur sie durch ausgefallene Rituale besänftigen könnten, sodaß sie ihren Lebensunterhalt durch die Abgaben für diese Versöhnungsdienste finanzierten. Abstrakter könnte dann gesagt werden, daß sie ihren Gott erfanden, um so ihre Priesterherrschaft zu legitimieren. Das wäre dann soweit gegangen, daß die Priester dem Volke dekretierten, was es zu glauben und wie es zu leben habe. Im Zentrum einer solchen Priesterreligion stünde das Schreckensbildes eines über die Sünden der Menschen zürnenden Gottes, der durch priesterliche Opfer und Sühne- und Reueakte der Menschen wieder gnädig zu stimmen sei.

Von diesem Gottesverständnis habe Jesus das jüdische Volk und dann auch die Heiden befreit. Darum habe es auch im Urchristentum keine Priester gegeben, weil Jesus ja den Gott, der Opfer wolle, abgeschafft habe, indem er uns aufklärte, daß Gott nur die Liebe sei, die zu jedem nur sage: „Lieb habe ich Dich! Nie wird meine Liebe von Dir weichen!“ Das ist der die bedingungslose Liebe Gottes verkündigende Aufklärer Jesus .

Eines kann aber trotz Marcion nicht behauptet werden, daß Jesus zu seinen jüdischen Hörern und Schülern gesagt hätte: Ich verkündige Euch einen anderen Gott als den des Mose und der Propheten, den einzig wahren, den Eure Priester und Gelehrten nicht kennen, weil sie einen zornigen, den Sünder strafenden lehren. Der Gott Jesu ist der reine Liebesgott, und somit nicht der Gott des Alten Testamentes, wie es Marcion lehrte und heute doch wieder manche glauben.

In dem Gebetsbuch der Kirche, den Psalmen da steht nun geschrieben, etwa im 89 der Vulgata (dem 88 der hebräischen Bibel): „Denn wir schinden dahin durch deinen Zorn, und sind verstört durch deinen Grimm.Du stellst unsere Missetaten vor deine Augen,die Zeit unseres Lebens in das Licht deines Angesichtes. Denn alle unsere Tage schwinden dahin, wir vergehen durch deinen Zorn, unsere Jahre sind zu achten wie ein Spinnengewebe, die Zeit unserer Jahre ist siebzig Jahre,und aufs höchste achtzig Jahre, und was darüber hinaus ist, ist Mühsal und Schmerz, denn es kommt Schwäche und wir werden hinweggerafft. Wer kann die Stärke deines Zornes und aus Furcht vor dir deinen Grimm ermessen.“ (V 7-11)

So ist aber nicht die natürliche Lage des Menschen, daß unser Leben nun mal so ist sondern dieser sehr weisheitliche Psalm verkündet uns den Zorn Gottes über uns als den Grund dafür, daß so unser Leben verläuft.

Verkündet nun Jesus Christus irgendwo, daß Gott gar nicht so wäre, daß dieses „Gottesbild“ einfach ein Produkt herrschsüchtiger Kleriker und ihrer Theologen sei und daß er uns nun von diesem uns Angst machendem Gott befreien wolle? Aber warum lehrt uns der Aufklärer dann dies:

Fürchtet euch nicht vor denen,die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können,sondern fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib ins Verderben der Hölle stürzen kann“ (Mt 10,28) Selbstverständlich kann nur Gott die Seele und den Leib in die Hölle stürzen und so lehrt Jesus uns hier die Gottesfurcht! Gott ist zu fürchten, sein Zorn über uns, weil und wenn wir Sünder sind.

Wäre das „Gottesbild“ des über den Sünder zürnenden Gott ein pures Verzerrbild Gottes, dann muß eingeräumt werden, daß genau dies Gottesverständnis Jesus auch vertreten hat. Jesus droht ja den nicht an ihn Glaubenden an, daß es ihnen deshalb schlimmer im Endgericht ergehen wird als Sodom. (Mt 11,24)

Es gibt so gesehen auch keinen legitimen theologischen Grund für die These, daß Jesus den reinen Liebesgott verkündigt hätte, der so keine Opfer und Sühnopfer wollen kann und daß deshalb Jesu Kreuzestod kein Sühnopfertod gewesen sein könne. Jesus habe ja den zornigen zu fürchtenden Gott aufklärerisch beseitigt, weil es für die Vernunft nur den Gott der reinen Affirmation geben könne: „Ich hab Euch alle lieb!“ Jesus war eigentlich der Vorläufer des bedeutendsten Kirchenlehrer Willy Millowitsch: Auch wenn wir alle kleine Sünderlein sind, so kommen wir doch alle in den Himmel hinein!

Wenn es sich nämlich so verhielte, bräuchte es keiner Evangeliumsverkündigung und keiner Kirche, denn wozu bräuchten Gesunde, von Gott, so wie wir sind Geliebte und Bejahte noch einer Erlösung?

 

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