Sonntag, 10. April 2022

Anmerkungen zu dem gestörten Verhältnis zum Priestertum in der Kirche

(Gründe für die Krise des Priesteramtsverständnisses in der Kirche)

Die Gründe für dies gestörte Verhältnis sind vielfältig, so daß hier wohl keine Vollständigkeit erreicht werden kann, aber es ist notwendig, sich dieser zu vergewissern, da dieses gestörte Verhältnis einer der Gründe der jetzigen Kirchenkrise ist.

Am populärsten und somit wohl auch destruktivsten ist wohl immer, besonders in der Zeit der Aufklärung propagierte Narrativ vom „Priester-betrug“, daß die Priester die Vorstellung von zornigen durch Opfer zu besänftigen Götter erschufen, um so ihren Lebensunterhalt und ihre Existenz legitimierten. Nur sie besäßen eben das Wissen, wie die Götter oder der eine Gott zu besänftigen sei und wären dazu auch nur imstande. Selbst die Vorstellung einer göttlichen Offenbarung kann dann als eine Hervorbringung von Priestern delegitimiert werden, daß sie so ein Herrschaftswissen sich anmaßten, weil nur sie die Empfänger und Bewahrer dieser Offenbarungsgeheimnisse seien – wo doch in Wirklichkeit die allen vernünftigen Menschen mögliche natürliche Gotteserkenntnis völlig ausreiche.Das Priestertum ist so eben das Beispiel für eine betrügerische Herrschaft. Auch daraus speist sich die jetzige Popularität der Forderung der Abschaffung des Priestertumes in der Kirche. Eine Mehrheit fand ja auf dem „Synodalen Irrweg“ der Antrag, zu prüfen ob die Kirche denn überhaupt Priester bräuchte.



Ebenso populär dürfte die Vorstellung sein, daß Jesus eigentlich das Priestertum hätte abschaffen wollen. Er wollte eine rein ethische Religion. So hätten schon die Propheten den Opferkult in Jerusalem kritisiert, weil Gott anständig lebende Menschen wolle und keine Opfer. Jesus stünde in dieser Tradition von: Liebe statt Opfer, das wäre Gottes Wille.



Die ursprünglich reformatorische Kritik an dem katholischen Verständnis der Eucharistie als kirchliches Opfer, daß Jesus am Karfreitagskreuz das alleinige voll genügsame Sühnopfer dargebracht hätte, sodaß es in seiner Kirche weder ein Priestertum noch einen Opferkult geben dürfte, ist wahrscheinlich selbst unter Evangelischen kaum noch bekannt. Luther habe doch um der rein moralischen Gehaltes des christlichen Glaubens willen das Priestertum abgeschafft, denn es sei eine zu tiefst primitive Vorstellung, daß Gott durch Opfer versöhnt werden wolle. Gott als die Liebe bräuchte überhaupt keine Versöhnung. In Folge der Ökumene fließen dann diese genuin protestantischen Vorstellungen auch in den Raum der Katholischen Kirche ein.

Jetzt soll aber das Augenmerk auf ein weniger bekanntes Problem verwiesen werden, das mitursächlich für die Krise des Priesteramtsverständnisses ist, auf das theologisch defizitäre Verständnis der Bedeutung des Hohenpriesters Kaiphas für das Versöhnungswerk Jesu Christi.

Um die Bedeutung des Hohenpriesteramtes für das Versöhnungswerk Christi zu erfassen soll nun der Weg der Reduzierung beschritten werden: Was wäre, wenn Pontius Pilatus und der Hohepriester nicht mitgewirkt hätten? Imagineren wir uns, Jesus wäre wie der hl. Stephanus von Juden gesteinigt worden und wäre dann nach 3 Tagen als Auferstandener seinen Schülern erschienen. Er wäre uns erschienen als jemand, der um seines Glaubens willen Getöteter, den Gott durch seine Auferweckung legitimiert hätte: Was er lehrte und tat, das war Gott wohlgefällig. Eine soteriologische Bedeutung hätte sein Kreuzestod nicht gehabt. Ostern hätte uns dann höchstens verheißen können, daß auch wir, lebten wir wie Jesus, einmal zum ewigen Leben auferweckt werden – aber die pharsäischen Juden glaubten damals auch an eine allgemeine Totenauferweckung und der Gerechten zum ewigen Leben.



Dadurch daß Jesus nicht einfach gelyncht worden ist, sondern vom Römischen Staat zum Tode verurteilt wurde, rückt die Kreuzigung Christi in den Raum des Rechtes. Ein Unschuldiger wird von einem römischen Richter zum Tode verurteilt. Ein Justizirrtum oder hier manifestiert sich, welche Folgen es zeitigen kann, wenn die Justiz auf die Stimme des Volkes hört: Kreuzigt ihn! Aber die theologische Reflexion kommt zu einem anderen Verständnis dieses Justizirrtumes. Der Unschuldige ist der, der alle Schuld auf sich genommen hat, sodaß Pilatus wirklich Recht sprach, als er ihn zum Tode verurteilte.

Wie konnte der Apostelfürst Paulus sich zu dieser Aussage versteigen: „Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden.“ (2 Korinther 5,21)? Jesus war doch der Gerechte und nun wurde der zur Sünde, zum Ungerechten? Dann hätte der Richter Pilatus ja gar keinen Unschuldigen und Gerechten zum Tode verurteilt sondern einen Sünder! Wie kann denn überhaupt, so muß jetzt gefragt werden, ein Gerechter zu einem Ungerechten, zu einem Sünder werden und hat dann gar Pilatus recht gehandelt, als er so Jesus zu Tode verurteilte?

Das haben alle Propheten gesehen, daß der zukünftige Christus der größte Räuber, Mörder, Ehebrecher, Dieb, Tempelschänder, Lästerer etc. sein würde, der durch keinen Verbrecher in der Welt je übertroffen wird.“

So radical begreift Luther hier das „für uns zur Sünde gemacht“ und man kann nicht umhin, urteilen zu müssen, daß nur sehr wenige so konsequent diese Paulusaussage verstanden haben. Jesus hat natürlich nicht selbst all diese Sünden getan, aber er hat alle getanen und zukünftig getan werdenden Sünden zu seinen gemacht, wie jemand erklären kann: „Für alle Schulden meines Freundes komme ich jetzt auf, ich löse die Schuldscheine ab.“ Der Freund ist so schuldenlos geworden, weil ein anderer sie für ihn beglich.

So wird aus dem scheinbaren römischen Justizirrtum das Mitwirken des Römischen Staates am Erlösungswerk Christi, indem Pilatus so der göttlichen Gerechtigkeit diente.



Was wäre nun, wenn zwar der römische Richter, aber nicht der Hohepriester mitgewirkt hätte? Gott selbst hat im Alten Bund das Priesteramt und das des Hohepriesters eingestiftet als Versöhnungsamt. Weil Kaiaphas der Inhaber dieses Versöhnungsamtes war, wirkte er als Priester am Kreuztod Jesu mit, damit dies Kreuz ein kultisches Versöhnungsopfer wird. Jesus kam nicht, um das Gesetz und die Propheten abzulösen, schon gar nicht, um einen Gott zu verkünden, der im Kontrast zum Gott des AT nur ein Gott der Liebe sei, der so keine Opfer wolle. Joh 11,45-53 lehrt das rechte Verständnis des Wirkens dieses Hohepriesters: Er sagt nämlich: Es ist besser, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht.“ In dem „für das Volk“ hat der Hohepriester die objektive Bedeutung des Kreuzopfers Jesu dargelegt. Er stirbt für das jüdische Volk und dann auch für alle Menschen, damit diese nicht sterben müssen. Als Priester hat er so dies Versöhnungsopfer dargebracht und so sein Amt erfüllt.

Jesus wollte dies Sühnopfer nicht allein kraft seiner Vollmacht darbringen, er wollte und sollte auch durch den Amtsträger geopfert werden, der von Amtswegen dafür zuständig war. So gibt dieser Hohepriester die Antwort auf die Frage, warum denn Gott im Alten Bund das Priestertum einsetzte, damit es am Kreuzopfer so mitwirke und warum es in der Kirche das Priestertum weiter gibt, damit im Abbild des Kreuzaltaropfers, in dem Meßopfer auch ein von Jesus verschiedener Priester mitwirkt.

Meine These: Das Priesteramt in der Kirche kann nicht adäquat begriffen werden, solange nicht das Mitwirken des Hohepriesters am Kreuztod Jesu begriffen wird. Wäre der Hohepriester überflüssig, könnte ja auch der Priester in der Eucharistie überflüssig sein! Sich nur darauf zu kaprizieren, daß der Priester Jesu Christi präsentiere, ist wohl zu wenig an Begründung für die Notwendigkeit dieses Amtes für die Eucharistie.



 

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