Wie man gegen ein unliebsames Evangelium kämpft, wenn gar von dem Endgericht die Rede ist
Die Predigt Jesu Christi über Gottes Endgericht Mt 25,31-46 ist bekannt, fast schon zu bekannt, als daß es noch wirklich gehört würde, enthält es doch, dächte der Leser über diesen Text nach, eine unüberlesbare unauflösbare Paradoxie. Aber erst mal ist dies Evangelium für unser postmodernes Wohlfühlchristentum unzumutbar und wird so regelmäßig nicht nur in Predigten vergewaltigt.
Ein Musterbeispiel präsentiert dafür die Evangeliumsauslegung von „Schwester Anne Kurz über das Sonntagsevangelium :Wie wird der Himmel sein?“ Kath de am 26.11.2023. Sie präludiert ihre Auslegung mit einer Polemik gegen diesen Text: „Mit Heilsangst ist im Laufe der Kirchengeschichte viel Schindluder getrieben worden. Das "Letzte Gericht" ist dabei den Menschen drohend vor Augen geführt worden. Im heutigen Evangelium wird diese Gerichtsszene beschrieben: Die einen kommen in den Himmel, die anderen in die Hölle. Auffällig ist, dass beide Gruppen nachfragen, um ihr Los zu verstehen.“
Daß diese so verunglimpfte Auslegung im Laufe der Kirchengeschichte der Aussagenintention dieses Textes entspricht, ist nicht verkennbar, aber für diese Auslegerin völlig inakzeptabel. Als Kritik an eine kirchlich übliche Auslegung getarnt verurteilt sie so diese Predigt Jesu Christi. Aber dann findet sie auch etwas Positives in diesem Text: „Das einzige Kriterium, das der Richter nennt, ist das Leben von Güte und Menschenfreundlichkeit. Das allein.“ Wäre diese Behauptung wahr, lehrte Jesus eine reine Werkgerechtigkeit, daß es nur auf die guten Werke ankäme, der christliche Glaube, die ganze christliche Religion sei so für das Heil des Menschen überflüssig. Kann Gott wirklich der Glaube des Menschen in seinem Endgericht so gleichgültig sein?
Die Antwort auf diese Frage findet sich in dieser Aussage: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (V 40). Der Heiland bezeichnet nur die Christgläubigen als seine Brüder oder Schwestern. Wer denen, wenn sie in Not geraten, hilft, dem wird das im Endgericht so angerechnet, als wenn er es Jesus Christus selbst zu Gute getan hätte.Konkreter ist dabei wohl isb an die Jesus nachfolgenden Wanderprediger zu denken, die oft, wie es uns der Apostel Paulus berichtet, in Notlagen gerieten, auch ob ihrer Evangeliumspredigt eingekerkert wurden. Wer ist dann der Adressat dieser Endgerichtspredigt? Die, für die Jesu Brüder auch ihre Brüder sind,also Christen. Ergo: Gott frägt in seinem Endgericht nach dem in Liebeswerken Frucht bringenden Glauben. Wer den im Gericht aufweisen kann, wir in das Reich Gottes aufgenommen werden. So lehrte es die Kirche immer trotz Luthers Sonderlehre von dem Glauben als alleinige Heilsnotwendigkeit.
Aber was macht die Auslegerin daraus? Die Vorstellung eines göttlichen Gerichtes findet sie so fürchterlich, daß sie sich in eine tollkühne Phantasie flüchtet. Dies Evangelium verkündet uns, wie der Himmel sein wird! „So wird der Himmel sein: Kranke, Bedürftige und Schuldiggewordene atmen auf. Sie werden besucht. Ihnen wird das Haus geöffnet. Sie tragen endlich die Kleider, die sie bedecken. Sie essen und trinken. Mein Gott, ist das schön! Das wird am Ende sein. Warum hören wir diese Verheißung nicht?“ Wenn das wahr wäre, müßte auch gelten, daß es im Himmel auch Hungernde, Nackte und in Gefängnissen Einsitzende gäbe. Denn es werden ja zwei Gruppen von Menschen aufgezählt, die, die hungerten und gesättigt wurden und die hungernden, die nicht gesättigt wurden. Wäre die erste Gruppe, so wie sie gesättigt wurde, im Himmel, dann müßte die zweite, auch so wie sie ist, ungesättigt im Himmel sein.
Diese Confusion entstand hier durch die Verwechselung der Frage: Was muß ein Christ tuen, um im Endgericht bestehen zu können?, mit der, ob die auf Erden Hungernden im Reich Gottes gesättigt werden.In dieser Predigt geht es aber nicht um das zukünftige Geschick der jetzt gehungert Habenden, die nun gesättigt oder nicht gesättigt wurden, sondern allein um das Geschick derer, die sättigten oder aber nicht sättigten.
Nun könnte eingewandt werden, daß es dieser Auslegerin doch nur darum gegangen sei, uns die Furcht vor dem Endgericht Gottes zu nehmen: Alles wird gut! Leider ruft Jesus Christus selbst zur Furcht vor diesem Endgericht auf, indem er aufruft: „Fürchtet euch nicht vor denen,die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können,sondern fürchtet euch vor dem,der Seele und Leib ins Verderben der Hölle stürzen kann.“ (Mt 10,24) Aber so eine Gottesfurcht, auch wenn sie vom Sohn Gottes selbst gelehrt wird, ist für unser postmodernes Wohlfühlchristentum ungenießbar.
Aber dies Sonntagsevangelium kann auch mit weniger Aufwand ausgehebelt werden.Eigentlich ginge es Jesus hier nur um einen dringlichen Appell: Helft den Armen und Bedrängten. Um der Dringlichkeit willen sei dann dieser Appell in eine mythologisch anmutende Endgerichtsvorstellung eingekleidet worden, die uns aber nichts angeht. Es scheint schon zum Standard der Auslegung dieser Gerichtsrede Jesu Christi zu gehören, zu überlesen, daß hier von den Brüdern Jesu geredet wird, denen es zu helfen gilt und nicht von allen Bedürftigen dieser Welt und daß nicht ernst genommen wird, daß hier uns gelehrt wird, wer wie qualifiziert in das ewige Leben eingehen wird und wer nicht. Stattdessen wird der Text als allgemeiner Aufruf zu einem sozialen Engagement mißgedeutet. Der vulgärisierte Version heißt dann: Wer genug für die Armen Afrikas spendet, kommt in den Himmel.Das allein reicht.
So und nun zur Paradoxie dieses Textes: Die, die die Hungernde gesättigt haben, fragen, warum sie ins ewige Leben eingehen werden. Es wird ihnen das gesagt.Nach dieser Predigt vertraut ein Christ darauf, daß, wenn er so es praktiziert hat, ins ewige Leben eingehen wird. Also ist für ihn die Frage des Grundes seines Eingehens überflüssig geworden. Der Text verunmöglicht so das, was er hier aussagt, daß es Christen gibt, die in Not geratenen Mitchristen helfen und nicht wissen, daß dies Tuen ihnen im Endgericht so zugerechnet wird, als hätten sie das Jesus selbst zu Gute getan. Wer verkündigt: Das ist die Geheimformel für...zerstört selbst die Geheimformel, weil sie durch ihre Publizierung aufhört, eine Geheimformel zu sein.So kann es durch die Publizierung dieser Gerichtspredigt nicht mehr Christen geben, die nicht wissen, daß ihr Gutestuen Mitchristen gegenüber ihnen zum Heile angerechnet wird. Aber als solche stellt diese Predigt Christen im Endgericht vor!
Corollarium
Im Hintergrund solcher "Auslegungen" steht die These, daß Gott, weil er NUR die Liebe sei, kein Gott sein könne, der ein Gericht abhalte, Die Allversöhnung ersetzt so die Lehre vom Gericht Gottes.
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