Mittwoch, 8. November 2023

Grundlegendes: Ein christliches Menschenbild: animalis rationale ? Eine defizitäre Bestimmung?

Grundlegendes: Ein christliches Menschenbild: animalis rationale ?


Aufzuzeigen, daß dies von Aristoteles herstammende Menschenverständnis die theologische Anthropologie bestimmte, ist überflüssig, ist diese Bestimmung des Menschen doch evident. Als eine Definition überzeugt das, erfaßt es doch das den Menschen von allen anderen Lebewesen Unterscheidende, ihn Bestimmende. Die Vernunft ist das uns Menschen Auszeichnende. Aber ernüchtert durch einen Blick in beliebige Seiten irgendeines Geschichtsbuches oder in eine beliebige Tageszeitung drängt sich die Frage auf, daß diese Definition nicht eher optativisch statt indikativisch zu lesen ist: „O möge der Mensch nur ein durch seine Vernunft sich Bestimmender sein!“

Nun könnte aber auch ein ganz anderes Bedenken hier sich zu Worte melden. Den Freunden der Science Fiction sind die Vulkanier wohlvertraut aus der Serie:Raumschiff Enterprise. Vulkanier sind nichtmenschliche aber und Menschen ähnliche Wesen, die sich durch ihre reine Vernünftigkeit auszeichnen, ja man könnte sie als pure Verstandeswesen bezeichnen, da sie über kein aus ihrer Perspektive beurteiltes irrationales Gefühlsleben verfügen. Daraus entspringen dann für diese Serie charakteristische Spannungen zwischen den Menschen und den Vulkaniern und manch gelungener Dialog. Angesichts dieser Vulkanier drängt sich nun aber die Anfrage auf, ob es denn für den Menschen überhaupt erstrebenswert sein könnte, rein vernünftig zu werden oder zu sein.

So wurden und werden zwischen Menschen zwar Vernunftehen geschlossen, aber allgemein wird eine Eheschließung aus wechselseitiger Liebe höher geachtet, als wenn aus Vernunftgründen geheiratet, zumal hier die Vernunftgründe der Eheschließung oft pecunäre Erwägungen sind. Wollte man nun eruieren, warum dieser Mann genau diese Frau liebt und sie heiraten möchte, wird man wohl für die Eheschließung vernünftige Gründe finden können, aber die Frage, warum dieser Mann denn genau diese Frau liebt und nicht eine andere,kann vernünftig nicht beantwortet werden. Von der Geschlechtlichkeit des Mannes her, ist erklärbar, warum er sich in eine Frau verliebt und dann gar sie liebt, aber nicht, warum gerade die nicht. Die alten Römer erklärten so das Sichverlieben in eine bestimmte Person als die Wirkung des Pfeiles des Amor, das im Herzen des Getroffenen diese Liebe entzündet.Das klingt zwar sehr romantisch -mythologisch, aber erfaßt immer noch besser dies Phänomen der Liebe zu einem bestimmten Menschen als alle vernünftigen Erklärungsansätze. Selbst die zeitgenössischen Liebesromane und Liebesfilme tragen dem in unserer noch zu wissenschaftsgläubigen Zeit Rechnung: In diesem Genre herrscht die pure Irrationalität der Liebe.

Wäre aber ein Mensch, gerade wenn er pure Vernunft wäre, dann noch der Liebe fähig? Liebten Menschen sich aber nicht mehr so irrational, stürbe dann nicht die Menschheit unweigerlich aus, sind doch nun mal Kinder die Früchte der geschlechtlichen Liebe, die sogar nicht vernünftig ist.

Von da mißtrauisch geworden, stellt sich die Frage, ob vielleicht auch in vielen anderen Bereichen unseres Lebens die Vernunft eine weit geringere Rolle spielt, als es diese aristotelische Definition des Menschen nahelegt? Man versuche einmal, ein Geschmacksurteil zu begründen, warum mir die Romane Dostojewskis mehr zusagen als die Bölls, oder ich die Musikwerke von X denen von Y vorziehe. Wer da genau seine eigenen Vorlieben für etwas erforscht, kommt unweigerlich zu der Erkenntnis der Nichtbegründbarkeit einer solchen Vorliebe. Dabei geht man meist so vor: Besondere Eigenschaften eines Kunstwerkes werden hervorgehoben: Weil das Kunstwerk die Eigenschaft E1, E2 und und besitzt, liebe ich es, aber warum sagt mir die Eigenschaft E1 zu? Diese Nachfrage evoziert dann die Antwort, daß doch eigentlich das Zusammenwirken der Eigenschaften E1 und E2 und und die Qualität des Werkes ausmache.. Aber warum qualifiziert gerade dies Zusammenwirken von den Eigenschaften eines Kunstwerkes zu einem guten Werk?

Wie sieht es nun diesbzüglich mit der Religion aus? Glaubt jemand, so wie er an Gott glaubt, weil das ihm als vernünftig gilt und glaubt der Ungläubige, weil ihm sein Unglaube vernünftig ist? Es gibt nun in der christlichen Anthropologie die Tendenz, den Leib als den Ort des Unvernünftigen, des fleischlichen Begehrens und die Seele als das Subjekt der Vernunft zu denken. Aber wird diese Tendenz dem menschlichen Gefühlslebens gerecht? Die Liebe scheint sich doch diesem Dualismus zu entziehen.Wenn aber gar die Liebe zu Gott das Zentrum der christlichen Religion ist, wie soll sie dann anthropologisch verortet werden? Ein Verstandesmensch liebt nicht, er handelt nur zweckrational und so auch nur gut seinem Nächsten gegenüber. Vielleicht reicht dazu eine theologische Anthropologie mit einer Zentrierung auf die Vernunft nicht aus. Könnte es eine Anthropologie geben, die vom Eros her die Gottesbeziehungsfähigkeit her thematisiert, als Liebe zum Schönen und Guten?

Zusätze

Wird deshalb nicht auch die ganze Kunst der Aufklärung als so fade und trivial empfunden im Vergleich zur Romantik. daß ihre Romane dann wieder so lebendig wirken. Oder man suche eine moderne zweckrational-nüchtern konzipierte Kirche auf und vergleiche den Eindruck mit dem einer Barockkirche! Manifestiert sich nicht in den Barockkirchen am authentischsten die christliche Religion, wenn sie ästhetisch dargestellt werden soll?

 


 

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