Freitag, 17. November 2023

Geht die Kultur zugrunde? Oder ist das übertriebener Pessimismus?

Geht die Kultur zugrunde? Oder ist das übertriebener Pessimismus?


Das kulturelle Niveau eines intelligenten Volkes fällt in dem Maße,in dem sein Lebensstandard steigt“, urteilt Nicolas Gomez Davila. („Es genügt,dass die Schönheit unseren Überdruss streift...“ Aphorismen,2007,S.63.

Auf den ersten Blick überzeugt dieser Aphorismus, paßt er doch auch so recht in das Gesamtwerk dieses großen Kulturkritikers, aber dem Mitdenkenden bereitet diese These doch gewichtige Probleme. Der „steigende Lebensstandard“ sei also die Quelle dieses kulturellen Niederganges. Erstmal hat doch ein gestiegener Lebensstandard nur die Folge, daß nun Menschen als Konsumenten von Kulturprodukten auftreten, die sich bisher das ökonomisch nicht leisten konnten. Für eine marktwirtschaftlich organisierte Kultur heißt das also, daß nun hinsichtlich diese neuen Zielgruppe Kultur produziert wird. Die Unterhaltungsindustrie entsteht so,der große Ästhetiker Adorno spricht in abfälligem Ton von der „Kulturindustrie“, wobei dieser Begriff schon für sich die Abnormität dieser Kultur zum Ausdruck bringt, gelten doch Kunstwerke als etwas individuell Hervorgebrachtes, wohingegen der Begriff der Industrie mit Fabrikproduktionen assoziiert wird.

Also, als noch für den Adel, die Kirche und das Bildungsbürgertum die Kunstwerke erschaffen wurden, da zeichneten sie sich durch ihr Niveau aus, seitdem aber für den gemeinen Mann Kunst produziert wird, wird sie populär-vulgär. Vornehme, gleich niveauvolle Kunst ist also die von Vornehmen genossene Kunst, vulgär wird sie, wenn sie vom Volke konsumiert und somit für dessen Bedürfnisse konzipiert werden. Träfe das so zu, wäre das Niveau eines Kunstwerkes nicht eine ihm innewohnende Qualität, sondern die Vornehmheit ihrer Genießer qualifiziere bestimmte Werke erst. Bejubelt das Bildungsbürgertum, oder das, was sich dafür hält, Werke von Beuys, dann werden seine Werke dadurch zu niveauvoller Kunst, wohingegen die zigtausendfach reproduzierte „Sixtinische Madonna“ von Rafael zum Kitsch degradiert würde, weil es zu einem Bild für jedermann so wurde.

Was macht denn dann die Qualität eines Kunstwerkes, sein Niveau aus, wenn seine Qualität nicht einfach durch die Qualität ihrer Käufer bestimmbar ist, wenn die Qualität etwas dem Kunstwerk Inhärierendes zu sein hat? Bourdieus „Die feinen Unterschiede“ erweckt ja den Verdacht, daß letztendlich nur das Milieu, das bestimmte Kunstwerke konsumiert, deren Qualität festsetzt: Was den oberen 10.000 gefalle, sei Hochkultur, was dem gemeinen Manne gefalle, sei dann eben vulgäre Kunst.

Nun muß aber eingewandt werden, daß die Kultur viel Umfassenderes bezeichnet als nur die Kunstwerke einer Epoche. Aber die Kunst gehört unbestreitbar zur Kultur und was für diese Teilmenge der Kultur gilt, könnte auch für die ganze Kultur gelten.Die Tendenz zum Kulturrelativismus führt ja dazu, nur noch Kulturen als sich unterscheidend zueinander verhaltend zu verstehen, ohne noch ein qualitatives Urteil darüber abgeben zu können. Die Diktatur des Relativismus, von der Papst Benedikt XVI sprach, ist eben eine allumfassende. Der verdankt sich dann erst die Vorstellung, den Wert von Kunstwerken durch ihre Konsumentenmilieus zu definieren. Denn für die simple Frage, was denn die Qualität eines Kunstwerkes ausmache, findet sich keine andere Antwort, als daß es Konsense im ästhetischen Diskurs darüber gibt, was als zur Hochkultur zu zählen hat, ohne daß es für diese Zuordnung eine hinreichende Begründung gäbe. Es handelt sich scheinbar nur um getroffene Festsetzungen dieses Diskurses.

Vielleicht könnte aber der Begriff des Volkes weiterführen, nannte Nietzsche doch die Kultur den Stil eines Volkes. Wenn also das Volk der soziale Träger einer jeden Kultur wäre,dann wäre der Niedergang einer Kultur die Folge des Niederganges eines Volkes.Aber wie drückte sich ein solcher Niedergang in den Kunstwerken selbst aus, sodaß von einem Niveauverlust zu sprechen wäre?  

Vielleicht ist der Eindruck eines  allgemeinen kulturellen Niederganges aber selbst nur eine Projektion der heutigen Dekadenz.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen