Dienstag, 28. November 2023

Ein beliebtes Narrativ des Kirchenkampfes als eine Legitimierungserzählung der Kirche

Ein beliebtes Narrativ des Kirchenkampfes als eine Legitimierungserzählung der Kirche


Durch was legitimiert sich die Institution der Kirche,wenn ihre Begründung in Gott und ihre Heilsvermittelungsfunktion zweifelhaft und in ihrer gesellschaftlichen Relevanz strittig geworden ist?

Ein Narrativ des Kirchenkampfes der dunkelsten Epoche unserer deutschen Geschichte soll dieser Legitimierung dienen. Hitler habe die Kirchen vernichten wollen, weil er allein herrschen und keine andere Macht neben sich so tolerieren wollte. Die Kirchen Deutschlands standen so ab dessen Machtergreifung in einem geradezu heroischen Widerstand gegen seine Diktatur, objektiv auch wenn manche,eingeschüchtert durch diese Diktatur sich nicht trauten, aktiv zu widerstehen.Wenn auch die Kommunisten und conservativ orientierte Militärkreise auch widerständisch waren, waren doch nur die Christen wahrhaftigen Widerständler. Denn die kommunistische Opposition ist doch moralisch beurteilt von zweifelhaften Wert, wollten die doch nur Stalin statt Hitler und der conservativ- militärische Widerstand war doch recht preußisch-nationalistisch und diese Ausrichtung galt ja nach dem verlorenen Krieg als der Hort alles deutschen Übels. So forderten die Siegermächte ja die Auflösung Preußens als die Quelle des deutschen Militarismus.

Gegen extremistische Ideologien von Rechts und Links immunisiere eben der christliche Glaube und somit sei gerade er von größter Relevanz für den Aufbau und den Erhalt der Demokratie und einer humanen Gesellschaft als prinzipiell antitotalitäre Kraft. Deshalb sieht ja auch heute die Katholische Kirche wie auch die EKD ihre wichtigste Aufgabe neben ihrem sozialdiakonischen Aufgaben im Kampfe gegen Rechts. Denn Rechts, das sei eben der Todfeind der Kirche und der Demokratie.

So wohlklingend dies Narrativ nun auch ausfält, ist es denn auch wahr? Die Behauptung, Hitler hätte die Absicht gehabt, die Kirchen in seinem 3.Reich zu vernichten, beruht leider nur auf Aussagen, die Hitler Rauschning gegenüber getätigt haben soll. In seinem Hitlergesprächsbuch charakterisiert der Autor Hitler als einen nihilistischen Willkürdespoten, der um der alleinigen Macht willen, die Kirchen beseitigen wollte. Nur gilt dieses Hitlerbuch in der kritischen Forschung als reine Fälschung, ist doch allein die Vorstellung, Hitler habe einmal in seinem Leben einem ihm Unvertrauten die Wahrheit anvertraut und sonst immer nur gelogen, als sehr unwahrscheinlich. Aber nur hier äußerte Hitler seinen Kirchenvernichtungswillen.


Tatsächlich ist das Verhältnis der NSDAP und Hitlers zu den Kirchen sehr viel ambivalenter und komplizierter. Es lag der Partei schon aus rein politischen Gründen nahe, da die Partei sich als die antikommunistische Kraft profilierte, dem Atheismus der KPD ein positives Verhältnis zu den Kirchen entgegenzusetzen. Hitler selbst war Mitglied der Katholischen Kirche und trat nie aus ihr aus. Untersuchungen zur Waffen SS, die heute als die „Elitetruppe“ Hitlers gilt, weisen auf, daß mehr als 50 Prozent ihrer Mitglieder auch Kirchenmitglieder waren. Wie ist das erklärbar, wenn die Partei den Tod der Kirchen wollte? Noch irritierender ist, daß in „Mein Kampf“ die Kirchen aufgefordert werden, statt in Afrika in Deutschland zu missionieren, denn für die große Mehrheit der Menschen ist ihr moralisches Leben fundiert in ihrer Religion, sodaß ein Verlöschen der Religion gefährlich für die in einem Volke gelebte Religion wäre. Wenn Hitler dann gegen Katholiken polemisierte, galt das vor allem der katholischen Zentrumspartei, der er ihre Cooperation mit der SPD vorwarf, die für ihn eine Partei des Volksverrates war, der er die Hauptschuld an der Niederlage im 1.Weltkrieg gab. Vgl die „Dolchstoßlegende“.

Das Verhältnis der Partei und Hitlers zu den Kirchen ist so komplex und schwer durchschaubar, daß eigentlich nur dies gewiß ist: Es existiert außer dem Rauschningbuch kein Beleg für solch einen Vernichtungswillen. Ein Blick auf das facchistisch regierte Italien, auf Mussolonie und Spanien, auf Franco zeigt uns eher Diktatoren, die die Kirche vor dem Kommunismus beschützten als bekämpften.

Für die Evangelische Kirche sah die Lage weit weniger klar aus, als es uns dies Narrativ vorschreiben will. Die bedeutendsten Strömungen unter den Protestanten waren die „Deutschen Christen“ und die „Bekennende Kirche“, aber beide verstanden sich als staatsloyal, sie vertraten nur theologisch divergierende Positionen. Die „Deutschen Christen“ erstrebten liberalprotestantisch eine Synthese zwinnschen dem aktuellen Zeitgeist und dem christlichen Glauben, wohingegen die „Bekennende Kirche“ conservativ eine reine Evangeliumskirche wollte.Nur eine kleine Minderheit der „Bekennenden Kirche“ stand dann politisch oppositionell zum nationalsozialistischen Staat. Für Hitler gab es so zumindest hinsichtlich der Evangelischen Kirche ob so großer Loyalität dem neuen Staat gegenüber kein Grund, sie zu bekämpfen. Der Weimarer Republik gegenüber war die Abneigung seitens der Protestanten weit größer als dem Hitlerstaat gegenüber.

Das Verhältnis der Katholischen Kirche zu dem nationalsozialistischen Staate war sicher kritischer als das der Protestanten, aber hier von einer generellen Opposition oder gar von einem allgemeinen Widerstand zu sprechen, ist deutlich eine Fiktion der Nachkriegsgeschichtsschreibung.

Leicht ist es nun, zu begründen, warum jeder Christ sich oppositionell zu Hitler verhalten haben müßte, aber das ändert nichts an der Realität, daß so sich die überwiegende Mehrheit der Christen nicht verhielt. Erst die heutige Kirchengeschichtsschreibung bewirkt, daß man heute eine Opposition gegen Hitler so als eine moralische Selbstverständlichkeit ansieht. Aber dies Narrativ dient ja auch nicht der Erhellung dieser dunklen Zeit unserer Geschichte sondern soll die Kirchen als für eine demokratisch verfaßte Gesellschaft notwendige oder doch zumindest nützliche Institutionen rechtfertigen, als Garanten für Demokratie und Humanität. 

Zusatz

Ein spezielles Problem ist nun die Analyse der Repression des NS-Staates gegen Christen und isb gegeb Pfarrer. Man könnte meinen, daß in China die Christen verfolgt werden, da die atheistische Regierung in Gottgläubigen Staatsfeinde sieht, aber die Katholische Kirche ist dort in sich gespalten in die "Patriotische Kirche", die nicht verfolgt wird und die "Untergrundkirche", die verfolgt wird. Aus staatlicher Perspektive werden nicht Gottgläubige verfolgt, weil sie an Gott glauben, sondern wenn man sie für staatsbürgerlich illoyal ansieht. Die verfolgten Christen dagegen sehen sich als um ihres Glaubens willen als Verfolgte an. Vergleichbar scheint das Problem der Repression von Christen im 3.Reich zu liegen.  

 

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