Montag, 28. Dezember 2015

Die Versuchung des Großinquisitors -Erster Versuch

Selbstredend wird hier nicht ein Versuch unternommen, der Erzählung Dostojewskis: "Der Großinquisitor" gerecht zu werden, denn diese Meistererzählung ist eben unerschöpflich in ihren Gehalten, besonders dann, wenn die These R. Barthes zum Tod des Autoren beachtet wird, daß eben die Aussage eines Textes nicht in einsfällt mit der sogenannten Autorenintention: Was wollte uns Dostojewski mit dieser Erzählung mitteilen?
Für was steht der Großinquisitor der Erzählung Dostojewskis? Er steht für eine theologische Erkenntnis, die wir Modernen längst vergessen haben, daß Gottes Liebe nicht einfach so allen Menschen gilt, daß jeder als von Gott Geliebtwerdender gewiß in das Reich Gottes, in das ewige Leben eingehen wird. Der Großinquisitor weiß, daß nur wer Christus wirklich nachfolgt, dieses Ziel erreichen wird.  Und das werden nur die Allerwenigsten sein. Er selbst stand kurz vor dem Ziel: er lebte heilig und durfte hoffen, in das ewige Leben einzugehen. Aber es gibt auch ein Scheitern und die ewige Verdammnis. 
Eines der Grundanliegen moderner Theologie ist ja nun die Humanisierung der Höllenvorstellung. Selbst in einer Zeitschrift, die als conservativ gilt: Una Voce Korrespondenz, 4/2015 kann man solches lesen: " In der Rede von der >ewigen Strafe< muß klar unterschieden werden zwischen den Bildern, die das Wesen der Sache veranschaulichen sollen und dem Wesen der Sache selbst. Wenn aber das Wesen der Verdammnis zu Recht bezeichnet wird als die Trennung von dem unendlichen Gut, welches Gott selber ist, dann besteht die Strafe in nichts anderem als darin, daß man nicht besitzt, was man ausdrücklich von sich gewiesen hat. Die >Hölle< ist also nicht als ein Verlies zu denken, in das man gewaltsam gegen seinen Willen eingesperrt würde. Der Riegel,der den Weg ins Freie versperrt, hat seinen Platz nicht draußen, sondern drinnen. Es ist der hartnäckig von Gott sich abwendende Wille des Verdammten selbst, der das Tor zur Hölle verschlossen hält." Sperling, Die Auferstehung der Toten und das ewige Leben, in Una Voce 4/2015, S.575. Einfach gesagt: Es gibt keine göttliche Verurteilung zur ewigen Verdammnis sondern nur den Selbstausschluß vom Reich Gottes. Weil ich nicht in ewiger Gemeinschaft mit Gott leben will, brauche ich das auch nicht.So kann es keinen Verurteilten mehr geben, sondern nur Menschen, die nicht im Reich Gottes leben wollen und die so Gott auch nicht zwingen will, in seinem Reiche zu leben.Die Intention dieser Umformung: daß Gott nicht mehr als Strafender gedacht werden soll, denn er soll nur noch die Liebe sein.
Der Großinquisitor dagegen kennt noch den strafenden Gott, der der Menschen auch den Zutritt ins ewige Leben verwehrt, weil sie die Bedingungen für den Eintritt in das ewige Leben nicht erfüllen. Es gibt für ihn Menschen, die in das Reich Gottes eintreten möchten, aber sie dürfen es nicht. Gott schließt sie aus.
Wir sollen uns den Großinquisitor nun vorstellen, am Ziele seines Lebens angelangt, er weiß, er wird eingehen in das Reich Gottes und dann wendet er sich um und sieht die Vielen, die nicht eingehen können in das Reich, obwohl sie es wollen, aber sie sind nicht Christus nachgefolgt. Mit der kleinen Schar der Erwählten in das Reich Gottes eingehen oder mit den Vielen, für die es keine Hoffnung gibt, ins ewige Verderben.
Dostojewskis Erzählung mutet uns nun zu, zu glauben,daß der Großinquisitor aus Liebe zu den Menschen auf sein Heil verzichtete und mit den Vielen lebte, für die er nun die Kirche umstaltete. Das Umstaltungsprogramm ist uns bekannt: Er schuf eine humane Kirche, die allen Meschen guten Willens das ewige Heil versprach.
Die Versuchung des Großinquisitors ist so der Wille zur Bildung einer humanistischen Kirche, einer, die den Menschen annimmt, wie er ist und ihm so das Heil verheißt.Es ist das entschiedene Nein zum Kreuz Christi und das Nein zur Kreuzesnachfolge. Dieses Nein gründet sich in dem Empfinden, daß Jesu Lehre vom Leben, wie habe ich zu leben, damit mein Lohn groß im Himmel ist, die allermeisten Menschen überfordere. So könnten nur Heilige leben und so schließe Jesu Lehre die meisten vom Heile aus.
Jetzt wird erst verständlich, warum der Goßinquisitor Jesu vorwirft, das Programm des Versuchers, des Teufels nicht gefolgt zu sein. Denn das teuflische Programm ist ein wahrhaft humanes, weil es den Menschen so annimmt, wie er wirklich ist und die Kirche nach ihm ausrichtet.Der Großinquisitor stimmt so dem menschenfreunlichen Satan zu. die Kirche wider Jesu Christi willen humanistisch zu gestalten, um der Menschen willen.
Aber das ist noch nicht der Gipfel, was uns dieser Text zumutet. Der Gipfel ist, daß der Goßinquisitor weiß, daß er der Unwahrheit dient, indem er die Kirche, die Wahrheit humanisiert und den Menschen anpaßt. Er weiß, daß er damit auf sein Heil verzichtet und daß er den Menschen einen Weg lehrt, der im Unheil endet.Warum? Weil er als Humanist nicht mit den Wenigen im Himmel sein will, wenn für die Vielen es nur die Hölle geben kann. 
Daß dies Problem, daß der Wenigen im Himmel und der Vielen in der Hölle, uns kaum noch nachvollziehbar ist, liegt aber allein daran, daß es uns zur Selbstverständlichkeit geworden ist, daß, weil Gott nur die Liebe ist, im Prinzip alle Menschen in Gottes Himmel kommen werden bis auf die ganz Wenigen, die nun unbedingt nicht bei Gott sein wollen! 
Für Jesu Nachfolgelehre hat dies fatale Folgen, denn nun wird sie zu einem bloß unverbindlichen Ideal, sodaß es nicht wirklich schadet, nicht gemäß Jesu gelebt zu haben. 

Corollarium 1
Die aktuelle Reformdebatte in der Katholischen Kirche zeigt aber die Aktualität der Versuchung des Goßinquisitors in dem Willen zur Humanisierung der Kirche. Weil die Vielen von der Lehre der Kirche überfordert werden, müsse sie den heutigen Menschen gemäß umgeformt werden. Den Kleingezüchteten, den letzten Menschen (Nietzsche) muß die Verkündigung eben folgen, indem auch sie kleingemacht wird.

Corollarium 2
"Geht durch das enge Tor! Denn das Tor ist weit, das ins Verderben führt, und der Weg dahin ist breit und viele gehen auf ihm. Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng und der Weg dahin ist schmal und nur wenige finden ihn." (Mt 7, 13f). Das Anliegen einer humanisierten Kirche ist nun einfach die Umkehrung dieser jesuanischen Lehre in: die Vielen gehen auf dem breiten Weg ins Heil und nur ganz wenige auf dem schmalen Weg ins Verderben.Der Großinquisitor lehrte nun die Umkehrung im Wissen um die Unwahrheit dieser Umkehrung aus Liebe zu den Vielen,die auf dem breiten Weg ins Verderben schreiten, seine Epigonen glauben selbst an ihre Unwahrheiten und verkünden sie so.                                                                                 
       

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen