Dienstag, 29. November 2016

Eine Rezension des Buches "Der zensierte Gott" von Klaus Hälbig in jetzt 2 Versionen

Ihr o. g. Buch habe ich mit großer Zustimmung und auch bisweilen mit lautem Lachen gelesen. Sie schreiben flüssig und bisweilen eben witzig über Themen, die heute weitgehend verdrängt werden, aber von größter Bedeutung für Theologie und Kirche sind.Zu den schwierigsten Fragen gehört heute die Lehre von der Ur- und Erbsünde sowie vomKreuzesopfer, die sie beide engagiert und kenntnisreich angehen. Gestatten Sie mir (kath.promovierter Theologe, lange in der Akademiearbeit tätig) dazu ein paar Bemerkungen:
 
In der biblischen Sündenfallerzählung spielt die Schlange (gefallener Engel) eine prominente Rolle als Verführer der Frau; eine kleine Angelologie bieten Sie jedoch nicht. Mir scheint aber, dass ohne sie und die Erzählung vom ‚Fall’ der Engel (vgl. z. B. Gen 6,1-3, auch Offb 12) die Ursünde nicht verstanden werden kann. Nach jüdischem wie christlichem Verständnis hatte Adam die Wahl zwischen einer himmlischen (= engelgleichen) Existenz, wie sie dannwieder im Mönchtum angestrebt wurde/wird, und einer irdischen (Tier-)Existenz. Für letzteres steht dann auch das animalische Fellgewand (Gen 3,21), das in der Taufe als ‚alter Adam’ ausgezogen werden muss, um Christus als himmlische Lichtgewand anzuziehen (ImHebräischen bedeutet ‚or’ zugleich ‚Licht’ und ‚Fell’, einmal geschrieben mit Aleph = 1 am Anfang, das andere mal mit Ajin = 70, das heißt, die Einheit wird durch den Fall zur Vielheit, im Himmel ist alles eins, singen die Engel mit ‚einer’ Stimme).
 
Die Competenten haben bei der Taufe auf dem ‚alten Gewand’ herumgetreten, bevor sie das neue anzogen, das zugleich das ‚erste“ ist (Lk 15,22). Die Taufe war daher ‚Rückkehr ins Paradies’, ebenso die Eucharistie als Frucht vom (Kreuz-)Baum des ewigen Lebens. Die beiden Bäume verhalten sich wie Geist und Materie, Himmel und Erde, Sonne und Mond, Männlich und Weiblich, chinesisch: Yang und Yin usw. In ihrer Einheit besteht der ‚Bund’, der in der Ursünde gebrochen und in der Erlösung (am Kreuz) wiederhergestellt wird.Adam im Paradies (= himmlisches Urbild des Tempels) opfert noch nicht, weil er noch nicht dem Irdischen verfallen ist, man könnte auch sagen, seine Existenz ist noch ganz opferförmig in der liebenden Hingabe an den Schöpfer, was dann im neuen Adam wiederhergestellt wird.

Bei Ihrer Behandlung des Opfers wird das urbildliche Opfer Abrahams in Gen 22 nur knapp behandelt,während die eher randständige Erzählung von der Opferung der Tochter (S. 28ff) doch sehrausführlich vorgestellt wird. Für das Verständnis des Opfers am Kreuz ist aber Gen 22 schlechthingrundlegend, wobei auch die kosmische Symbolik eine herausragende Rolle spielt (der Widderverweist auf das gleichnamig Frühlingszeichen, weshalb das Paschaopfer im Frühlingsmonat Nissan zu feiern ist, ebenso ist Ostern am ersten Sonn-tag nach dem Frühlings-Vollmond).
 
Schon die Schöpfung beruht auf dem Selbstopfer Gottes (so Franz von Baader, aber auch verschiedene Schöpfungsmythen), was dann im Erlösungsopfer vollendet wird. Das heißt, der ganze Schöpfungshintergrund der Erlösungserzählung kommt bei Ihnen m. E. doch zu kurz (damit hängt auch zusammen, dass der Freitag oder 6. Tag als Tag der Erschaffung des Menschen auch der Tag seiner Erlösung ist, die Auferstehung geschieht dann am ‚8. Tag’). Zur kurz kommt m. E. auch, dass das Bundesvolk ein priesterliches Volk ist (Ex 19), was dann auch durch die Taufweihe für die Kirche gilt, so dass auch ausführlich vom gemeinsamen Priestertum zu reden wäre, was aber dann doch unterbleibt.


Der zensierte Gott
Das Buch „Der zensierte Gott. Wie uns Gott in den Zeiten der Verdunkelung der Wahrheit abhanden kam“ (Patrimonium-Verlag, Mainz 2016, 250 S.) habe ich mit großer Zustimmung und auch bisweilen mit herzhaftem Lachen gelesen. Der Autor schreibt flüssig und bisweilen eben witzig über durchaus schwierige Themen, die heute weitgehend verdrängt werden, aber von größter Bedeutung für Theologie und Kirche sind. Zu den schwierigsten Fragen gehört heute zweifellos die Lehre von der Ur- und Erbsünde – „das Schmuddelkind schlechthin katholischer Dogmatik“ (S. 149) – sowie vom Kreuzesopfer, die beide engagiert und kenntnisreich mit einer ganzen Reihe von bedenkenswerten Perspektiven und Lösungsansätzen behandelt werden. Ein paar weiterführende Anfragen und Bemerkungen dazu seien nachfolgend erlaubt.

Die biblische Sündenfallerzählung wird als „Mythos“ bezeichnet, der Geschichte gründet und deshalb selbst keine Geschichte erzählt, sondern von einer vor-geschichtlichen oder (mit Schelling) transzendentalen „Urtat“ handelt. Dadurch bestimmt sich die menschliche Freiheit zur Abkehr von Gott und damit zur Unfreiheit (Triebherrschaft, Teufelsherrschaft). In der Tat symbolisiert die Erzählung die Triebherrschaft in der Schlange (gefallener Engel), die als Verführer der Frau eine prominente Rolle spielt. Eine Angelologie, die zum Verständnis nötig wäre, wird aber leider nicht geboten. Ohne beispielsweise die Erzählung vom ‚Fall’ der Engel (vgl. Gen 6,1-3, auch Offb 12) kann die Ursünde des Menschen wohl kaum verstanden werden.

Nach jüdischem wie christlichem Verständnis hatte Adam noch vor seiner ‚Fleischwerdung’ die Wahl zwischen einer himmlischen (= engelgleichen) Existenz, wie sie dann wieder im Mönchtum angestrebt wurde und wird, und einer irdischen (Tier-)Existenz im ‚Fleisch’. Für letzteres steht dann auch das animalische Fellgewand (Gen 3,21), das in der Taufe als ‚alter Adam’ ausgezogen werden muss, um Christus als himmlisches Lichtgewand anzuziehen. (Im Hebräischen bedeutet ‚or’ zugleich ‚Licht’ und ‚Fell’, einmal geschrieben mit Aleph = 1 am Anfang, das andere mal mit Ajin = 70, das heißt: Durch den Fall wird die Einheit des Menschen zur Vielheit, im Himmel ist hingegen alles eins, singen die Myriaden von Engeln mit ‚einer’ Stimme).

Die Competenten (Taufbewerber) in der frühen Kirche haben vor ihrer Taufe auf dem ausgezogenen ‚alten Gewand’ herumgetreten, bevor sie das neue anzogen, das zugleich das ‚erste“ ist (Lk 15,22), nämlich das Lichtkleid des Himmels. Die Taufe wurde daher verstanden als ‚Rückkehr ins Paradies’, ebenso wurde die Eucharistie gesehen als Frucht vom (Kreuz-)Baum des ewigen Lebens. Die beiden Paradies-Bäume, also der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, verhalten sich wie Geist und Materie, Himmel und Erde, Sonne und Mond, männlich und weiblich (chinesisch: wie Yang und Yin). In ihrer Einheit besteht der ‚Bund’, der in der Ursünde gebrochen und in der Erlösung (am Kreuz) wiederhergestellt wird. Adam im Paradies, dem himmlischen Urbild des Tempels, opfert noch nicht, weil er noch nicht dem Irdischen verfallen ist. Man könnte auch sagen: Seine Existenz ist noch ganz opferförmig in der liebenden Hingabe an den Schöpfer, was dann im neuen Adam am Kreuz wiederhergestellt wird, bei dessen Tod der Vorhang vor dem Allerheiligsten des Tempels zerreißt.

Zum Opfer heißt es zu Recht, es bilde das Zentrum der Religion. Man könnte auch sagen: das Zentrum der Welt, denn die Welt ist „da für den Kult“ (J. Ratzinger). Allerdings wird dann das urbildliche Sohnesopfer Abrahams in Gen 22 nur knapp behandelt, während die eher randständige Erzählung von der tatsächlich vollzogenen Opferung der einzigen Tochter des Richters Jiftach durch diesen selbst (Richter 11,30-40) doch sehr ausführlich vorgestellt wird (S. 28ff). Für das Verständnis des Opfers am Kreuz ist aber Gen 22 schlechterdings grundlegend, wobei auch die kosmische Symbolik eine herausragende Rolle spielt (der Widder verweist auf das gleichnamig Frühlingszeichen, weshalb das Paschaopfer im Frühlingsmonat Nissan zu feiern ist, ebenso ist Ostern am ersten Sonn-tag nach dem Frühlings-Vollmond).

Schon die Schöpfung beruht auf dem Selbstopfer Gottes (so Franz von Baader, aber auch verschiedene Schöpfungsmythen), was dann im Erlösungsopfer Christi vollendet wird. Das heißt, die christliche Erlösungserzählung ist vor dem Hintergrund der Schöpfungserzählung zu verstehen. Damit hängt auch zusammen, dass der Freitag oder 6. Tag als Tag der Erschaffung des Menschen (und zwar am Nachmittag, denn am Vormittag werden die Landtiere erschaffen) als Kar-Freitag auch Tag und ‚Stunde’ seiner Erlösung ist; die Auferstehung geschieht dann am ‚8. Tag’ (Sonntag) als Symbol der Unendlichkeit (vgl. die liegende Lemiskate: ∞) oder der Ewigkeit jenseits der Sieben-Tage-Schöpfung. Zur kurz kommt m. E. in Lays Darstellung auch, dass Israel als Bundesvolk ein priesterliches Volk ist (Ex 19), was dann auch durch die Taufweihe für die Kirche gilt, weshalb auch ausführlich vom gemeinsamen Priestertum zu reden wäre.

Durchgängig thematisiert wird die Kritik an der Protestantisierung der katholischen Kirche. Luther hat ja das Messopfer abgeschafft, Liturgie/Kult weitgehend auf die Predigt reduziert, das Priestergewand (weiße Lichtkleid) auf den schwarzen Professorentalar und die Heilsbotschaft für die ganze ’in Geburtswehen’ seufzende Schöpfung auf die Rechtfertigung des einzelnen Sünders. Seit der Aufklärung geht nun mit der ‚Zensurierung’ des Gottesbildes (der liebende Gott darf nicht zugleich ein strafender und ‚eifersüchtiger’ sein, vgl. S. 64f) wird der Wahrheitsanspruchs der Bibel bei ‚unpassenden’ Stellen relativiert. Insbesondere aber ist das (Weihe-)Priestertums nicht mehr durch das Opfer charakterisiert. Sehr bedenkenswert sind hier die Ausführungen zum Priesterzölibat, zur Opferbereitschaft des Berufs des Soldaten und zur Organspende als Opfer (S. 214-230). Im Grund kann man das ganze sterbliche Leben als ‚Opfer’ verstehen, wobei auch der Zusammenhang von Opfer und Geschenk sowie von Opfer und Geld weiter zu bedenken wäre.

Wie sehr Lays Analyse der Herrschaft des Zeitgeistes auch auf gegenwärtige Schulbücher für den katholischen Religionsunterricht zutrifft, lässt sich im Hinblick etwa auf das neue RU-Buch „Leben gestalten“ (5./6. Jg., 2016) bestätigt finden. Hier wird das Christentum mit Judentum und Islam de facto gleichgestellt (gegen Dei Verbum Nr. 4, wonach „keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten [ist] vor der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit“, der Islam also gar keine Offenbarungsreligion sein kann). Auf jede (Religions-)Kritik an ihnen wird verzichtet – außer der, dass es über Gott ohnehin nichts Genaues zu wissen gibt und wir nur mit subjektiven Gottesbildern zu tun haben oder mit entfernten Analogien, bei denen das Unähnliche die Ähnlichkeit bei weitem überwiegt (4. Laterankonzil von 1215).

Lay erinnert entsprechend an „eine religionspädagogische Geschichte“ (S. 234), wonach ein Elefant mit verbundenen Augen erforscht wird, der so jeweils nur unterschiedliche Teilaspekte von sich zu erkennen gibt. Erst nach Abnahme der Augenbinde erkennen die Forscher, was sie eigentlich im Ganzen und in Wahrheit vor sich haben. Zitiert wird dabei aus dem Bestseller „Die Nebel von Avalon“ (1993) von Zimmer Bradley, die sich gegen einen strukturell gewaltsamen Monotheismus für einen pazifistischen Polytheismus stark macht, der Satz: „Die Wahrheit hat viele Gesichter.“ In dem RU-Buch heißt es analog: „Die Kirche hat viele Gesichter.“

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