Donnerstag, 17. November 2016

Der Holocaust und die Judenmission

Oft ist zu lesen, daß der Holocaust ein oder gar das Argument wider die Erlaubtheit der christlichen Judenmission sein, entweder, daß es jetzt nur uns Deutschen nicht mehr erlaubt sein dürfe, Juden zu bekehren oder daß es nun der Kirche als ganzes nicht mehr erlaubt sein kann. Für den jüngsten Beschluß der EKD, für ihr Nein zur Judenmission spielte dies Argument als historisch-moralisches neben dem theologischen, daß es Gottes Treue zum Volke Israel widerspräche, ihnen Jesus Christus als Sohn Gottes zu verkündigen, auch eine gewichtige Rolle.
Dies Argument impliziert nun, daß (katholische) Christen oder gar die Katholische Kirche in irgendeiner Weise mitschuldig am Holocaust gewesen seien und daß diese Mitschuld nun es ihr verböte, eine Judenmission zu betreiben. Das Argument ist nun wahrhaft schwer nachvollziehbar. Unbestreitbar ist Juden Böses im Holocaust widerfahren und wenn katholische Christen oder gar die Katholische Kirche als Ganzes daran eine Mitschuld trüge, dann wäre es ja gerade jetzt gefordert, daß den Juden Gutes getan wird von der Katholischen Kirche, und was könnte einem Juden (wie auch jedem anderen) Besseres getan werden, als daß ihm die Wahrheit, also Jesus Christus verkündigt wird?  
Die Schlußfolgerung, weil der Holocaust geschehen ist, darf Juden die Wahrheit nicht verkündet werden, setzt also voraus, daß die Verkündigung der Wahrheit für Juden nicht etwas Gutes ist: Wenn Christen Juden schon so Schlimmes angetan haben wie den Holocaust, oder daran mitschuldig sind- was man nicht in Gänze absprechen kann, denn der Katholik Adolf Hitler gilt ja als der Hauptschuldige- dann dürfen jetzt Christen ihnen nicht auch noch das Übel antuen, sie zu Jesus Christus zu bekehren! So wird das Argument in sich stimmig- aber wie kann ein Christ ernsthaft urteilen, daß die Verkündigung der Wahrheit für einen Juden etwas Negatives sein könne! Aber das sagt die EKD und alle Verneiner der Judenmission!
Kann die Wahrheit also für Menschen oder nur für Juden etwas Ungutes sein, sodaß man ihnen Gutes antäte, die Wahrheit ihnen zu verschweigen? Offensichtlich soll die Vorstellung von "Gottes Treue" zum Volke Israel besagen, daß die Wahrheit Jesu Christi für die Juden eine überflüssige Wahrheit ist! Der Heiland wäre nur eine Wahrheit für die Nichtjuden und nicht die Wahrheit für alle Menschen! 
Dann hieße das Argument so: Weil der Holocaust geschehen ist, an dem Christen mitschuldig waren, dürfen sie den Juden die für Juden überflüssige Wahrheit Jesu Christi nicht mehr verkünden. Wenn aber diese Wahrheit für Juden ob der Treue Gottes zu diesem Volke eine überflüssige ist, (wie die EKD erkannt hat wider die irrtümliche Meinung des Sohnes Gottes selbst, sich als die Wahrheit den Juden verkünden zu sollen), warum war es dann vor dem Holocaust legitim, ihnen etwas für sie Überflüssiges zu verkünden? Aber etwas Überflüssiges zu verkünden, wäre ja noch nichts Böses! Stichhaltig würde diese Konsequenz des Neins zur Judenmission ja so nur, wenn andemonstriert werdenn könnte, daß die christliche Mission, die Verkündigung Jesus Christus als die Wahrheit für Juden nicht nur etwas Überflüssiges wäre, sondern etwas Böses, und daß darum, nachdem ihnen so viel Böses angetan wurde, ihnen jetzt nicht noch das Böse der Verkündigung der Wahrheit angetan werden dürfe. 
Also: Die EKD kam zu der Einsicht, daß die Verkündigung der Wahrheit für Juden etwas Böses sei! Wie ist das denkbar? Um das zu verstehen, bedarf es eines Perspektivenwechsels. Nicht darf nun der Ausgangspunkt die Wahrheit sein, die als Wahrheit zu verkündigen ist, sondern der ungläubige Mensch, der, der Jesus Christus nicht als die Wahrheit anerkennt. Als jüdisch Glaubender  lebt er in einer Religion, die sich durch ihr Neinsagen zu Jesus als dem Messias Israels konstituiert hat. Erst durch dieses Nein gibt es die jüdische Religion. Die eigene,unwahre Religion aufzugeben, besser gesagt, sie in der christlichen Wahrheit aufzuheben (im hegelischen Sinne) ist für den in der Unwahrheit verharren Wollenden ein Übel. Aus dem Dunkel ins Licht geführt zu werden, ist dem Liebhaber der Dunkelheit etwas von ihm nicht Gewolltes, etwas Böses. 
Ergo: Die Verkündigung der Wahrheit ist jedem etwas Übles, der in der Unwahrheit verharren will. Weil das so ist, verzichtet die EKD auf die Judenmission wie auch faktisch auf jede andere, etwa einer Mission unter Mohammedanern, weil sie es akzeptiert, daß Nichtchristen lieber in ihrer unwahren Religion weiter leben möchten, als in die Wahrheit geführt zu werden. 
Anbei: Hätte der Germanenmissionar Bonifatius schon so gedacht, hätte es auch keine Mission der Germanen gegeben.                  

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