Samstag, 19. November 2016

Eine kleine Einführung in Verschwörungstheorien

Eine Szene aus der bekannten, erstaunlich niveauvollen Kriminal-serie:"Columbo" mit dem unvergeßbaren Schauspieler Peter Falk in seiner Paraderolle. Alles eindeutig klar auf den ersten Blick. Ein älterer Mann, im Rentenalter auf einem Trimmgerät liegend in seinem hauseigenen Fitnessraum: tot. Ein sehr reicher Mann, der in Kürze eine sehr junge Frau ehelichen wollte, am Abend seines Todes wollte er mit ihr Essen gehen, aber seine Zukünftige fand ihn nur noch tot im Trimmraum. Der untersuchende Arzt diagnostiziert ad hoc: Herzversagen. 
Eine Szene, in der alles klar und eindeutig ist: Da hat ein sehr reicher Mann sich halt in seinem Alter "übernommen"- jetzt noch eine blutjunge Frau heiraten zu wollen, ist doch etwas Hybrisches, und dann, dazu passend, sich sportlich maßlos zu übefordern, ein Gesundheitstrimmen, das hier nun- doch nicht ganz unverdient- mit dem Herztod endet. Und irgendwie paßt der Herztod auch zum Bilde eines Fastgreisen, der noch ein junges Mädchen heiraten will. Ist es nicht etwas Herzloses, so eine junge Frau ehelichen zu wollen.
Dann: die Störung. Columbo tritt auf. Er kam, sah und sah. Er sah das, was andere nicht sahen. Da er sich seine Finger schmutzig sich gemacht hatte, reinigte er sich im Badezimmer des Hauses. Zu seiner verblüffung fand er ein nasses Handtuch vor. Nur eine Person, der Millionär wohnt in ihm, also muß er es naß gemacht haben. Der Kommissar, nun aufmerksam geworden, untersucht die Badewanne im Badezimmer und findet auch sie noch naß. Wer hat sich gebadet und dann abgetrocknet. Also, nichts Beonderes! 
Aber der Kommissar sieht das anders: Nur der Verstorbene konnte es sein, der sich hier gebadet und dann abgetrocknet hatte- und immer noch waren Bad und Handtuch naß. Der Verstorbene hatte ein Rendevouz, also machte er sich vorher für seine Zukünftige "frisch"...aber warum setzte er sich dann, nachdem er sich gebadet hatte für das Miteinanderausgehen in einer Restauration, noch aufs Trimmgerät? Frisch gebadet, jetzt wieder den Körper zum Schwitzen bringen- kurz bvor er ausgehen wollte- das ist absurd! 
Colombo urteilt: Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu, er tippt auf Mord! Der erste Eindruck ist eindeutig: Alter Mann überschätzt sich und erleidet einen Herzinfakt. Und dann noch dies hybrische Projekt, im Seniorenalter noch ein blutjunges Mädchen heiraten zu wollen- da kollabierte eben das alte Herz, klingt als Subtext mit. 
Alle Verschwörungstheorien haben eines mit dem Kommissar Columbo gemeinsam: Sie glauben nicht dem oberflächlichen Schein. Das Wahre ist das, was sich unter seinem Schein verbirgt. Es muß förmlich erst ans Licht gebracht werden. Da gilt es, Einzelphänome nicht einfach nur als Einzelphänomene zu sehen, sondern Spuren von Zusammenhängen zu konstruieren, um den Details gerecht zu werden. Ein nasses Badetuch läßt auf einen Benutzer schließen, der zumindest teillweise naß war, sodaß er sich abtrocknen wollte.Der Grad der Feuchtigkeit läßt Rückschlüsse auf den Grad der Naßheit des Benutzers zu. Wo kann wer sich so naß gemacht haben? Die Badewanne, ist die naheliegendste Antwort- und sie ist dann auch sehr naß. 
Um zu sehen, was hier sich ereignet hat, muß das Auge des Kommissars viel mehr sehen, als sehbar ist.Und so erst wird das Zuerkennende erkennbar. Wer nur sieht, was sehbar ist, der sieht nicht, was da sich ereignet hat. Nicht im Sehen, wie es ist, sondern erst im Begreifen des Gesehenen entsteht die Erkenntnis des Gesehenen. 
Das ist die Stärke und die Schwäche jeder Verschwörungstheorie: Sie muß mehr sehen, als sehbar ist, um so das Sehbare zu begreifen. Der Kritiker: Verschwörungstheoretiker sehen, was nicht sehbar ist, und das ist ihr Irrtum. In Wirklichkeit gibt es nur ein  Meer von Einzeldingen, die zusammenhanglos da sind, nur Theoretiker machen daraus ein Ganzes, für das jedes Einzelne dann nur noch ein Detail des Ganzen ist. 

Corollarium 1
Man sieht nur, was man kennt. Wer nichts kennt, ist fast blind.                

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