Freitag, 11. November 2016

Liebesfilme und Liebesromane = Schundliteratur? Und die Bibel?

Es gehört zu den Selbstverständlichkeiten jedes Kultivierten, die Gattung des Liebesromanes und des Liebesfilmes zu verachten und das noch so hochgehaltene Ideal der Toleranz und der Nichtausgrenzung hindert keinen daran, diese Gattung als nicht mehr tolerierbar zu verurteilen. Nur, der Mensch ist ja nicht nur ein Wesen des Denkens, des Wollens und des sinnlichen Wahrnehmens, sondern auch ein Wesen des Fühlens. Flauberts Romantitel: "Erziehung des Herzens" könnte uns auf eine weiterführende Spur verweisen: daß nämlich nicht nur der Verstand zu schulen und auszubilden ist, sondern daß auch unser Gefühlsleben eine der Ausbildung bedürftige Potenz ist. Wenn der Humanismus der Glaube ist, daß der Mensch durch gute Bücher bildbar ist zum Guten hin, dann ist ein Anliegen der Romantik, das in der Aufklärung zu kurz gekommenem Gefühlsleben des Menschen in den Vordergrund zu stellen. 
Und wenn die Liebe das edelste Gefühl des Menschen ist, durch was als durch Liebesromane und Liebesfilme könnte das Gefühlsleben des Menschen besser ausgebildet werden? Als Gegenthese könnte in Anschlag gebracht werden, daß wer wirklich liebt, keine Liebesromane und Filme dieser Art bedarf. Kunst stünde somit unter dem Generalverdacht, nur ein Surrogat für ein wirkliches Leben zu bilden- einfacher formuliert: Nur wer nicht liebt, bedarf des Liebesromanes und Filmes. 
Wie nun aber, wenn die Kunst nicht einfach nur ein Ersatz für etwas im Realleben Fehlendes ist, sondern daß durch die Kunst das Realleben verfeinert und verkultiviert wird? Daß eben die Fiktivwelten der Kunst, gerade des Liebesromanes und Filmes nicht einfach mehr oder weniger gelungene Abbildungen des Reallebens sind sondern die Funktion von Vorbildern haben, von Modellen, die im Realleben dann umgesetzt werden können? So ist Liebe gestaltbar, lebbar, so kann sie empfunden werden!
Mann und Frau leben nicht einfach natürlich das Gefühl der Liebe, denn von Natur aus ist das Gefühl der Liebe nur eine Funktion für die Fortpflanzung. Sie leben sie als Menschen auch kultiviert, so wie der Mensch eben nicht einfach natürlich frißt sondern kultiviert ißt! Und zur Kultivierung der Liebe dient gerade die Gattung des Liebesromanes wie des Liebesfilmes. Kultivierung ist die Vergeistigung des Natürlichen und so gemäß der Natur des Menschen, weil er nicht nur körperlich lebt sondern immer auch geistig-seelisch. 
Also, nicht schon die Gattung des Liebesromanes und Filmes ist an sich etwas Minderwertiges, sondern allein die Qualität entscheidet. Niemand käme auf die Idee, den Qualitätsunterschied etwa zwischen einem Kriminalroman aus der Feder eines Edgar Allen Poe und einem Jerry-Cotten-Roman in Abrede zu stellen, einen H.P. Lovecraft Roman mit Stephen Kings Werken in eins zu setzen, obzwar beide Horrorromanschriftsteller sind. Das gilt auch für die so pauschal  geschmähte Gattung des Liebesfilmes. So kann man große Qualitätsunterschiede zwischen seichten US-Liebesfilmkomödien und den künstlerisch-handwerklich sehr gediegenen Verfilmungen von Rosamunde Pilcher Romanen kaum übersehen.
Aber das verlangt eben auch ein geschultes Auge. Wer keinen Geschmack für Wein hat, dem ist es egal, ob er einen Qualitätswein oder Verschnittwein aus demTetrapack trinkt- nur der Kenner bemerkt da Qualitätsunterschiede. Wie nun, wenn uns Männern ob der uns typischen Abneigung gegen diese Gattung das Auge für die Qualitätsunterschiede fehlte? Und könnte es dann auch sein, daß uns auch das Auge fehlt zur Hochschätzung des größten je geschriebenen Liebesromanes, der Bibel? 
        

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