Das Mädel mit der Fahne
Im Mai '45 in Hamburg es war
Ich sing Euch ein Lied von dem was
geschah
Es ist die Geschichte und viele sind
gleich
Von dem Mädchen mit der Fahne vom
deutschem Reich
Das Mädel war fünfzehn als der Feind
im Reich stand
Doch ihr Herz gab nicht auf Ihren Kampf
für das Land
Und so nahm sie zur Hand in der
bittersten Not
Die Fahne des Reiches SCHWARZ, WEISS
und ROT
Auf einem Motorrad ein Engländer kam
Und sah nun das Mädel mit der Fahne im
Arm
Doch es durfte nicht sein - das in
seinem Bereich
Man die Fahne noch zeigte vom deutschem
Reich
Er lacht über sie, noch mahnend er
schreit
Komm, gib mir die Fahne, sei brav und
gescheit
Komm, gib mir die Fahne, hör' auf mein
Gebot
Hier zeigt niemand die Farben SCHWARZ,
WEISS und ROT
Von der Fahne zu lassen das zwingst Du
mich nicht
Eher färbt sie mein Blut, so trotzig
sie spricht
Noch trag ich ein Messer, und das Leben
ist gleich
Wenn ich sterbe so fall' ich für die
Fahne vom Reich
Er stieg auf sein Krad, mit bleichem
Gesicht
Und fuhr seinen Weg als noch leise er
spricht
Warum geht nur ein Kind noch jetzt in
den Tod
Warum nur dieses Opfer für SCHWARZ,
WEISS und ROT
Und noch an dem Abend sank die Fahne
dahin
Das bewaffnete Mädel kam ihm nicht aus
dem Sinn
Ihr Leib war zerschossen, die Lippen
ganz bleich
Sie starb noch am Abend fьr die Fahne
vom Reich
Das Opfer des Mädchens - vergesst Ihr
es nie
Verliert nie den Stolz und kämpfet wie
sie
Bis es endlich soweit das auch hier
irgendwann
Die Zeichen des Reiches man zeigen kann
Die Zeichen des Reiches man zeigen kann
Dieses Lied von Frank Rennicke ist bekannt und doch stellt es dem Hörer Fragen-oft wird uns das zu Bekannte zum Fraglosen und verliert so auch an Qualität. Dies Lied könnte als engagierte Kunst bezeichnet werden, daß da eine klare politische Botschaft die Substanz dieses Textes ausmacht, sodaß die künstlerische Form nur das Vermittelungsmedium ist, durch das die politische Botschaft an das Ohr des Hörers gebracht werden soll. Das wäre so, als wenn ich meinen geschriebenen Brief (als Substanz) in einen Briefumschlag ( als Vermittlungsmedium) lege, damit er beim Adressaten ankommt, der aber den Briefumschlag erst öffnen müßte, damit er den Brief lesen kann. Der Briefumschlag ist dabei dann für den Briefgehalt irrelevant, denn das Kuvert ist dem Brief gegenüber nur äußerlich.
Applzierte man das auf diesen Liedtext, dann hieße das, daß die Musik für dies Lied, für den Gehalt rein äußerlich wäre, ja daß es für den Empfänger gleichgültig wäre, ob er nur den Text des Liedes läse oder ob er das Lied sich anhörte. Spätestens hier müssen wir "Halt" rufen, denn zu offensichtlich ist diese Vorstellung von der Substanz des Liedes irrig. Es mag politische oder auch religiöse Kunstprodukte geben, die so sehr auf ihre textliche Botschaft kapriziert sind, daß das Künstlerische wirklich nur noch ein Beiwerk ist. Solche Werke würden dann rechtens als Agitations- und Propagandakunst kritisiert werden, daß es eigentlich keine Kunstwerke sind.
Aber was macht dann den Unterschied aus, ob ich den Text dieses Liedes nur lese oder ob ich mir das Lied anhöre? Ändert sich der Gehalt, wenn das Lied gespielt und gehört wird? Oder ist das Singen des Liedes nur ein Mittel dafür, daß der Gehalt des Texte beim Hörer besser ankommt?
Es ist geradezu erschreckend, wie selbstverständlich Musik gehört wird und wie wenig wir wissen von dem, was es bedeutet, eine Musik zu hören! Ist die Musik ein Medium, durch das eine nichtmusikalische Botschaft vermittelt werden soll oder ist die bestimmte Musik selbst die Botschaft, wobei dann der gesungene Text selbst zur Musikbotschaft dazugehört?
Eines fällt ja auf: Wird ein Text gesungen, findet eine Verschiebung statt von dem Primat der Bedeutung des Textes zum Primat des Klanges. Der Klang der gesungenen Worte steht im Hören eines Liedes im Vordergrund, so sehr, daß in bestimmten Musikrichtungen, etwa der Schwermetallmusik die Bedeutung des Textes fast ganz verschwindet,weil es nur noch auf den Klang des Gesungenen ankommt.
Aber was ist dann der Gehalt eines Musikwerkes? Angesichts der Schwierigkeit, den zu erfassen, ist es nur zu verständlich, dann doch wieder auf den Text des Liedes zurückzugreifen, weil sich der Gehalt eines Musikwerkes irgendwie entzieht, soll er benannt werden. Ich vermute, das liegt daran, daß ein Musikwerk uns in einen jedem Werke eigenen Gefühlsraum hineinführt, sodaß wir, solange wir hören, in diesem Gefühlsraum uns befinden, den wir, ist das Musikwerk zu ende gehört, nicht mehr klar benennen können, weil wir dann schon nicht mehr in ihm sind. Musikhören wäre so eine exstatische Existenz, des Außersichsein im Medium der Musik als einen künstlerisch komponierten Gefühlsraum. Der gesungene Text dieses Liedes würde dann dazu führen, daß der Hörer die Gefühlswelt dieses Liedes als patriotisch empfindet. Durch das Hören würde so der den Text tragende Patriotismus zu einem Gefühlserlebnis. Aber ob das schon eine hinreichende Bestimmung des Bedeutung des Gesungenwerdens dieses Textes ist, wage ich zu bezweifeln- Musik ist mehr!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen