Sonntag, 10. November 2019

Kommen Gesellschaften ohne einen Teufel aus?

Zu den großen Naivitäten der Aufklärung gehört der Gemeinplatz, daß die Religion nur noch eine reine Privatangelegenheit sein solle, denn so könne die Politik, emanzipiert von allem Religiösen rein vernünftig gestaltet werden. Das Irrationale würde so eingehegt in die Sphäre des Privaten, der Innerlichkeit, wo sie dann keinen gesellschaftlichen Schaden mehr anrichten könne.
Wenn aber genau hingesehen wird, sieht man, daß aber Surrogate für die ins Private verdrängte Religion gesucht wurden, die dann die Funktion einer öffentlichen Religion anstelle der christlichen einnehmen sollten. Es sei an den Versuch des französischen Revolutionärs Robespiere erinnert, der einen neuen Kult der Verehrung der Göttin "Vernunft" installieren wollte oder der Versuch nicht nur Kants, eine Religion in den Grenzen der bloßen Vernunft als neue öffentliche Religion zu  kreieren, oder ganz auffällig im Sowjtkommunismus die kommunistsche Partei und der Marxismus-Leninismus als Ersatzkirche und Ersatzreligion.
Zu jeder montheistischen Religion gehört nun aber auch konstitutiv der Glaube an den Teufel. Polytheistische Religionen führen ja die in der Welt nicht übersehbaren Widerstreite und Konflikte in ihr auf Konfikte unter den Göttern selbst zurückführen. Ein Verzicht auf so eine Zurückführung auf jenseitige Wirkmächte wäre schwerlich mit den Anliegen einer Religion vereinbar, daß in und gerade mitten in ihr jenseitige Mächte wirken und daß das Wohlergehen des Menschen gerade von diesen abhängig ist.
Jede monotheistische  Religion muß nun eine Auskunft darüber geben, warum es in der Welt solche Widerstreite und Konflikte überhaupt geben kann, wenn doch alles, was ist, durch den einen Gott erschaffen und regiert wird. Daß die Welt nicht monistich ist, obgleich es nur einen Herrscher gibt, daß erklären somit monoteistische Religionen mit dem Konzept eines Antigottes, der zwar Gott subordinert ist, der aber als übermächtige Gewalt in die Welt hineinregiert. Die Komplexität dieses Konzeptes ergibt sich nun daraus, daß a) am Monotheismus festgehalten werden muß, der Satan kann kein zweiter Gott sein, er muß also als von Gott geschaffen gedacht werden und b) muß er doch so viel Eigenmacht besitzen, daß er als real gegen Gott Wirkender zu konzipieren ist. Das Böse in der Welt allein auf den Menschen zurückzuführen, widerspräche aber dem Grundanliegen der Religion, die Welt als ein offenes System zu verstehen, in das außerweltliche Kräfte (Gott, Engel, Teufel, Daimonen) einwirken und das gerade in den für uns Menschen besonders relevanten Lebensbereichen.
Als Alternative böte sich nur an, alles Böse in der Welt als Strafwirken Gottes zu verstehen, das eben dann nur von Uneinsichtigen als Böses mißverstanden würde.  Aber wird man so allem Bösen in der Welt wirklich gerecht.
Was wird nun aber aus dem Bösen in der Welt, wenn gar schon die Kirche aufhört, vom Teufel zu reden und wenn in einer säkularisierten Welt sich die  Rede vom Teufel von selbst verbietet?
Könnte es Ersatzreligionen geben, in denen es nun auch einen Ersatzteufel gibt, der die Funktion des Teufels im öffentlichen Diskurs übernimmt, die bisher der Teufel in der christlichen Religion einnahm? Wo an den Teufel und seine Daimonen geglaubt wird, da gibt es immer auch die Praxis des Exorzismus: der Teufel muß ausgetrieben werden. Teufelsaustrebung und die Parole: "Nazis raus!" Keine Kampfparole erfreut sich unter Gutmenschen und politisch Korrekten so großer Beliebtheit wie dieser. Ist das nicht eine säkularisierte Gestalt des Exorzismus? Früge wer einen Demonstranten, wohin sich den die "Nazis" wegzubewegen hätten, es könnte ihm keine Antwort gegeben werden. Diese sollen nicht irgendwohin sondern ganz aus der Welt verschwinden. Das Wohin zeigt so auf einen nur in einer Religion möglichen Ort, denn der säkularisierte Gutmensch aber nicht mehr benennen kann. Dafür weiß er aber um so gewisser, daß alles Böse irgendwie von den Nazis herkommt und daß die eben einfach die Bösen schlechthin sind. 
Für die monotheistischen Religionen gilt, daß nur Gott das einzig Gute und daß der Teufel nur das einzig Böse ist. Somit kann der Mensch nie vollkommen gut oder vollkommen böse sein oder werden, denn er kann sich weder vergöttlichen noch verteufeln. In einer Surrogatsreligion kann dem gegenüber ein oder eine Gruppe von Menschen so verteufelt werden, daß sie die Rolle des Teufels in einer Ersatzreligion einnehmen können. So erscheint uns jetzt der Kampf gegen Rechts- "Nazis raus" in einem ganz anderen Lichte. Die Politische Korrektheitsideologie erschuf auch einen neuen Teufelsglauben: Hitler ist der Teufel dieser Ideologie. Er erfüllt in ihr die religiöse Funktion des Teufels. Alle Menschen, die keine Gutmenschen sind, sind also Teufelskinder, von ihm Besessene, also "Nazis". Und gegen die ist die Zivilgesellschaft zu einem permanenten Kampf aufgerufen.
Dieser Dualismus zwischen den Gutmenschen und den "Dunkeldeutschen", den "Nazis" hat selbst schon einen religiösen Charakter, reproduziert sich doch in ihm die Gegenüberstellung von Gott und Teufel. Die Parole: "Nazis raus" ist so wirklich ein zeitgeistgemäßer Exorzismus. 
Interessant ist nun, daß auch Conservative und Rechte diese Ersatzreligion praktizieren.So wird in solchen Kreisen gelegentlich von "linksfaschistischen Terror" oder von einem "faschistischen Islamismus" geredet. Hitler wird nämlich gerne in linken Kreisen als "deutscher Faschist" bezeichnet. Das hat seinen Ursprung in der Einschätzung des Nationalsozialismus durch die Kommunistische Internationale in den 30er Jahren: Hitler wurde als Sonderfall des allgemeinen Faschismus in Europa angesehen. Dieses Begriffes bedient man sich bis heute noch, auch wenn eingeräumt wird, daß so das Spezifische des Nationalsozialismus nicht erfaßt wird. Wenn also Hitler als der Faschist der Böse schlechthin ist, dann müssen alle anderen Bösen als Derivate von ihm verstanden werden. Also sind islamistische Gotteskrieger wie autonome Antifaschisten in Wirklichkeit auch Faschisten, nur daß sie das nicht wissen. Nur wer gut ist, ist kein "Faschist" oder "Nazi". Und wer das ist, das bestimmen die "Guten" immer selber, indem sie alle Andersdenkenden als "Nazis" diffamieren.
Andererseits gilt nun aber auch, daß alles was Nichtnazis, Nichtfaschisten auch immer vollbringen, dann nichts Böses sein kann, denn das ist nur Nazis und Faschisten gegeben. Darum wird von Gutmenschen die von Islamisten oder Kommunisten praktizierte Gewalt nie so verurteilt wie "rechte" Gewalt.  
Aber es kommt noch wunderlicher. So erleben wir das Phänomen, daß Christen, wenn sie gegen das Töten von Kindern im Mutterleibe demonstrieren, regelmäßig entgegengerufen wird: "Nazis raus", ja der Lebensschutz wird als Nazianliegen verteufelt. Wer für den Erhalt des (christlichen) Abendlandes sich einsetzt, gilt selbstredend auch als "Nazi". Wieso? Wenn im religiösen Diskurs alles Böse immer auch auf den Teufel zurückgeführt wird, dann wird im politisch korrekten Diskurs alles Mißfallende als "nazihaft" oder "faschistisch" abqualifiziert, denn es gibt für den moralisch-politischen Diskurs nur eine Größe, die für alles Böse da verantwortlich ist: Hitler und seine  Reinkarnationen. 
So sehen wir in der politischen Korrektheitsideologie eine neue Religion oder Ersatzreligion, die auch wie die christliche nicht ohne einen Teufel auskommt und ihn ihn Hitler erfolgreich gefunden hat. Und da es, wie  es nur einen Gott und nur einen Teufel gibt, auch hier nur einen Teufel geben kann, ist er der  einzige und alle anderen können dann nur Avatare von ihm sein-  Neonazis, Rechte, Rechtspopulisten, gegen die Gutmenschen anzukämpfen haben wie in einem heiligen Kreuzzug gegen Rechts.
Augenfällig ist nun aber auch, daß sowohl die Katholische Kirche wie der Protestantismus sich dieser neuen Ersatzreligion subordineren ihre Hoheit als neue Staatsreligion anerkennen, um sich selbst nur noch als eine Privatreligion zu verstehen.

Corollarium 1
These: Der einzelne Mensch kann auch ohne eine Religion, ohne einen Privatglauben leben. Aber Gesellschaften kommen nicht ohne eine öffentliche Religion aus, die den Anspruch erhebt, von allen Gliedern der Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Die christliche Religion hatt die Funktion der öffentlichen Religion so im Abendland, aber nach dem Ende des Thron-und Altarbündnisses am Ende des 1.Welktkrieges hat sie diese Aufgabe verloren. Natürlich war das ein längerer Auflösungsprozeß, eingeleitet durch die Reformation und den innerchristlichen Religionskrieg des 17. Jahrhundertes. Das so entstandene Vakuum versuchten nun verschiedene Ideologien zu füllen, die sozialistisch/kommunistische, die faschistisch/nationalsozialistische und die liberale Ideologie. (So Alexander Dugin) Der Liberalismus siegte 1989 endgültig, aber er erweist sich zu schwach in seinen Bindungskräften, denn der Liberalismus ist primär eine Ideologie der Entbindung, der Atomisierung von Gemeinschaften. Es sei an das große Wort von Moeller van den Bruck erinnert, daß die Völker am Liberalismus untergehen. Die politische Korrekteisideologie soll so nun den an Bindungskräften schwachen Liberalismus absichern, indem nun diese Ideologie die Rolle der öffentlichen Religion in Europa übernimmt. Wir erleben und erleiden so die Etablierung einer neuen Staatsreligion. (vgl dazu: Sieferle, Finis Germania)

Corallarium 2
Fußballspielen kann man nur mit einem Ball. Was aber, wenn keiner vorhanden ist? Eine Coladose kann dann als Ersatz fungieren. Ganz Verschiedenes kann so die selbe Funktion erfüllen.So kann auch die Religion durch etwas anderes ersetzt werden, wenn dadurch auch die Funktion der öffentlichen Religion für die Gesellschaft erfüllt werden kann.

Corallarium 3
Wozu braucht eine Gesellschaft den Glauben an den einen Feind, den Teufel?
 A) Damit durch den Feind, den Teufel eine Gesellschaft sich zu einer Gemeinschaft transformiert als die Opposition dazu. Gemeinschaft entsteht nur durch Ausgrenzung.
B) Jede Gesellschaft braucht Sündenböcke, die sie für alles Negative verantwortlich machen kann, um so innergesellschaftlich  eine Entlastung zu erwirken, daß für alles immer nur einer die Schuld trage. So gibt es eben keine Ausländerkriminalität sondern nur Rechte, die contrafaktisch behaupten, daß es sie gäbe. Die Aufspaltung der Gesellschaft in die Gutmenschen und die Dunkeldeutschen konstituiert so erst die Gemeinschaft der Guten, die nur gut sind, weil sie nicht zu den Dunklen gehören.
 
     

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