Dienstag, 12. November 2019

Eine fast vergessene Wahrheit: der Verlust der christlichen Hoffnung!

"Mit der Frage über die "Auferstehung der Toten" kannst du heute irgendwie keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken. So kommt es mir zumindest im Alltag vor. Kommt man – und das nicht nur im typischen Totenmonat November – auf die Frage, was denn nach dem Tod sein wird, dann erntet man Kopfschütteln, zweifelnde Blicke oder gar die Antwort, dass man da nichts Genaues weiß und sich deshalb darüber auch keinen Kopf zerbrechen sollte." Dem kann leider nicht widersprochen werden. (Katholisch de am 10.11.2019 in der Auslegung des Sonntagsevangeliums)
Als ich noch Vikar der Reformierten Kirche war und da auch "beerdigte" sprach mein Mentor, ein erfahrener Pfarrer, der vor Ort mich auszubilden hatte, zu mir: Ich solle doch die Rede von einem ewigen Leben, einer Totenauferstehung und allem Jenseitigen unterlassen, denn das wolle keine Trauergemeinde bei einer Beerdigungsansprache mehr hören; es glaube sowieso fast keiner mehr an solch mythologisches Zeugs. Der Pfarrer versicherte mir, daß er noch nie am Grabe sowas gepredigt habe und daß nie wer daran einen Anstoß genommen hätte. Selbst zu  Ostern predige er nicht, daß Jesus von den Toten auferweckt oder auferstanden sei, denn auch das sei doch nur eine Illusion der Jünger gewesen. Er war eben wirklich liberal und so intolerant gegen alles Conservative. Ich durfte dann aber doch noch so Mythologisches predigen, weil man auf der Kanzel authentisch zu predigen habe. Verzichtete ich auf diese Predigtgehalte, würde ich nicht mehr authentisch predigen. 

Eines ist offensichtlich: Die Hoffnungsbotschaft vom ewigen Leben nach dem Tode erhält seit längerem eine Konkurrenz durch Epikurs Todesverständnis: Wenn ich bin, ist der Tod nicht und wenn der Tod ist, bin nicht ich; ergo gibt es meinen Tod gar nicht so daß gilt: In meiner Todesfurcht ängstigt mich etwas, was es gar nicht geben kann, meinen Tod. 
Der moderne Mensch frägt sich: Lohnt sich das Leben? Das ist eine Fragestellung im Kontext des Primates der Ökonomie. Ich betrachte, so fragend, mein Leben wie ein Geschäft, ob es schwarze Zahlen (Gewinn) oder rote (Verlust) schreibt. Schreibt es kontinuierlich rote und muß ich davon ausgehen, daß es so bleiben wird, dann meldet der Geschäftsann den Konkurs an oder er sperrt einfach sein Geschäft zu. Das ist die schwarze Null, wo weder ein Gewinn noch ein Verlust gemacht wird. Das auf das Leben übertragen heißt: Todsein. 
Das Todsein kann nicht erlitten werden, da es  im Todsein kein Ich mehr gibt, das sich das Todsein als sein Todsein zuschreiben kann.(Ganz anders in der Bibel, wo die Verstorbenen als Schemen in der Unterwelt weiterexistieren- sehr ähnlich der griechischen Vorstellung vom Hades.)
Meinen Tod gibt es so für mich nicht, es gibt ihn nur für andere, für die ich nun nicht mehr bin. Warum kann das eine positive Botschaft für Lebende sein? Sie kann es nur sein, weil der Glaube, daß es sich lohnt zu leben, selbst in eine  Krise geraten ist. Das ist die signifikanteste Manifestation der Dekadenz des einstigen christlichen Abendlandes, daß es des Lebens müde geworden ist. Ewig leben- lieber nicht, das ist doch zuviel an Leben. 
Arthur Schopenhauer mit seiner Erlösungsphilosophie als der Lehre von der Überwindung des Lebenswillens markiert den Einbruch dieser Dekadenz in den philosophischen Diskurs, Albert Camus urteilte, daß die Frage des Freitodes, warum sich nicht das Leben nehmen, die einzig relevante Frage der Philosophie sei. Das sind aber nur die Eisbergspitzen der im freien Westen herrschenden Dekadenz, dieses allgemeinen Gefühles, der Stimmung, daß es doch gut sei für uns Menschen, daß wir nur endlich zu leben haben, daß es ein Ende für das Leben gibt. 

Corollarium 1
Diese Dekadenz hat auch etwas damit zu tuen, daß die großen Hoffnungspotentiale, der von der christlichen Religion verheißende Himmel,daß dort der Mensch paradiesisch leben werde, der aufgeklärte säkularisierte Mensch als seine Aufgabe übernahm, die Welt zu einem Paradiese des ewigen Friedens und der Gerechtigkeit umzuformen und daß diese Hoffnungen alle scheiterten, sodaß nun der  Verzicht auf alles Hoffen den postmodernen Menschen bestimmt. Die Säkularisation war nicht einfach die Negation der religiösen Hoffnung auf eine jenseitige Erlösung,sondern die Aufhebung dieser Verheißung zu einem Auftrag des Menschen, die Erlösung nun selbst zu erwirken. Das Scheitern an dieser Aufgabe führt nun aber nicht zu einer Revitalisierung der religiösen Hoffnung auf eine Erlösung sondern zur Aufgabe dieser Hoffnung auf Erlösung überhaupt.Und dem so Desillusionierten kann dann Epikur tröstlich werden, daß unser Leben einmal zu Ende gegangen sein wird.         


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